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07.03.09 / Erster Mensch im All / Um den Tod Juri Gagarins ranken sich bis heute Spekulationen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-09 vom 07. März 2009

Erster Mensch im All
Um den Tod Juri Gagarins ranken sich bis heute Spekulationen

Mit stolzgeschwellter Ordensbrust und bebender Stimme verkündet der diensthabende Offizier uns Besuchern aus dem fernen Deutschland: „Hier hat Juri Alexejewitsch Gagarin die letzten Tage vor seinem historischen Flug verlebt; von hier aus hat er die Weiten des Kosmos erobert!“

Wir stehen vor einer etwas heruntergekommenen Wohnbaracke am Rande des russischen „Weltraumbahnhofs“ Baikonur, mitten in der kasachischen Steppe, und wundern uns: War das damals, im Jahre 1961, wirklich eine Heldentat im Sinne des glorreichen Sowjet-Sozialismus oder vielleicht eher eine Flucht vor den typischen sowjet-sozialistischen Wohnverhältnissen?

Jedenfalls wirken die historischen Spuren, die Moskaus legendärer Raumfahrttriumphator hier hinterlassen hat, nicht sonderlich spektakulär. Eher so, wie fast alles, was man in Baikonur an Technik besichtigen kann – einfach, irgendwie improvisiert. Der Gast aus dem Westen, der Baikonur mit Einrichtungen in den USA vergleicht, staunt vor allem darüber, wie die Russen es überhaupt schaffen, damit vom Erdboden abzuheben.

Besonders eindrucksvoll war ihnen das am 12. April 1961 gelungen. An diesem Mittwochmorgen hob von der Startrampe LC1 das Raumschiff „Wostok I“ ab – an Bord der erste Raumfahrer der Menschheitsgeschichte. Nach 14 Minuten war die dritte Raketenstufe ausgebrannt, hatte Oberleutnant Gagarin eine stark elliptische Umlaufbahn um die Erde erreicht, die ihn bis auf 315 Kilometer Höhe trug. Kaum mehr als eine Stunde brauchte er, um einmal unseren Planeten zu umrunden, dann zündeten die Bremstriebwerke, und nach einer Stunde und 48 Minuten hatte der 26jährige, soeben zum Major sprungbefördert, wieder festen Boden unter den Füßen.

Bis zuletzt hatte Moskau das Prestigeprojekt im kosmischen Wettlauf mit den US-Amerikanern strikt geheimgehalten. Erst 55 Minuten nach dem Start fühlte der Kreml sich so sicher, daß er Radio Moskau eine erste Meldung erlaubte – eine Frühform von Glasnost, um ein Haar mit fatalen Folgen. Beim Zünden der Bremsraketen löste sich die Landekapsel nicht vollständig vom Geräteteil. Nur mit viel Glück gelang die Landung per Fallschirm nahe Kosakenstadt (russisch Engels, bis 1931 Pokrowsk), rund 850 Kilometer südöstlich von Moskau. Damit hatte die Sowjetunion zum zweiten Mal nach dem Sputnik-Schock von 1957 die USA gedemütigt; Präsident John F. Kennedy antwortete mit dem Apollo-Mondlandeprogramm.

Diesen ersten großen Triumpf des „Klassenfeindes“ sollte Gagarin nicht mehr erleben: Am 27. März 1968, wenige Wochen nach seinem 34. Geburtstag, stürzte er auf einem Übungsflug mit einer MiG 15 ab. Die genauen Umstände wurden und werden streng geheimgehalten, über das Ende der Sowjetunion hinaus.

So überbieten sich gerade heute, zum 75. Geburtstag des weltweit ersten Raumfahrers am 9. März, die Verschwörungstheoretiker aller Länder mit den abenteuerlichsten Mutmaßungen. Für die einen mußte Gagarin sterben, weil er die Bewohner ferner Planeten mit seinem Vorstoß ins All verärgert habe. Andere sehen die Drahtzieher des Unglücks im Kreml, ohne den Politmord aber plausibel begründen zu können.

Glaubwürdiger, wenn auch weniger spektakulär ist die These, daß Gagarin sich auf der als unproblematisch geltenden MiG 15 zu sicher gefühlt und zu waghalsigen Flugmanövern hatte verleiten lassen. Grobe Schlampereien bei der Wartung der Maschinen und der Organisation solcher Übungsflüge seien hinzugekommen – Vorgänge, wie man sie später auf schreck­liche Weise in Tschernobyl erleben mußte.

Ein „Held der Sowjetunion“ und Träger des Leninordens aber durfte so nicht ums Leben gekommen sein – dies erklärt zumindest die bis heute anhaltende Geheimniskrämerei. Der Nimbus des fehlerfreien Helden muß unangetastet bleiben. Obwohl der bescheidene Anti-Held, wie er uns in Baikonur präsentiert wurde, eigentlich sympathischer ist.   Hans-Jürgen Mahlitz


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