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14.03.09 / Wenn Gerichte Weltpolitik machen / Der Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten wirft Grundsatzfragen auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-09 vom 14. März 2009

Wenn Gerichte Weltpolitik machen
Der Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten wirft Grundsatzfragen auf

Daß die Strafjustiz ein Instrument der Politik sein kann, ist seit der Antike bekannt. Aber selbst in Rechtsstaaten lassen sich Mißbräuche nie ganz ausschließen, schon weil Staatsanwälte meist weisungsgebunden sind .

Mit den Kriegsverbrecherprozessen nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt die Strafjustiz übernationale Bedeutung, denn damals richtete nicht ein Souverän – in Demokratien eben „das Volk“ – sondern eine „Staatengemeinschaft“. So entstand der Eindruck von Siegerjustiz, denn die Verbrechen anderer und die in den Jahrzehnten danach begangenen Verbrechen Dritter wurden nicht geahndet. Dafür war in der bipolaren Welt des Kalten Krieges kein Spielraum, und der 1945 gegründete Internationale Gerichtshof (IGH) der UNO, kann ohnehin nur Staaten belangen - solche, die sich ihm „unterwerfen“, was viele wohlweislich nicht tun.

Grundlegende Änderungen kamen nach der „Wende“: 1993 wurde der „Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien“ (ICTY) in Den Haag eingerichtet. 1994 folgte der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda mit Sitz in Tansania. Und seit 2003 besteht der auf Basis des „Rom-Statuts“ von 1998 eingerichtete Internationale Strafgerichtshof (IStGH), ebenfalls in Den Haag. Maßgebliche Länder, darunter die USA, Rußland, China, Indien, Pakistan, Israel und der Iran, sind dem Statut allerdings nicht beigetreten.

So grundlegend waren die Änderungen also nicht, denn in der Praxis ist die internationale Strafjustiz weiterhin den militärischen Machtverhältnissen unterworfen. Eine so teure Einrichtung muß aber ihre Existenzberechtigung unter Beweis stellen – und zum Glück hat der Sudan das Rom-Statut unterzeichnet. So konnte der IStGH 2008 ein Verfahren gegen Präsident Omar Al-Baschir wegen des Verdachts auf Kriegesverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit einleiten, was nun zur Ausstellung eines internationalen Haftbefehls führte.

Dieses Vorgehen – erstmals gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt – wird von der Afrikanischen Union, der Arabischen Liga, dem Iran und China als „imperialistische Einmischung“ verurteilt, und auch Rußland spricht sich für die Immunität Al-Baschirs aus. Objektiv wäre zu sagen, daß der IStGH zugleich mit Al-Baschir auch etliche andere Leute verfolgen müßte. Denn die Menschen in Darfur sind Opfer eines Bürgerkriegs, der wieder einmal ein Stellvertreterkrieg um Bodenschätze ist: Auf der einen Seite stehen lokale Verbrecherbanden, unterstützt von der sudanesischen Regierung und damit auch von China, auf der anderen Seite kaum weniger verbrecherische Banden, hinter denen westliche Interessen stecken.

Daß der Sudan als „Vergeltung“ für den Haftbefehl Hilfsorganisationen ausgewiesen hat, wird weitere Menschenleben kosten. Eine solche Reaktion des Regimes war aber absehbar. Den IStGH-Chefankläger Luis Moreno Ocampo ficht das nicht an, wie er in einem Interview mit Al-Jazeera deutlich zum Ausdruck brachte. Doch wollen wir „Gerechtigkeit“ um jeden Preis, noch dazu eine so einseitige Gerechtigkeit?

Diese Frage drängt sich auch bei dem soeben begonnenen Verfahren vor einem UN-Sondertribunal in Den Haag auf, das die Ermordung des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Hariri klären soll: Geschätzte Verfahrensdauer vier Jahre, Kosten pro Jahr 50 Millionen Dollar, die seit 2005 laufenden Voruntersuchungen haben bereits ein Vielfaches davon verschlungen, und es wurden noch nicht einmal Angeklagte benannt. – Hintergrund beider Verfahren ist der „Kampf gegen den Terror“ von Ex-Präsident Bush, der seinerseits nichts zu befürchten hat. Richard G. Kerschhofer


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