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14.02.09 / So viel Platz ... / Die Vergangenheit verklärt so manches – Die Ansprüche sind gewachsen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-09 vom 14. Februar 2009

So viel Platz ...
Die Vergangenheit verklärt so manches – Die Ansprüche sind gewachsen

Hat sie der Teufel doch gezwickt! Schwach ist der Mensch. Sehr schwach. Immer wieder fällt er auf die verlockenden Angebote herein. Überhaupt, wenn der Preis gesenkt und das gute Stück statt 499 nur noch 349 Euro kosten soll. Warum aber auch eigentlich nicht. Warum immer tief gucken, wenn man auch flach sehen kann. Statt der alten Kiste soll ein neuer Flachbildschirm her. Der Sohn wird sie begleiten. Allzu groß darf das neue Modell auch nicht sein, denn der Platz ist begrenzt hinter den Schranktüren, denn wer kann schon tagsüber auf eine matte Scheibe sehen.

Enorm die Multi-Media-Welt in Form einer Pyramide. Das Angebot ist gewaltig. In allen Größen und Preislagen wird das Mittagsmagazin gesendet, in dem Martin einen Besuch bei einem Orchideenfachmann macht. Mindestens hundertmal. Gestochen scharf die Bilder.

Na denn mal los. In der gewünschten Größe ist die Auswahl begrenzt und deshalb leichter. Weil sich das Gerät von selbst „optimal“ einstellt, wie der Verkäufer versichert, spricht nichts gegen den Mitnahmepreis.

Warum begibt sich der Esel aufs Eis? Was ein einfacher Austausch werden soll, entpuppt sich als keineswegs optimal. Telefongespräche müssen geführt werden, Erklärungen abgegeben und der Begriff von der „Flimmerkiste“ geht ihr nun erst richtig auf. Leise rieselt der Schnee. Langer Rede kurzer Sinn, sie hat ihren alten Kasten wieder, der ein optimales Bild auch ohne diverse Zusatzgeräte und mit verbesserter Antenne liefert.

Dazu fällt mir eine chassidische Geschichte ein, in der ein Mensch über seine zu enge Wohnung klagt. Die Familie ist groß und wird immer größer. Sie scheint einfach zu klein für seine Mischpoke und er wendet sich an den Rabbi um Rat. Der rät ihm noch dies und jenes hinein zu nehmen, und als es danach unerträglich wird, meint er: „Tu das wieder raus.“ Nach einer Weile fragt er nach: „Nu?“ Und erhält die strahlende Antwort: „So viel Platz.“

Als ich nach fast 50 Jahren zum erstenmal wieder in dem kleinen Haus meiner Großeltern stand, das heute von anderen bewohnt wird, konnte ich es fast nicht glauben, daß hier zeitweise bis zu sechs Personen gelebt hatten. Keine Klage ist in Erinnerung geblieben. Von den zwei kleinen Räumen war einer noch die gute Stube. Kalte Pracht. Wie machten die das denn? Und die Küche erst! Ungefähr neun Quadratmeter groß: wurde in ihr gekocht, gebacken, am Wochenende in der Zinkwanne gebadet, das geschlachtete Schwein verarbeitet. Auf den Trichter, daß das Haus zu klein sein könnte, kam man gar nicht. Obgleich es Handwerker in der Familie gab, die leicht etwas hätten anbauen können.

Als in den 30er Jahren der Volksempfänger angeschafft werden mußte, stand der irgendwo auf dem Kleiderschrank, erinnere ich mich. Wohin sie wohl den Flachbildschirm gestellt hätten? Und dennoch, welch eine beglück­ende Fülle das damalige Leben bot, das glaubt heute kein Mensch mehr.         Christel Bethke


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