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21.02.09 / Es war nicht immer leicht, Musikant zu sein / Während der Fastnachtsfeiern hatten die Spielleute in Lübeck ihren großen Auftritt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-09 vom 21. Februar 2009

Es war nicht immer leicht, Musikant zu sein
Während der Fastnachtsfeiern hatten die Spielleute in Lübeck ihren großen Auftritt

Sie werden bewundert und verehrt, die Musikanten auf den großen Bühnen. Ob nun die Stars der klassischen Musik oder die rasch verschwindenden Sternschnuppen von „Deutschland sucht den Superstar“: Sie alle dürfen sich im Glanz sonnen, weil sie Musik machen. Das war nicht immer so, wie folgende kleine Geschichte der Musikanten zeigt.

Eine Stadt mit reichhaltigem Musikprogramm verleiht sich heute gerne mit Stolz den Beinamen Musikstadt. Die Hansestadt Lübeck beispielsweise ist so eine Musikstadt mit langer Tradition. Doch dieser stolz hervorgehobene Tatbestand galt lange nicht als Auszeichnung. Die Musikanten kamen, weil die Stadt reich war, weil in ihr Aussicht auf Broterwerb bestand. Aber die Spielleute gehörten nicht zu den Bürgern. Viel fahrendes Volk war unter ihnen, unstete Gesellen, die mal hierhin, mal dorthin zogen. Manch einer wäre sicherlich gerne dauerhaft geblieben, doch die Nachfrage nach seinen Künsten war nicht groß genug, um seßhaft zu werden. So standen die Spielleute, die immer dann gerufen wurden, wenn es ein fröhliches, üppiges Fest zu feiern galt, ziemlich weit unten auf der sozialen Leiter. Die Musikanten spielten bei Hochzeiten, den großen Festen der Compagnien und der Zünfte auf.

Dort bliesen sie die Posaune, strichen die Fiedel (die im Gegensatz zur Violine keinen Steg hatte, so daß alle Saiten gleichzeitig bearbeitet wurden), schlugen die Trommel, zupften die Rotte (ein viereckiges Saiteninstrument) und schlugen die Harfe. Damit wären die wesentlichen Instrumente benannt, derer sich die frühen Musikanten ab dem 13. Jahrhundert bei den Festen bedienten. Allgemeiner Höhepunkt der musikalisch begleiteten Festlichkeiten waren die drei Tage andauernden Fastnachtsfeiern, bei denen Umzüge durch die gesamte Stadt zum Ratsweinkeller führten. Niemand durfte sich von diesem Zug ausschließen, auch der Bürgermeister und die Ratsherren mußten mitziehen.

Angeführt wurde der Zug von Spielleuten. Beim anschließenden Schmaus im Ratsweinkeller hatten die Musikanten jeden Trinkspruch mit einem ordentlichen Tusch zu unterstreichen. Nach dem Essen hatten sie dann zum Tanz aufzuspielen. Die einzelnen Zusammenschlüsse und Stände hatten ihre eigenen Tänze oder Reigen, die Kaufleute beispielsweise den Springelreyg. Dabei faßten die Tänzer einander bei den Händen, sangen und sprangen im Kreis, angefeuert von Trommeln und Pauken. Mit Musik wurden die ersten Weinfässer vom Rhein und ab 1549 auch die ersten jährlichen Heringsfässer empfangen. Über die Begrüßung des ersten Weines ist in der Lübecker Rehbein-Chronik vermerkt: „An. 1609 im Novembri hab’ ich das allererst gesehen. Das für hundert oder zweihundert Jahren in Lübeck Brauch gewesen ist.

 Nemlich wenn vor Martini oder bald hernach der erste Rheinische Must ins Ehrbaren Rats Weinkeller gekommen ist, hat man denselben mit Pfeiffen und Trommeln auf den Markt geführet, nemlich also und dergestalt. Wenn die Kärrner, ihrer 10 oder 20, weniger oder mehr, an der Stadt Thor erstlich angekommen, hat schon daselbst firm Thor der Pfeiffer und Trommelschläger darauf gewartet und sich beide uff das Faß, so auf dem vorderen Karren gelegen, oben uff das Faß gesetzet und also beide ihr Amt mit Pfeiffen und Trommelschlägen verrichten tun, bis daß die Kärrner mit den Weinfässern dreimal am Markt also hemmgefahren. Und immer gepfiffen und auf den Trommeln geschlagen, und da endlich für dem Weinkeller stille gehalten. Da haben die Fuhrleute oder Kärrner ihre Pferde abgespannt und die Karren mitsammen den Weinen daselbst für dem Keller stehen lassen. Alsdann erst ist der Pfeiffer oder Trommelschläger von dem Fasse heruntergestiegen und seiner Wege gegangen.

“Reichlich derb ging es bei Festen im 17. Jahrhundert zu. Darum wurde 1612 in Lübeck eine Verordnung erlassen, die das Verhalten beim Tanz regelte: „Bey währendem Tantze sollen die Menner und Gesellen im Tantzen und anderen Conversationen, mit Frauen und Jungfrauen sich züchtig und erbarlich verhalten, und soll das leichtfertige auff- und umwerffen, wie auch das unerbare Niedersitzen bei Geldstrafe verbotten sein.“

Für die Einhaltung von Zucht und Ordnung während der ausgelassenen Feier hatte der Spielgreve zu sorgen. Das war ein vom Rat ernannter Obmann aller Fahrenden. Im Gegensatz zu den Musikanten, die von Fest zu Fest über das Land zogen, war der Spielgreve ein seßhafter Bürger. So sind denn die Inhaber dieses Amtes über 500 Jahre urkundlich belegt bis 1811. Als Vermittler zwischen den unsteten fahrenden Musikanten und deren bürgerlichen Auftraggebern hatte der Spielgreve ein schwieriges und häufig undankbares Amt. Bereits 1467 regelte der Rat ihre Bezüge nach einem genau festgelegten Tarif. Neben dem baren Geld erhielten die Spielgreven und die Musikanten bei Hochzeiten Kleiderspenden von Braut und Bräutigam. Klaus J. Groth


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