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14.02.09 / Wo der russisch-georgische Konflikt wurzelt / Seit dem Altertum stellt der Kaukasus eine bewegte Konfliktzone dar – Zaristische Eroberung im 19. Jahrhundert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-09 vom 14. Februar 2009

Wo der russisch-georgische Konflikt wurzelt
Seit dem Altertum stellt der Kaukasus eine bewegte Konfliktzone dar – Zaristische Eroberung im 19. Jahrhundert

Schon für die griechischen Geographen der Antike bildete der Kaukasus die Trennlinie zwischen Asien und Europa. Bedingt durch die Vielfalt seiner Völkerschaften und die Unterschiedlichkeit ihrer historischen Wurzeln, Konfessionen und Kulturen ist der Kaukasus seit dem Altertum eine ständig in Bewegung befindliche Konfliktzone. Der Kaukasus konnte weder durch die Römer noch durch die Perser, Mongolen, Osmanen und Russen zur Ruhe gebracht werden. Gleichzeitig übt er aber auch eine Brückenfunktion zwischen dem Morgen- und dem Abendland aus.

Nachhaltiger als die türkischen und persischen Ambitionen, die sich mit einer lockeren Oberherrschaft begnügten, wirkte sich der seit dem 18. Jahrhundert ständig wachsende Expansionsdrang des Zarenreiches auf die Geschicke Kaukasiens aus. Energisch drängten Katharina die Große und ihre Nachfolger in den Süden, um das Schwarze Meer zu einem „russischen Meer“ zu machen und sich durch den Besitz Konstantinopels und der Meerengen den ersehnten Zugang zum Mittelmeer zu verschaffen. Insgesamt benötigte Rußland über 100 Jahre (1774–1878), um das gesamte kaukasische Gebiet zu unterwerfen. Diese Eroberung wurde vordergründig mit der zivilisatorischen Mission Europas in Asien gerechtfertigt, doch tatsächlich ging es den Machthabern in Petersburg darum, durch rücksichtslose Unterdrückung und Vertreibung rebellischer Volksgruppen ihrem machtpolitischen Willen Geltung zu verschaffen.

Sein Hauptkamm teilt das Gebirge in Nord- oder Ciskaukasien und Süd- oder Transkaukasien, was auch die hier lebenden Nationalitäten entsprechend gliedert. Im nördlichen Kaukasus sind die Tschetschenen, die als Kabardiner bezeichneten Tscherkessen, die Karatschaier, Adygier, Lesghier und Balkaren zumeist sunnitische Muslime und sprechen nur in dieser Region vorkommende Idiome oder Turksprachen. Dagegen gehören die im Nord- und Südkaukasus siedelnden Osseten zur indoeuropäischen Sprachgruppe und bekennen sich mehrheitlich zur russisch-orthodoxen Religion, knapp 20 Prozent sind Muslime. Die breite Mehrheit der Ethnien Südkaukasiens bilden die Georgier, die indoeuropäischen Armenier, beide mit selbständigen christlichen Kirchen, und das sich mehrheitlich zum schiitischen Islam bekennende Turkvolk der Aserbaidschaner.

Die Spannungen der Georgier mit den Abchasen und Südosseten, die eine Schlüsselrolle beim Ausbruch des militärischen Konfliktes Georgiens mit Rußland im Sommer 2008 spielten, gehen auf die kommunistische Zeit zurück, in der die Kaukasier mit nicht weniger imperialen Mitteln als im Zarismus unterworfen wurden. So wurde die im März 1921 ausgerufene Sozialistische Sowjetrepublik Abchasien zehn Jahre später in ein autonomes Gebiet innerhalb Georgiens umgewandelt, das mit Armenien und Aserbaidschan die Transkaukasische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik bildete. Im Februar 1944 wurden 408000 Tschetschenen und 92000 Inguschen vom NKWD in Viehwaggons nach Kasachstan und Mittelasien deportiert. Man hatte ihnen vorgeworfen, mit den deutschen Militärs kollaboriert zu haben.

Als verhängnisvoll für die Zukunft erwies sich die gleichfalls von den Sowjets zu verantwortende Trennung Ossetiens in einen russischen Nord- und einen georgischen Südteil. Die hier programmierten Konflikte brachen nach der Wende in der 1991 entstandenen unabhängigen Republik Georgien auf. Der Anfang 2004 zum Staatspräsidenten gewählte und mit fast unbeschränkten Vollmachten ausgestattete Michail Saakaschwili machte sich zum Sachwalter ungehemmter nationalistischer Strömungen. Mit allen Mitteln suchte er die Unabhängigkeitsbestrebungen Abchasiens und Südossetiens zu unterdrücken. Andererseits versteht sich Rußland aus politischen und wirtschaftlichen Interessen weiterhin als Schutzmacht der kaukasischen Völker. Eine zentrale Rolle spielt hier die Kontrolle über die durch Georgien führende Öl-Pipeline. Das Hilfegesuch der Regierungen Abchasiens und Südossetiens an Rußland und der von der georgischen Armee im Vertrauen auf US-amerikanische Unterstützung ausgelöste erste Schuß führten zum Ausbruch des blutigen Rußland-Georgien-Konfliktes im Sommer 2008, der viele Todesopfer und rauchende Ruinen zurück­ließ.

Trotz Einstellung der Feindseligkeiten ist die Zukunft dieser Region, die überdies durch den nur notdürftig gekitteten Kompromiß Armeniens und Aserbaidschans um Nadgorny Karabach belastet wird, ungewiß und brüchig, und alle Seiten, vor allem die EU und die USA, aber auch Rußland sind aufgerufen, hier stabile, friedenssichernde Verhältnisse zu schaffen-                Stefan Hartmann


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