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14.03.09 / Im Jahre 2015 ein christliches Land? / Militante Hindus sind besorgt über das Wachstum der Kirche in Indien – »Gefahr« für das Kastensystem

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-09 vom 14. März 2009

Im Jahre 2015 ein christliches Land?
Militante Hindus sind besorgt über das Wachstum der Kirche in Indien – »Gefahr« für das Kastensystem

Indien hat für viele Europäer eine eigenartige Faszination. Träume, Sehnsüchte und bunte Farben assoziieren Menschen mit dem Land der „Bollywood“-Filme und märchenhaften Paläste. In den letzten Jahren sah man den Vielvölkerstaat mit über 1,1 Milliarden Einwohnern schon auf dem Weg zur Weltwirtschaftsmacht.

In der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise und in Zeiten abstürzenden Börsenkursen schrumpfen diese Traumbilder auf ihr realistisches Maß. Der Blick wird wieder frei für die immensen Probleme des Subkontinents, auf dem heute nach Angaben der Weltbank 44 Prozent der Einwohner, das sind rund 500 Millionen Menschen, von nur einem US-Dollar pro Tag überleben müssen. Im Jahr 2007 waren trotz des seit Jahren andauernden wirtschaftlichen Aufstiegs immer noch 46 Prozent der Kinder in Indien mangelernährt, 2,1 Millionen Kinder sterben jedes Jahr vor ihrem fünften Geburtstag. Das Land ist immer noch von Slums übersät..

Zu den sozialen Problemen kommen Bürgerkriege, Grenzkonflikte sowie nationale und religiöse Verfolgungen und Vertreibungen. Sajan K. George, der Vorsitzende des indischen Christenrates, legte kürzlich eine Dokumentation von mehr als 500 Fällen anti-christlicher Gewalt allein zwischen Januar 2006 und November 2007 vor. Die meisten dieser Taten gingen von den Extremisten der hindu-nationalistischen Bharatiya-Janata-Partei (BJP) aus. Einen neuen Feldzug starteten radikale Hindus im August 2008 im Bundesstaat Orissa, als dort nach Angaben der Indischen Bischofskonferenz 4000 Wohnhäuser und 65 Kirchen zerstört wurden. 50000 Menschen mußten fliehen. Die Hindu-Extremisten gehen soweit, dass sie für den Mord an einem christlichen Priester 250 US-Dollar aussetzen, berichtet die Flüchtlingsorganisation „Kirche in Not“.

Solche Konflikte gibt es nicht nur zwischen Christen und Hindus. Bei der Teilung Indiens 1947 und beim Bangladesch-Krieg 1971 kam es zu massiven und jahrelangen Ausschreitungen zwischen Hindus und Muslimen. Ein Konfliktpunkt ist nach wie vor das Kaschmir-Gebiet, dessen überwiegend muslimische Bevölkerung für die Unabhängigkeit oder aber den Anschluß an Pakistan eintritt. Verstärkt werden diese Konflikte seit den späten 1980er Jahren durch den aufkeimenden Hindu-Nationalismus (Hindutva) und den islamischen Fundamentalismus. Über 29000 Personen fanden seit 1989 aufgrund der Aktivitäten islamischer Terroristen im Kaschmir-Konflikt den Tod. Einen weiteren Höhepunkt terroristischer Aktivitäten erlebte Indien durch die Erstürmung und Zerstörung der Babri-Moschee in Ayodhya (Uttar Pradesh) durch extremistische Hindus Ende 1992. Die letzten schweren Unruhen zwischen Hindus und Muslimen traten 2002 in Gujarat auf, als 59 Hindu-Aktivisten in einem Zug verbrannten. Infolge der daraufhin eskalierenden Gewalt kamen etwa 2000 Menschen um, hauptsächliche Moslems.

Hintergrund dieser Verfolgungen und Vertreibungen sind nicht in erster Linie religiöse Streitfragen, sondern nationale und ökonomische Konflikte. Indien mit seinen 1,15 Milliarden Einwohnern ist von scharfen Gegensätzen geprägt. Im industrialisierten Süden um die Metropole Bangalore leben viele wohlhabende Menschen, selbst deutsche Firmen unterhalten dort ihre Niederlassungen. Traditionell gilt der Süden als Sitz der indischen Intelligenz und der Händler. Indische Kaufleute trieben schon Handel mit der Ostküste Afrikas, als diese von Europäern noch gar nicht entdeckt war.

Auch ein Großteil der rund 70 Millionen indischen Christen lebt im Süden des Landes. Der Überlieferung nach im Jahre 53 kam einer der zwölf Jünger Jesu, Thomas, nach Indien. Vor allem in Südindien missionierte er mit Erfolg. Im südwestlichen Bundesstaat Kerala leben bis heute mehrere Millionen Christen, die direkt auf die Mission des (zunächst ungläubigen) Thomas zurückgehen. Im Südosten des Landes, in Madras, fand er vermutlich im Jahre 72 den Märtyrertod, dort wird bis heute das Grab des Apostels verehrt.

Von den Hindus wird den Christen vorgeworfen, daß sie das (offiziell seit über 60 Jahren abgeschaffte) Kastensystem unterhöhlten. Dies geschehe vor allen Dingen durch christliche Krankenhäuser und Schulen. Da ein Viertel der Schulen in Indien von zumeist katholischen Christen betrieben werden, werden diese Angebote besonders von dem ärmsten Teil der Bevölkerung, den rund 300 Millionen Kastenlosen („Dalits“) und Ureinwohnern („Adivasi“) genutzt. Diese sogenannten Unberührbaren erhalten hier kostenlose Bildung und können dadurch plötzlich mit den Angehörigen höherer Schichten konkurrieren. Konvertieren sie gar zum Christentum, was häufig geschieht, erteilen sie damit dem Kastensystem eine radikale Absage und fühlen sich mit den Angehörigen höherer Kasten (etwa den „Brahmanen“) gleichwertig.

Da die höheren Kasten nun um ihre Privilegien und Arbeitskräfte fürchten, initiieren sie in radikalen Parteien, Medien und örtlichen Hindu-Gruppen nun die oben erwähnten Ausschreitungen, wie der indische Christenrat berichtet. Sieben der achtundzwanzig Bundesstaaten Indiens haben bereits Anti-Konversionsgesetze erlassen.

Die Christen brauche niemand argumentieren die Hindu-Parteien. Abfall vom Hindu-Glauben (und damit vom Kastensystem) wird teilweise mit Gefängnis geahndet. So hofft man die rund 300 Millionen „Kastenlosen“ in einer Tradition zu halten, die sie fügsam hält. Davon profitieren direkt die oberen Klassen, die billige Arbeitskräfte für die niedrigsten Arbeiten erhalten, berichtete kürzlich der katholische Erzbischof von Bophal in Zentral-Indien, Leo Cornelio, bei einem Deutschland-Besuch. Im Bundesstaat Orissa sind neun von zehn Christen Stammesangehörige oder Kastenlose mit geringer Bildung. 

Die von Hindus geäußerte Furcht, Indien könne schon im Jahr 2015 ein christliches Land sein, halten die Kirchen Indiens für weit übertrieben. Die offizielle Statistik vermeldet rund 80 Prozent Hindus und 2 Prozent Christen. Zwar verweisen Kenner des Landes darauf, daß diese Zahl wesentlich zu niedrig ist. Die realistische Zahl von gut 6 Prozent zeigt aber, daß die Christen langsam ein Machtfaktor im Lande werden. Die Kirche Indiens wächst: Katholische Priesterseminare und Orden haben regen Zulauf, evangelische Pfingstkirchen verbreiten sich durch ihre Missionstätigkeit schnell. Sie melden regen Zulauf, viele Bekehrungen, Taufen und Gemeindegründungen.

Ein evangelischer Pfarrer aus Berlin, der mehrmals den Süden Indiens besucht hat, äußerte folgende interessante Beobachtung: Woran erkennt man den Unterschied zwischen einem christlichen und einem muslimischen Slum? Sobald viele Menschen in einem Slum Christen geworden sind, fangen sie mit der Entsorgung ihres Mülls und der Fäkalien an; sie bauen einfache Stromleitungen und schicken ihre Kinder auf die Schule. Diese Kinder steigen dann einige Jahre später in die wohlhabende Mittelschicht auf. Hinrich E. Bues

Foto: Die biblische Überzeugung, daß der Glaube freimacht, ist in Indien Realität. Millionen Menschen konnten dort mit der Bekehrung auch innerlich aus dem Kastensystem aussteigen, das zwar offiziell abgeschafft ist, aber immer noch zur Lebenswirklichkeit gehört.


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