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07.03.09 / Gerechtigkeit um jeden Preis / Hans Kohlhase erklärte am 13. März 1534 einem Prozeßgegner und dem sächsischen Kurfürsten die Fehde

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-09 vom 07. März 2009

Gerechtigkeit um jeden Preis
Hans Kohlhase erklärte am 13. März 1534 einem Prozeßgegner und dem sächsischen Kurfürsten die Fehde

Dem an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit geborenen Hans Kohlhase (Bild) setzte Heinrich Kleist mit seinem Werk „Michael Kohlhaas“ ein literarisches Denkmal. Keiner steht im deutschen Sprachraum wie er für Selbstjustiz. Ein ungerechtes Ständesystem zwang den rechtschaffenen Bürger, sich sein Recht mit Gewalt zu holen. Darüber wurde er zum gejagten Gesetzlosen, der schließlich auf dem Richtplatz endete.

Unweit von Berlin, in Tempelberg bei Müncheberg und Fürstenwalde, kam Hans Kohlhase um 1500 zur Welt. Bevor er der militante Streiter um sein Recht wurde, war er in Cölln ein wohlhabender und angesehener Kaufmann. Das Erlebnis, das die Wende brachte, hatte der durchaus gebildete Bürger 1532. In jenem Jahr schickte der im Lebensmittelzwischenhandel tätige Kaufmann Speck und Heringe zur Herbstmesse nach Leipzig. Am 1. Oktober brach er selber in Cölln auf, um seinen Waren mit einem Knecht zu Pferde zu folgen. In einem Gasthaus bei Wellaune, Kreis Delitzsch, an der Straße zwischen der kursächsischen Residenzstadt Wittenberg und der Messestadt Leipzig wurde er auf Grund und Boden Günther von Zaschwitz’ von dessen Bauern gestellt. Letztere hielten beide Reiter irrtümlich für Strolche, welche ihre Pferde gestohlen hätten. Kohlhase und sein Knecht hatten bei der Überzahl der Bauern keine Chance und traten ohne ihre beiden Rosse die Flucht an. Die Tiere wurden von einem Richter beschlagnahmt.

Für Kohlhase hatte das schwerwiegende Folgen. Er kam viel zu spät zur Messe, so daß diese für ihn zum Verlustgeschäft wurde. Dieses war um so schlimmer, als er hohe Kredite aufgenommen hatte und nun in Zahlungsschwierigkeiten geriet, sich gar wirtschaftlich ruiniert sah. Am 12. Oktober war er wieder in Wellaune. Ausgestattet mit einem Empfehlungsschreiben des Leipziger Bürgers Hans Blumentrost erschien er auf Schloß Schnaditz, um sein Eigentum an den Rossen zu beweisen und diese zurückzuerhalten. Zaschwitz war zur Auslieferung der Tiere bereit, forderte jedoch ein Futtergeld, das Kohlhase weder bezahlen wollte noch konnte. Wieder in Cölln zurück, mußte Kohlhase seine Besitztümer verpfänden, um seine Kredite bedienen zu können.

Auf sein Drängen hin und unter Vermittlung seines Landesherren, des Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg kam es am 13. Mai 1533 auf Burg Düben zu Vergleichsverhandlungen. Kohlhase forderte die Erstattung des doppelten Wertes der Pferde, die im Dienste des Richters stark gelitten hatten, und 150 Gulden Schadenersatz. Obwohl Zaschwitz Kohlhasen die Pferde widerrechtlich abgenommen und diese durch ihre Behandlung zwischenzeitlich sehr an Wert verloren hatten, bot der Adlige nicht etwa eine Entschädigung an, sondern blieb bei seiner Forderung nach Futtergeld. Zwölf Gulden betrug seine Forderung. Um seine Pferde zurückzuerhalten, zahlte Kohlhase schließlich. Die Rosse waren jedoch derart mißhandelt worden, daß eines, sein Rotschimmel, am darauffolgenden Tage starb, was Kohlhasen zusätzlich über das ihm von Zaschwitz angetane Unrecht erzürnte. Versuche des Bürgers, an anderer Stelle sein Recht zu erhalten, wußte der Adelige zu torpedieren. Auch Zaschwitz’ Landesherr, der Kurfürst von Sachsen Johann Friedrich I., verhalf Kohlhase nicht zu seinem Recht. Als Kohlhase am 15. Februar 1534 durch den Wittenberger Landvogt erfuhr, daß Zaschwitz jede weitere Verhandlung ablehnte, erklärte er diesem und dem Kurfürstentum Sachsen am 13. März 1534 die Fehde.

Begünstigt wurde der Brandenburger durch die schlechten Beziehungen zwischen seinem und Zaschwitz’ Landesherrn. Als nämlich der sächsische den brandenburgischen Kurfürsten um Hilfe gegen dessen Untertanen ersuchte, lehnte der Brandenburger ab und verwies auf einen sechs Jahre zurückliegenden Fall, in dem die kursächsische Regierung die Fehde eines sächsischen Adligen gegen das brandenburgische Fürstenwalde nicht verhindert hatte. Zudem wurde seitens Brandenburgs darauf verwiesen, daß dem Cöllner Kaufmann durch die sächsische Justiz Unrecht geschehen sei.

Als es am 9. und 10. April gleich dreimal in der kurfürstlichsächsischen Residenzstadt Wittenberg brannte, wurde dieses Kohlhase zugeschrieben. An der Grenze zu Brandenburg ging nun im Kurfürstentum Sachsen der Schrecken um. Sachsens Kurfürst trug der Angst seiner Landsleute in der Weise Rechnung, daß er Kohlhase freies Geleit zu einem Rechtstag in Jüterbock in Aussicht stellte, wenn dieser beschwor, an den Feuern in Wittenberg unschuldig zu sein. Das tat der Brandenburger und am 7. Dezember 1534 kam es in Jüterbock zu einer Entscheidung im Sinne Kohlhases. Zaschwitz’ Erben – er selber war mittlerweile verstorben – sollten bis zum Jahresende 600 Gulden Entschädigung zahlen. Die Witwe wurde jedoch bei Johann Friedrich I. vorstellig, und dieser verwarf das Urteil, um die Lehre zu vermeiden, daß man in seinem Kurfürstentum mit der Anwendung oder auch nur Androhung von Gewalt zu seinem Recht gelange. Auf Kohlhases trotzige Antwort beim Empfang dieser Nachricht setzte der sächsische Landvogt einen Preis von 100 Thalern auf seinen Kopf aus. Damit hatte die sächsische Seite als erste den Boden des Rechts verlassen, denn Kohlhase hatte sich bis dahin, glauben wir seinem Reinigungseid, noch keiner Gewalt schuldig gemacht.

Angesichts dieses Unrechts bat Kohlhase Martin Luther um Rat. Dieser empfahl ihm, lieber still das ihm widerfahrende Unrecht zu erleiden, als zum Mittel der Gewalt zu greifen. Doch Kohlhase entschied sich anders. Ab dem 26. Mai 1535 überzog er das Kurfürstentum mit Gewalttaten, mit Raub, Brandstiftung und Freiheitsberaubung. In der Regel ging er mit vier bis fünf Mitstreitern vor. Die Beute der Raubzüge wurde teils bei Vertrauensleuten deponiert, aber auch an Bedürftige verteilt. Kohlhase bereicherte sich nicht. Entsprechend groß waren die Sympathien, welche der Brandenburger nicht nur bei seiner Verwandtschaft, sondern auch bei seinen Landsleuten genoß. 160 brandenburgische Städte und Dörfer wurden verdächtigt, ihn und seine Mannen zu unterstützen.

Das Blatt wendete sich, als der brandenburgische Kurfürst trotz der Sympathien für Kohlhase in seinem Land 1539 begann, dem Druck des sächsischen Kurfürsten nachzugeben. So ermöglichte er den Sachsen, bei der Jagd nach Kohlhase auch brandenburgisches Territorium zu betreten. Blutige Verfolgungsaktionen reisender sächsischer Richter auf brandenburgischem Territorium waren die Folge.

In dieser Situation glaubte Kohlhase unter dem Einfluß seines Mitstreiters Georg Nagelschmidt seinen Kurfürsten zu einem wohlwollenderen Verhalten zwingen zu können, indem er seine Maßnahmen nun auch gegen diesen richtete und ihn damit unter Druck setzte. Anfang Februar 1540 überfiel Kohlhase nahe Potsdam bei der später nach ihm benannten Siedlung Kohlhasenbrück einen Silbertransport des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg und nahm die Beute als Pfand. Letzterer erklärte sich daraufhin zu Verhandlungen bereit und lud Kohlhase mit der Zusage freien Geleits für ihn und seine Begleitung nach Berlin. Kohlhase folgte der Einladung in Begleitung Nagelschmidts, doch sein Kurfürst hielt sein Versprechen nicht.

Am 8. März 1540 wurden Kohlhase und Nagelschmidt aufgegriffen. Sie wurden peinlich, sprich unter Einsatz der Folter, verhört; und ihnen wurde wegen Landfriedensbruch der Prozeß gemacht. Kohlhase bereute nicht, sondern forderte vielmehr in einer dreistündigen Verteidigungsrede Gerechtigkeit für sich und seine Sache. Sein Appell war vergebens. Er wurde zum Tode verurteilt und am 22. März 1540 auf dem Rabenstein in der Nähe des jetzigen Strausberger Platzes gemeinsam mit Nagelschmidt gerädert. Manuel Ruoff


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