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14.02.09 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-09 vom 14. Februar 2009

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,              

liebe Familienfreunde,

beginnen wir heute mit einigen Leserwünschen, die schon ein wenig länger in meinem Krepsch schmoren. Sie hatten leider bisher keinen Platz in unserer Kolumne gefunden, obgleich sie schon längst bearbeitet waren. Aber sie mußten den großen Suchfragen den Vorrang überlassen, da spielt eben der Faktor „Zeit“ eine große Rolle, denn es werden zumeist ältere Informanten gesucht. Bei unserer ersten Frage können auch jüngere Leserinnen und Leser helfen, wenn sie die Sendung gesehen haben, um die es sich dreht.

„Meine Wünsche liegen im kleinen Landgut Podlasen“, schreibt Herr Werner von Nieswandt aus Berlin, und das ist auch erklärlich, denn bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts war der Besitz in den Händen seiner Familie. Vor einigen Jahren hat Herr von Nieswandt den Gutshof, oder was von ihm übriggeblieben ist, aufgesucht. Der Ort, der 1938 in Klausenhof umgetauft wurde, liegt im Landskreis Allenstein am Sevent-See und wird von den Polen „Podlazy“ genannt. Nun sah Herr von Nieswandt am 11. Dezember die Sendung „Weihnachten in Ostpreußen“. Es wurde darin ein Ort Korzarki beziehungsweise Podlasen genannt, der bei Rastenburg liegen soll. Nun ist sich Herr von Nieswandt unsicher, ob es sich da um „sein“ Podlasen handelt oder ob es zwei Orte dieses Namens in Ostpreußen gab? Ich glaube, ich kann die Sache weitgehend klären. Zuerst einmal: „Sein Podlasen“ hieß richtig „Podlassen“, und diesen Namen gab es nur einmal in Ostpreußen. Bei dem in der Sendung genannten dürfte es sich um das große Gut „Podlacken“ bei Rastenburg, das die Polen „Podlawski“ nennen, handeln. Den polnischen Namen „Korzarki“ kann ich in meinen Ortsregistern nicht finden. Vielleicht hat jemand auch die Sendung gesehen und kann hier weiterhelfen. (Werner von Nieswandt, Zobeltitzstraße 23 in 13403 Berlin, Fax 030/4138297.)

In Berlin ist auch Frau Ingrid Preylowski geboren, aber sie liebt das Heimatland ihres Mannes, und das heißt „Ostpreußen“. Er wundert sich oft, daß sich seine Frau so für Ostpreußen interessiert, und er macht ihr die Freude – so schreibt sie – und fährt sie zu den Heimattreffen.

Werner Preylowski wurde in Köslienen bei Allenstein geboren, seine Familie kommt aus dem Raum Alt-Wartenburg. Die Mutter flüchtete mit ihren beiden Söhnen, sie kamen sogar auf die „Gustloff“, mußten aber wieder das Schiff verlassen – wer konnte damals ahnen, daß es ihre Rettung war? Sie kamen dann mit der „Monte Rosa“ nach Dänemark, wo der kleine Bruder verstarb. Peters spätere Frau Ingrid lebte zwar damals als Evakuierte in der Nähe, nämlich dicht an der dänischen Grenze, kam aber dann nach Hamburg.

Und dort spielt die kleine Geschichte, die für Ingrid eine erste Verbindung zu Ostpreußen bewirkte. Sie schreibt: „Als ich in Hamburg in der Schanzenstraße zur Schule ging, kam eines Tages eine ältere Dame, sehr mütterlich wirkend, und trug Gedichte vor. Dieser Vortrag blieb mir sehr im Gedächtnis Es war das Gedicht „Die Frauen von Nidden“, das mich so berührte. Dann war da noch eins mit einem Schiff, das in Seenot gerät, und es heißt darin: … es sind noch zwei Stunden bis Buffalo! Ich bin überzeugt, daß es die Dichterin Agnes Miegel war, die in unserer Klasse die Gedichte vortrug. Kann das sein? Es war ungefähr im Jahre 1955.“ Liebe Frau Preylowski, da muß ich Sie leider enttäuschen. Zwar ist das Gedicht „Die Frauen von Nidden“ eines der bekanntesten der großen Ostpreußin, aber die – nicht ganz richtig zitierten - Verse stammen aus dem Gedicht „John Maynard“, und das schrieb – Theodor Fontane! Nie hätte Agnes Miegel Gedichte anderer Dichter rezitiert. Außerdem hat die damals bereits 76jährige, in Bad Nenndorf wohnhaft, mit Sicherheit nicht an Hamburger Schulen gelesen. Es muß also eine Rezitatorin gewesen sein, die Gedichte deutscher Dichter las. Wer es war – das wird sich heute nicht mehr feststellen lassen. Es sei denn, daß sich jemand, der damals in Hamburg zur Schule ging, an solch eine Lesung erinnert. Ich freue mich aber, daß Sie, liebe Frau Preylowski, dieses Miegel-Gedicht nie vergessen haben, weil es ein erster Stein zu der Brücke wurde, die Sie in die Heimat Ihres Mannes führt: nach Ostpreußen!

Bleiben wir weiter in Berlin. Von der dort ansässigen „Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher“ bekamen wir ein Schreiben übermittelt, das von der Berliner Genealogin Ursula Einnolf an den Verein gerichtet war. Der Vorsitzende Herr Detlef Kühn meint, daß unsere Ostpreußische Familie die geeignete Kolumne für diese Suchfrage sei, und das glauben wir auch. Frau Einnolf schreibt in eigener Sache, denn sie fand beim Ordnen alter Akten mehrere Fotos die 1944 im südlichen Ospreußen gemacht wurden. Weil sie selber als Familienforscherin weiß, wie wertvoll manche Gelegenheitsfunde sind, glaubt sie, daß auch diese Aufnahmen für die dort Abgebildeten wichtig sein könnten. Frau Ennolf schreibt: „Als Berliner wurden meine Mutter, meine beiden Schwestern und ich am 2. Januar 1944 nach Krämers­dorf/Fran­­kenau in Ostpreußen evakuiert. Wir lebten dort bis Juni/Juli bei dem Landwirt (Franz?) Groß und seiner Familie. Das waren seine Ehefrau und die Töchter Erna, * 1929, und die jüngste Tochter * 1931, die wegen ihrer Lebhaftigkeit „Fritz“ genannt wurde. Insgesamt hatte das Ehepaar sieben Kinder. Der Sohn fiel im Frühjahr 1944, es gab ein großes Requiem. Eine Tochter arbeitete in Frankenberg bei der Raiffeisenbank. In ihrer Freizeit half sie dem katholischen Pfarrer. Es war ein Erlebnis für uns Kinder, als wir einmal in der Kirche die Glockenstränge ziehen durften. Obwohl es nur einige Monate waren, gehörte diese Zeit zu der schönsten in meinem Leben. Die Familie Groß hat uns aufgenommen wie Familienangehörige, und genau so lebten bei ihnen auch zwei russische Kriegsgefangene, wir haben alle an einem Tisch gegessen. Dann bekamen wir Berliner die Aufforderung, innerhalb weniger Stunden unsere Sachen zu packen. Wir wurden mit der Bahn nach Sachsen transportiert, wo wir das Kriegsende erlebten. Vor dort aus wechselten wir noch einige Briefe, dann verliert sich die Spur. Die Familie Groß hatte nicht die Absicht zu flüchten, man erzählte immer, im Ersten Weltkrieg waren schon einmal Russen auf dem Hof, und das waren nette Leute.“

Wenn die Familie Groß in Krämersdorf geblieben ist, dürfte sie einem großen Irrtum erlegen sein. Was wurde aus Eltern und Kindern, leben vielleicht noch die jüngeren Familienmitglieder? Es tut gut zu hören, daß sich die Berliner Evakuierten dort so wohl gefühlt haben. Um Irrtümern vorzubeugen, da beide Ortsnamen mehrfach in Ostpreußen vorkommen: Es handelt sich um Krämersdorf im Kreis Rößel, das – was die katholischen Bewohner betraf – zum Kirchspiel Frankenau gehörte. Die uns von Herrn Kühn übersandten fünf Fotos, von denen wir eines in dieser Kolumne zeigen, befinden sich bei mir. Auf ihnen sind fast nur weibliche Personen zu sehen, vor allem eine Tochter, Maria. Für noch lebende Angehörige der Familie Groß dürften sie wichtig sein. Aber auch Frau Einnolf, die diese Zeit in Ostpreußen nie vergessen hat, würde sich freuen, von dem Schicksal der ostpreußischen Gastfamilie zu hören. Ein erstes Telefongespräch, das ich mit einem Ermlandkenner führte, hat da schon einige hoffnungsvolle Ansätze ergeben. (Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher, Ritterfelddamm 219 in 14089 Berlin, Telefon 030/36803862.)

Und noch einmal Berlin. Ich muß sagen, daß es eine sehr bewegende Frage ist, die Frau Waltraud Huty stellt und die sie auch nicht zur Ruhe kommen läßt, obgleich sie selber keine persönliche Bindung zu den Toten hat, die auf dem Luckenwalder Waldfriedhof ruhen. Über 600 Vertriebene aus Mohrungen in Ostpreußen sind es, wie die Namen und Daten auf einer Bodenplatte besagen. Frau Huty hatte vor einiger Zeit den schönen Friedhof, der 1921 von dem berühmten Architekten Richard Neutra im expressionistischen Stil angelegt wurde, aufgesucht und die 2004 vom Bund der Vertriebenen geschaffene Gedenkstätte entdeckt, in der sich zwischen Soldatengräbern die Platte befindet. Sie war nicht nur von der großen Zahl der hier zur Ruhe Gebetteten beeindruckt, sondern vor allem davon, daß diese anscheinend aus einer einzigen ostpreußischen Stadt kamen und erst nach den letzten Kampfhandlungen in Luckenwalde verstarben. Denn die Sterbedaten weisen die Zeitspanne von Juni 1945 bis Jahresende 1946 auf. Es scheint, daß hier ganze Familienzweige ausgelöscht wurden. So befinden sich die Namen von drei älteren Schwestern, die zusammen mit einem siebenjährigen Jungen hier beigesetzt wurden, auf der Tafel, auf der aber auch mehrmals „unbekannt“ zu lesen ist. Frau Huty ließ dieser „Mohrunger Friedhof“ keine Ruhe, sie begann nachzufragen: bei den zuständigen Gartenbauarchitekten, beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK), beim Bund deutscher Vertriebenen (BdV), sie wurde von Behörde zu Behörde verwiesen – nirgends bekam sie eine zufriedenstellende Antwort. Durch einen Museumsleiter erfuhr sie lediglich, daß sich hier während des Krieges ein Lager für Fremdarbeiter befunden hätte, später wurden dort Russen untergebracht, nach dem Krieg soll es Flüchtlinge beherbergt haben. Aber warum so viele Mohrunger? Hatten sie sich zu großen Trecks zusammengeschlossen und waren gemeinsam in das Luckenwalder Lager gekommen, in dem sie an Hunger und Epidemien starben? Aufgrund eines Leserbriefes in einer Berliner Zeitung wandte sich nun Frau Huty an Herrn Prof. Hoffbauer, und der verwies sie an unsere Ostpreußische Familie. Ich habe ein langes Telefongespräch mit der Berlinerin geführt und verspürte ihre tiefe Anteilnahme an dem Geschick der Verstorbenen, für die sie auf die kahle Platte einen Strauß gelegt hat. Wer kann Frau Huty über das Lager in Luckenwalde berichten, wessen Angehörige liegen dort, wer hat das Massensterben miterlebt – und es überlebt? Wir danken zuerst einmal Frau Huty für ihr Bemühen, dieses Sonderkapitel Fluchtgeschichte aufzugreifen und zu klären. Wer hilft mit? (Waltraud Huty, Blohmstraße 19 in 12307 Berlin, Telefon 030/7448221.)

Die großen Suchfragen wollen wir uns für die nächste Ausgabe vorbehalten, aber es gibt auch andere wie die von Frau Ute Eichler, die ja schon sehr gute Erfolge durch unsere eifrigen Leserinnen und Leser zu verzeichnen hat. Diesmal sucht sie für die Heimatsammlung der Kreisgruppe Lötzen in Neumünster eine vermutlich aus Widminnen stammende Familie. Auf einem Heimatbesuch war Frau Gerda Schediway von dem amtierenden katholischen Pfarrer in Widminnen ein Silberteller übergeben worden, der aus deutschem Besitz stammt. Der Teller hat einen Durchmesser von 30 Zentimeter und zeigt die Gravur: Zum 30.10.1936, darunter zweireihig je drei Namen Viktor Waldemar Josef/Maria Lisbeth Natalie und ganz unten Annelise. Zu welchem Anlaß haben diese sieben Geschwister den Teller verschenkt – vielleicht zur Silberhochzeit der Eltern? –, wer weiß, um welche Familie es sich handelt? Vielleicht meldet sich ja auch jemand aus der Geschwisterschaar? Der Teller soll die Lötzener Heimatsammlung bereichern. (Ute Eichler, Bilenbarg 69 in 22397 Hamburg, Telefon 040/6083003, Fax 040/60890478, E-Mail: AvusEichler@freenet.de.)

Eure Ruth Geede

Foto: (Franz?) Groß’ Töchter Maria (rechts oben) und Erna (darunter rechts) mit ihrer jüngsten Schwester, die „Fritz“ genannt wurde (links): Wer Näheres über die drei Geschwister und deren Familie weiß, wende sich an die Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher, Ritterfelddamm 219 in 14089 Berlin, Telefon (030) 36803862.


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