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21.02.09 / Zwischen Rubelsturz und Ölpreisverfall / Rußlands Wirtschaftspolitik gerät in eine Zwickmühle – Immer noch drittgrößte Devisenreserven der Welt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-09 vom 21. Februar 2009

Zwischen Rubelsturz und Ölpreisverfall
Rußlands Wirtschaftspolitik gerät in eine Zwickmühle – Immer noch drittgrößte Devisenreserven der Welt

Auch Rußlands Wirtschaft bleibt von der von den USA ausgehenden, weltweiten Rezession nicht verschont. Seit Oktober macht sich die Finanzkrise in der realen Wirtschaft immer deutlicher bemerkbar: Die Konsumnachfrage sinkt, und mit ihr die Industrieproduktion. Auch die Bauaufträge gingen zurück. So trennte sich etwa Rußlands reichster Mann Oleg Deripaska wegen der Krise von seinen Anteilen am Baukonzern Hochtief und am kanadischen Autozulieferer Magna, sein Konzern Basic Element erhielt von der Raiffeisen Zentralbank Österreich fast eine halbe Milliarde Euro Kredit, um seine 25 Prozent am Baukonzern Strabag halten zu können.

Erstmals seit Jahren fallen in Rußland die Immobilienpreise. Stahl- und Automobilindustrie fahren die Produktion zurück, Zwangsurlaub und oft auch Kündigung sind die Folgen. Nachdem etwa in Moskau lange fast Vollbeschäftigung herrschte und vor allem der Bausektor über Personalmangel klagte, explodiert nun die Zahl der Arbeitsuchenden. In der Hauptstadt, der jahrelang vom Wirtschaftsboom verwöhnten größten und teuersten Metropole Europas, grassiert die Angst vor Lohnkürzungen, Entlassungen und vor einer neuen Rubelkrise wie 1998, zumal die russischen Börsen wie das Russische Handelssystem RTS-Interfax-Index einen Großteil ihres Wertes verloren haben – rund eine Billion US-Dollar. Wegen der Turbulenzen wurde der Aktienhandel immer wieder ausgesetzt.

Dazu hält der Kapitalabfluß aus Rußland unvermindert an. Zur Kapitalflucht hatten allerdings auch die verbalen Angriffe des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin auf den Stahl- und Kohlekonzern Mechel und vor allem der bewaffnete Konflikt mit Georgien beigetragen. Damals hatten rund sieben Milliarden Dollar an ausländischem Kapital fluchtartig das Land verlassen, insgesamt zogen Kapitalanleger seit August mindestens 278 Milliarden Dollar ab. Verglichen mit 2007 verringerte sich der Investitionszuwachs im Jahre 2008 nahezu auf die Hälfte. Die Hauptursachen dafür sind die ungünstigeren Kreditbedingungen auf dem Außenmarkt sowie die Stagnation bei den Einnahmen der russischen Unternehmen und Bürger. Die verfügbaren Realeinkommen gingen bereits seit Ende 2007 zurück, was vor allem auf die wachsende Inflation zurückzuführen ist. Wegen der Finanzkrise und dem damit verbundenen Wegfall von Arbeitsplätzen wird Rußland 2009 weniger Gastarbeiter ins Land holen als geplant: statt 3,9 Millionen dürfe es nur die Hälfte sein.

Eine positive Folge der Abschwächung des Wirtschaftswachstums besteht in einer Verlangsamung der Inflation, doch dürfte die auch in diesem Jahr bei mehr als zehn Prozent liegen.

Um die Rezession zu mildern, stellt die russische Regierung heimischen Unternehmen weitere fünf Milliarden Euro bereit. Insgesamt 170 Milliarden Rubel fließen aus dem nationalen Vermögensfonds an die Staatsbank VEB. Mit diesem Geld, umgerechnet etwa 3,7 Milliarden Euro, soll die VEB im Auftrag der Regierung Aktien und Anleihen von Unternehmen erwerben. Die Firmen sollen so mit „frischem“ Geld versorgt werden.

 Der Chef des Russischen Industriellen- und Unternehmerverbandes, Alexander Schochin, beklagt dabei, daß die Verteilung der Staatskredite undurchschaubar verlaufe. Nur ein kleiner Kreis habe Zugang zur Macht und zu den Reserven. Der Mittelstand bleibe nach Meinung von Analysten auf der Strecke, während die Regierung den großen Unternehmen hilft, die Kredite etwa bei den ausländischen Banken zu tilgen.

Die VEB hat nach Angaben des russischen Finanzministeriums bereits zuvor 45 Milliarden Rubel (rund eine Milliarde Euro) erhalten, und weitere Finanzspritzen wurden bereits angekündigt: Im Rahmen des Rettungspakets, das einen Umfang von über 150 Milliarden Euro haben soll, will Rußland alleine den Banken rund 27 Milliarden Euro für nachrangige Kredite zur Verfügung stellen. Obwohl in Rußland bisher keine Bank wegen der Finanzkrise zusammengebrochen ist, leiden vor allem kleinere Geldinstitute unter dem gestiegenen Mißtrauen der Privatanleger. Viele Geldinstitute verlangen darüber hinaus von Haus- oder Autobesitzern die vorzeitige Rückzahlung ihrer Darlehen. Das betrifft allerdings nur einen kleinen Teil der russischen Bevölkerung, da die meisten auch in den zurückliegenden guten Jahren ohnedies keinen Kredit erhalten hätten.

Von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit des Staates kann diesmal aber – anders als 1998 – keine Rede sein. Dank enormer Einnahmen aus dem Export von Öl, Erdgas, Metallen und anderen Rohstoffen hat Rußland die drittgrößten Devisenreserven weltweit. Dennoch steht die Regierung vor einem schmerzlichen Dilemma: Durch den Kampf gegen die Rubel-Abwertung schrumpfen die Devisenreserven Rußlands dramatisch, womit dem Kreml gleichzeitig der Spielraum zur Stützung der Wirtschaft kleiner wird. Dazu kommt der massiv gesunkene Ölpreis, der zu einem starken Rück-gang des russischen Exportüberschusses geführt hat. Marco Meng


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