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21.02.09 / EU wird keine Herzenssache / Prag irrlichtet durch seine Ratspräsidentschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-09 vom 21. Februar 2009

EU wird keine Herzenssache
Prag irrlichtet durch seine Ratspräsidentschaft

Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft ist in schwerem Fahrwasser: Der von den Grünen nominierte, christlich-konservative und pro-europäische Außenminister Karl zu Schwarzenberg versucht, das EU-Schiff auf einen einheitlichen Kurs gegen die Rezession zu manövrieren. Gleichzeitig macht er immer wieder deutlich, daß er wenig von seinem Job hält und vergleicht in Interviews Diplomaten mit Huren. Premierminister Mirek Topolanek von der Bürgerpartei ODS muß sich gegen die starken Protektionismus-Tendenzen der Franzosen wehren, die Prag innerhalb der EU nicht ganz ernst nimmt. Frankreich will unter anderem den Bau französischer Autos in der Tschechischen Republik bremsen. Und Präsident Václav Klaus irrlichtert als nationaler Gralshüter der freien Marktwirtschaft, boykottiert Treffen mit der EU-Kommission und bezeichnet EU-Gipfel sinngemäß als unnötig.

Derweil steht die Regierungspartei ODS vor einer Spaltung: Der heimliche Parteiguru Klaus und die Seinen sind offen gegen die EU, der Topolanek-Flügel unterstützt weiter den Ansatz, die EU in der Krise zu stärken. Die Abstimmung im Senat über den in Prag höchst umstrittenen Lissabon-Vertrag, den EU-Verfassungs-Ersatz, wurde zunächst auf April verschoben – eine weitere Schwächung durch eine vermutete Ablehnung kann sich die Ratspräsidentschaft derzeit nicht leisten. Immerhin haben die tschechische Regierung und das Parlament nun ein 2,4 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket mit Kredithilfen für kleine Unternehmen, Investitionen in energiesparende Bauten und Straßenbau sowie Senkung der Sozialabgaben auf den Weg gebracht – angesichts desolater Staatsfinanzen und der massiv angegriffenen Landeswährung Krone ein riskantes Unterfangen.

Unterdessen verbreitet die tschechische Ratspräsidentschaft eine ungeheure geschäftige Hektik: Volle drei EU-Gipfeltreffen zur Finanz- und Wirtschaftskrise innerhalb von drei Monaten bereitet sie vor, dazu kommt noch der G20-Gipfel in London. Bereits am 1. März sollen die EU-Staatenlenker in Brüssel über die Rettung angeschlagener Banken beraten, drei Wochen später folgt der reguläre EU-Gipfel, Anfang April das G20-Treffen, und im Mai plant die EU einen weiteren Sondergipfel zu Arbeitsmarkt und Sozialpolitik in Prag. Damit können die Tschechen aber nicht zunehmende kritische Stimmen aus Brüssel zum Schweigen bringen. Neuerdings kritisieren auch Sozialdemokraten wie der Chef des Verfassungsausschusses im EU-Parlament, Jo Leinen, die Euroskeptiker in Prag: Sie seien offenbar noch nicht richtig in der EU angekommen: „Es gibt in Prag Elemente, die gar nichts verstehen wollen. Da fragt man sich, warum sind die überhaupt Mitglied geworden in der EU?“

Und damit sind gar nicht die völker- und EU-rechtswidrigen Benesch-Dekrete gemeint. Von deren Aufhebung spricht derzeit niemand in Prag. Anton Heinrich


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