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07.03.09 / Alarm bei Atomkraftgegnern / Polen will an der Oder zwischen Stettin und Schwedt sein erstes Kernkraftwerk bauen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-09 vom 07. März 2009

Alarm bei Atomkraftgegnern
Polen will an der Oder zwischen Stettin und Schwedt sein erstes Kernkraftwerk bauen

Empörung bei SPD und Grünen: Um von Energie-Importen unabhängiger zu werden, steigt Polen in die Kernkraft ein. Und setzt den Deutschen seinen ersten Meiler womöglich direkt vor die Nase. Zehn Milliarden Euro will Warschau investieren.

Polen plant ein Atomkraftwerk in Pommern, direkt an der brandenburgischen Grenze. Westlich der Oder herrscht Entsetzen – vor allem bei Umweltschützern und Ökoaktivisten. Die polnische Seite dagegen reagiert mit größtmöglicher Gelassenheit auf deutsche Ängste und Befindlichkeiten. Es ist auch ein Lehrstück über das deutsch-polnische Verhältnis.

Die Nachricht, daß Polen erstmals Kernkraftwerke bauen will, ist nicht ganz neu. Seit Jahren befassen sich polnische Versorgungsunternehmen und Politiker mit dem Einstieg des Landes in die Atomwirtschaft. Weltweit ist die Atomkraft wieder im Kommen. Im Zeitalter der „Klimapolitik“, deren Ziel es ist, den Kohlenstoffdioxid-Ausstoß zu verringern, steigen Länder neu ein oder kehren zur Kernkraft zurück, nachdem sie bereits den Ausstieg begonnen hatten.

Schweden, Italien, China, Frankreich, Finnland – die Liste der Länder, die neue Kernkraftwerke bauen, ist lang. Nur die Deutschen stehen noch zum Ausstieg aus der Atomenergie. Zu groß scheint den meisten die Gefahr von „Super-GAU“ und Strahlenbelastung. „German Angst“ nennen die Angelsachsen diese Mischung aus übertriebener Vorsicht, Feigheit und Gänsehaut, wie sie es empfinden.

In Polen gibt es solche Ängste nicht. Bei Greifenhagen soll deswegen ein neuer Reaktor entstehen. Den Vorschlag dazu haben Stettiner Wissenschaftler gemacht. Die Stadt liegt zwischen Schwedt an der Oder und Stettin direkt auf der Ostseite des Flusses. Näher an der Bundesrepublik könnte der Reaktor also nicht gebaut werden. Berlin ist nur 142 Kilometer entfernt.

Natürlich schmeckt diese besondere Randlage nach Provokation, zumal es in diesem Raum keine Bevölkerungs- oder Industriezentren mit großer Stromnachfrage gibt. Es gibt zig weitere mögliche Standorte für ein neues Atomkraftwerk im ganzen Land – warum muß es unbedingt direkt an der Grenze zur Bundesrepublik gebaut werden? An der Oder wird gemunkelt, Warschau wolle sich auf diese Weise für die deutsch-russischen Absprachen bei der Erdgasversorgung (Ostsee-Pipeline) rächen, bei denen die Polen zu ihrem erheblichen Verdruß auf die Zuschauertribüne verwiesen worden sind.

Auch der Einstieg in die Kernkraft an sich dürfte indirekt mit russischem Gas zu tun haben: Polen war deshalb so ungehalten über die Ostseeleitung nach Deutschland, weil mit der Direkttrasse Polen künftig von russischen Lieferungen abgeschnitten werden könnte, ohne daß Deutschland ebenfalls betroffen wäre. Zehn Milliarden Euro will die Warschauer Regierung insgesamt in den Bau von ein bis zwei Kernkraftwerken bis 2020 investieren.

Wie soll die deutsche Seite auf diese Nachrichten reagieren? Bislang schaut Berlin angestrengt weg. Da in den Reihen von CDU/CSU und FDP vor allem Atomkraft-Befürworter sitzen, fällt es den bürgerlichen Parteien nicht schwer, sich mit den polnischen Wünschen nach einem eigenen Atomkraftwerk stillschweigend abzufinden, auch wenn es in unmittelbarer Grenznähe entstehen soll.

Was aber ist mit der SPD und den Grünen, den Parteien, die den Atomausstieg beschlossen haben? Dort wird das Vorpreschen des Nachbarn empört, ja beinahe beleidigt aufgenommen. Die sonst stets angemahnte besondere Rücksichtnahme auf den polnischen Nachbarn jedenfalls lassen Rote wie Grüne beim Thema Atom fahren.

„Polen sollte vielmehr auf erneuerbare Energien setzen“, doziert die Bundestagsfraktionschefin der Grünen, Renate Künast. Und weiter: „Wir werden uns im Bundestag mit den Sicherheitsfragen der polnischen Pläne auseinandersetzen. Nach Tschernobyl konnten Berliner Kinder wochenlang nicht in Buddelkästen spielen.“ Auch Künasts Parteikollegin, die Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm, wirft sich in die Pose des Oberlehrers: „Das Rückgrat der Stromproduktion in Polen sollte nicht die Atomenergie sein.“ Eine Landtagsabgeordnete der Linken äußerte sich ähnlich. Die Umweltverbände der Region sind ebenfalls aufgebracht.

Der Brandenburger SPD-Umweltminister Dietmar Woidke schimpft gar auf die „polnische Atomlobby“ und fühlt sich frech übergangen: „Dem Brandenburger Agrar- und Umweltministerium liegen derzeit keine Informationen oder gar Anträge vor, aus denen wir eine neue Beurteilung vornehmen könnten. Sollten sich in Polen Planungen verdichten – insbesondere im grenznahen Raum – gehen wir davon aus, daß Brandenburg frühzeitig in die vorgeschriebenen Beteiligungsverfahren einbezogen wird, so daß das Land die berechtigten Interessen seiner Bürgerinnen und Bürger wahrnehmen kann.“

Ob Warschau die deutschen Nachbarn um Rat fragen wird? Derzeit deutet der Gang der Dinge nicht darauf hin, daß die polnische Seite große Rücksicht auf die Befindlichkeiten bundesdeutscher Atomkraftgegner nimmt.                Markus Schleusener

Foto: Das geplante Kernkraftwerk bei Greifenhagen wäre nur 142 Kilometer von Berlin entfernt: AKW-Gegner erinnern vor dem Brandenburger Tor an die Katastrophe von Tschernobyl, sogar die frühere Bundesministerin Renate Künast argumentiert in diesem Sinne.


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