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07.03.09 / Organisierte er den Holocaust? / Günther Deschner hat seine Biographie über Reinhard Heydrich mit neuen Quellen überarbeitet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-09 vom 07. März 2009

Organisierte er den Holocaust?
Günther Deschner hat seine Biographie über Reinhard Heydrich mit neuen Quellen überarbeitet

Er war von überragender – todbringender – Intelligenz und wurde angetrieben von extremem Ehrgeiz. Seine Leistungsfähigkeit schien unbegrenzt, er arbeitete täglich bis zu 18 Stunden. Was er anpackte, wollte er perfekt machen. Als Chef des Reichssicherheitshauptamtes, eines gigantischen Sicherheitsapparates, jagte er Kriminelle ebenso wie Systemgegner. Dabei kannte Reinhard Heydrich weder Mitgefühl noch Solidarität.

Günther Deschner ist Autor von „Reinhard Heydrich – Biographie eines Reichsprotektors“. Er beschreibt den Mann, der vor Beginn des Rußland-Feldzuges den Auftrag erhielt, Einsatzgruppen zu bilden, die offiziell „in eigner Verantwortung besondere sicherheitspolitische Aufgaben“ zu erfüllen hatten, was dazu führte, daß hinter der Front der kämpfenden Wehrmacht Hunderttausende von Juden erschossen wurden.

Schon vor Kriegsausbruch war ihm aufgetragen worden, das „Judenproblem“ zu lösen. Das tat er mit unmenschlicher Genauigkeit. So waren bis Oktober 1939 zwei Drittel aller Juden aus dem Gebiet des Großdeutschen Reiches ausgewandert. Aber als Polen besetzt war und damit weitere drei Millionen Juden in den deutschen Machtbereich gelangt waren, war der Rahmen seiner bisherigen Planungen gesprengt. Jetzt verfolgte er laut Deschner die Absicht, auf dem Gebiet Polens einen Judenstaat zu errichten. Aber auch die Ansiedlung der Juden auf Madagaskar wurde ernsthaft geprüft.

Der Historiker Günther Desch-ner hatte bereits vor über 30 Jahren eine Heydrich-Biographie vorgelegt, die in mehreren Auflagen und in Übersetzungen in Großbritannien, den USA, in der Tschechischen Republik und Polen erschienen war. Jetzt kommt eine ganz neue Ausgabe des völlig überarbeiteten und auf den neuesten Stand der Wissenschaft gebrachten Werkes in den Buchhandel. Deschner konnte die in die Sowjetunion verbrachten Unterlagen des Reichssicherheitshauptamtes ebenso auswerten wie Veröffentlichungen von Akten aus dem Yad-Waschem-Archiv in Israel. So erfährt man jetzt, wie eng die Zusammenarbeit zwischen dem Reichssicherheitshauptamt und zionistischen Organisationen war, als es noch darum ging, möglichst viele Juden aus Deutschland zur Auswanderung zu bewegen.

Der Autor meldet Zweifel an, daß Heydrich es war, der die Massentötung von Juden in Lagern außerhalb Deutschlands wie Auschwitz plante und durchführen ließ. Er meint, diese Maßnahmen seien auf Sonderbefehle Himmlers zurückzuführen, doch müsse man Heydrich durchaus als Mittäter betrachten. Für Heydrich sei die Aussiedlung die „Endlösung“ gewesen.

1941 wurde Heydrich als Stellvertretender Reichsprotektor für Böhmen und Mähren eingesetzt. Dort hatte sich, geleitet aus England, eine Widerstandsbewegung ausgebreitet, die die Rüstungsproduktion in der hoch industrialisierten Region ernsthaft gefährdete. Heydrich sollte „Ordnung“ schaffen. Das gelang ihm in kürzester Zeit. Zunächst ließ er 400 bereits festgenommene Mitglieder der Widerstandsbewegung, aber genauso Schwarzhändler, Schieber und Preistreiber vor Standgerichte stellen und zum Tode verurteilen. Die Urteile wurden vollstreckt, die Begründungen veröffentlicht. Die gehorteten Güter der Schwarzhändler wurden der tschechischen Bevölkerung übergeben, die Lebensmittelrationen erhöht, die Sozial- und Rentenversicherung (es galten immer noch die alten tschechischen Regelungen) modernisiert. Die Stimmung in der Bevölkerung drehte sich, die Produktionszahlen der Rüstungsindustrie stiegen an.

Das war ein Grund für den britischen Geheimdienst, Attentäter auszubilden, die im Auftrag der tschechoslowakischen Exilregierung von Flugzeugen über Böhmen abgesetzt wurden mit dem Auftrag, Heydrich zu ermorden. Das gelang ihnen mit dem Attentat am 27. Mai, an dessen Folgen Heydrich am 4. Juni 1942 starb.  Jochen Arp

Günther Deschner: „Reinhard Heydrich – Biographie eines Reichsprotektors“, Universitas, München 2008, geb., 438 Seiten, 22,90 Euro


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