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21.02.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-09 vom 21. Februar 2009

Solche und solche / Warum Japaner saufen, wieso Inselsein auch nichts mehr bringt, und warum einer wie Geert Wilders nur falsche Gefühle haben kann
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Wie grausam die Leute sind. Die Häme der ganzen Welt ergoß sich über den japanischen Finanzminister Shoichi Nakagawa. Auf dem G7-Gipfel in Rom soll er heftig angeschickert gewesen sein, was seinen Japanern dermaßen peinlich war, daß sie den armen Mann in die Wüste schickten.

Lesen die Japaner keine Wirtschaftsnachrichten? Alles rabenschwarz, bis auf die roten Zahlen. Daß ein Finanzminister da mal den Wunsch verspürt, sich ordentlich einen reinzudrehen – wer will ihm das verübeln?

Fast hätte es ja gar keiner gemerkt, aber leider ging Nakawagas Zeitplanung nicht auf. Zu Beginn der Pressekonferenz seines Verderbens hielt er vor den Augen der Öffentlichkeit ein hübsches Nickerchen, um den Rausch rechtzeitig wieder loszuwerden. Doch aufgeschreckt noch vor der Ausnüchterung sah er sich genötigt, schnell etwas zu sagen. Das kam dann ziemlich verballert über seine Lippen, und die Tragödie nahm ihren Lauf.

Japan ist sowieso ziemlich übel dran: Die Staatsverschuldung ist dreimal so hoch wie die deutsche, und auch die Wirtschaft kippt noch schneller als unsere. Inseln sind eben nicht mehr das, was sie mal waren. Früher rettete es sie vor mancher Katastrophe, daß breite Wasserschneisen sie von den anderen Ländern trennten. Angreifer hatten es schwer, deshalb konnten die Inselbewohner umso unbefangener auf Raub- und Eroberungszüge gehen, während die am Festland immerfort ihre bedrohten Grenzen bewachen mußten.

Soviel Sicherheit macht offenbar leichtfertig: Island, Irland, Britannien – die Inselvölker scheinen mit mehr Elan in die Schlangengrube der Finanztoxine gesprungen zu sein als fast alle anderen Nationen. Auch die USA sind durch Ozeane abgeschirmt, an Land begrenzt nur durch zwei Staaten, die an der US-Macht gemessen Wurzelzwerge sind.

Ja, merken Sie’s? Es ist mal wieder die Zeit für jedermanns große Welterklärungen. Seitdem auf dem Olymp der einst umjubelten Fachleute das große Göttersterben eingesetzt hat, fühlen sich die Herren der Maulwurfshügel wieder obenauf und schmeißen mit selten erlebtem Selbstbewußtsein ihre sagenhaften Theorien unters Volk. Das Internet ist voll von den phantastischen Geschichten über „die wahren Hintergründe“ und so, die wir alle wieder lesen wollen, nachdem sich die Analysen zahlloser „renommierter Quellen“ als fauler Zauber erwiesen haben. Oder bestenfalls als ahnungsloses Gequassel.

Manche wilde Theorien sind allerdings derart aberwitzig, daß wirklich niemand es wagt, sie öffentlich zu bestätigen. Mit einer Ausnahme: der Realität, denn die macht bekanntlich fast jeden Schwachsinn wahr.

Seit Jahren liegt uns (und vor allem unseren holländischen Nachbarn) der niederländische Politiker Geert Wilders mit einer abstrusen Behauptung in den Ohren: Der radikale Islam, so Wilders, probe nicht nur den Angriff auf unsere Demokratien. Nein, er habe die Fundamente unserer freiheitlichen Ordnung bereits handfest untergraben.

Jetzt verboten ihm die britischen Behörden die Einreise nach England. Auf Einladung eines Lords wollte er im Oberhaus seinen Film „Fitna“ präsentieren. Darin schildert Wilders auf bewußt polemische Weise, wie islamische Terroristen ihre Taten mit dem Koran rechtfertigen.

Gegen Wilders’ Oberhausauftritt ereiferte sich der muslimische Lord Nazir Ahmed im britischen Fernsehen. Er habe „ein Recht, meine Religion auszuüben ohne Angst vor Einschüchterung und Provokation durch Herrn Wilders“, so Ahmed. Daraufhin machte das Königreich kurzerhand seine Grenzen für den Holländer dicht.

Wilders weiß jetzt immerhin, daß er nicht der einzige ist, der sich bedroht fühlt. Das wird ihn erleichtern. Der Politiker steht ständig unter Polizeischutz und mußte sogar eine Weile in einer Kaserne leben. Da hat er gewiß tiefes Verständnis für die Einschüchterungs-Furcht des Lords. Nur daß sich Nazir Ahmed eben vor einem Kurzfilm in Acht nehmen muß, während es bei Wilders um mordlüsterne Fanatiker geht, die ihm Tod und Hölle versprochen haben.

Erleichtern wird ihn obendrein, daß er es ab jetzt nicht mehr nötig hat, seine Behauptung von der Untergrabung unserer freiheitlichen Fundamente mit umständlichen Theorien erklären zu müssen. Geert Wilders muß nur noch nach England zeigen und sagen: „Seht hin, das ist das Land, das einmal so stolz war auf seine Freiheit des Wortes und der Meinungen und seine Rechtsstaatlichkeit. Urteilt selbst, was davon geblieben ist.“ Allerdings muß sich Wilders doch fragen, was er falsch gemacht hat. Stellen wir uns vor, es gäbe eine christlich-fundamentalistische Terrorbande, die Andersgläubige tötet und ihre Morde mit lauter Bibelzitaten begründet (schwer, weiß ich, aber Rabulisten können alles). Und stellen wir uns vor, ein türkischer Politiker macht einen Film daraus und will den auf der Berlinale zeigen. Würden Proteste empörter Christen dazu führen, daß er Einreiseverbot bekäme? Selbstverständlich nicht.

Und warum nicht? Vermutlich sind die christlichen Protestformen den Anforderungen unserer sensibilisierten Epoche einfach nicht mehr angemessen. Es geht nämlich nicht mehr um „Recht, das Recht bleiben muß“. Es geht um „Gefühle, die nicht verletzt werden dürfen“ und um den „öffentlichen Frieden“.

Wer beides in die Waagschale werfen kann, Gefühle und die Bereitschaft, den „öffentlichen Frieden“ aus seiner Verletztheit heraus „empfindlich zu stören“, der bekommt recht.

Mitte Januar in Duisburg, Sie erinnern sich: Da ist die Polizei gewaltsam in eine Wohnung eingedrungen, um eine Israel-Fahne zu beschlagnahmen, die im Fenster hing. Unten zog nämlich gerade eine Palästina-Demo vorbei, deren „Gefühle“ von der Fahne verletzt wurden und deren Teilnehmer deutliche Anstalten machten, darob Radau vom Zaun zu brechen.

Reaktionäre Rechtsstaatler würden nun schnarren: Jede habe das Recht, jede nicht ausdrücklich verbotene Fahne, Meinungskundgebung oder ähnliches in sein Fenster zu hängen, und die Polizei werde dafür bezahlt, dieses Recht zu garantieren.

Der Duisburger Polizeichef Rolf Cebin aber ist kein Reaktionär. Mit dieser Grundrechtshuberei alter Schule kann er nichts anfangen. Cebin entschuldigte sich zwar für das Verhalten der Ordnungshüter, aber nicht, weil sie das Recht auf freie Meinungsäußerung mit Füßen getreten hätten, sondern? Na, was wohl: „Ich bedaure zutiefst, daß Gefühle – insbesondere jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger – verletzt wurden“, so Cebin ganz kleinlaut im Sturm der Proteste.

Das sollten sich Typen wie dieser Wilders mal hinter die Ohren schreiben. Hör auf mit deinem trockenen Politgefasel, hab Gefühle! Und zeig sie auf die Art, die angemessen ist, um hier und heute „Rücksichtnahme“ zu erlangen.

Aber halt, das könnte schiefgehen: Wer genauer hinblickt, erkennt nämlich, daß Gefühle nicht gleich Gefühle sind. Es gibt da so eine unsichtbare Apartheit: Bestimmte Gruppierungen haben ein Recht darauf, und andere eben nicht. Kämen Wilders und seine Anhänger auf die Idee, ihre „verletzten Gefühle“ an den Symbolen muslimischer Präsenz in Amsterdam in zeitgemäßer Form abzuarbeiten, würden sie geradewegs im Knast landen. Denn „Gefühle“ von der Art der Duisburger Demonstranten sind, wenn sie den Falschen befallen, nichts als dumpfer, gewalttätiger Rassismus, und werden entsprechend bestraft. Man könnte diese neue Rechtslage eigentlich mal gesetzlich fassen, genau aufschreiben, wer jetzt welche Gefühle haben und auf welche Weise er sie ausdrücken darf. Dann kämen auch unsere Polizeichefs nicht immer wieder in solche Gewissenskonflikte, wessen Gefühle sie mitfühlen müssen und wessen nicht.

Foto: Formatierungsprobleme Zeichnung: Mohr


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