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14.03.09 / Europas zittrige Zentralbanker / Die jüngsten Äußerungen der EZB lassen auf wachsende Verunsicherung schließen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-09 vom 14. März 2009

Europas zittrige Zentralbanker
Die jüngsten Äußerungen der EZB lassen auf wachsende Verunsicherung schließen

Den Hütern des Euro geht langsam die zinspolitische Munition aus. Unklare Andeutungen von EZB-Chef Jean-Claude Trichet heizen Befürchtungen an, auch Frankfurt könnte zum ungedeck­ten „Gelddrucken“ übergehen.

Die vor kurzem noch felsenfest wirkende Europäische Zentralbank (EZB) zeigt erstmals Risse: Wie EZB-Chef Jean Claude Trichet durchblicken ließ, fiel die jüngste Zinsentscheidung nicht wie sonst einstimmig, sondern war im EZB-Rat, in dem die Vertreter der Notenbanken aller 15 Euro-Staaten sitzen, auf Widerstand gestoßen. Dies darf getrost als Zeichen wachsender Nervosität betrachtet werden. Mit nur noch 1,5 Prozent Leitzinssatz geht den Herren über den Euro langsam die zinspolitische Munition aus.

Die Verunsicherung der Notenbanker schlug denn auch umgehend auf die Börsen durch. Statt wie früher eine Zinssenkung mit freudigen Kurssteigerungen zu feiern, fielen die Aktienwerte steil ab nach Trichets Auftritt. Dunkel waren die Andeutungen des EZB-Präsidenten hinsichtlich seiner künftigen Vorgehensweise. Weitere Schritte in Richtung Nullzinspolitik wollte Trichet nicht ausschließen. Aber wenn das auch nicht hilft, was dann? Es mehren sich die Stimmen, die Zweifel daran hegen, ob Zinspolitik überhaupt geeignet ist, die Konjunktur kurzfristig zu beleben. Zwar werden Kredite billiger, was Investitionen von Firmen wie Privatleuten (etwa Eigenheimerwerb) leichter macht. Daß auch die Sparzinsen im Gefolge des Leitzinses sinken, stimuliert den Konsum und die Neigung, sein Geld in Aktien und ähnliches zu investieren. Doch all dies führt den bisherigen Erfahrungen zufolge erst mit einer Verzögerung von zwei Jahren zu einem sichtbaren Anspringen der Konjunktur.

In den USA und Großbritannien haben die drastischen Zinssenkungen seit Herbst 2008 kaum eine  meßbare konjunkturelle Wirkung gezeigt. Die Notenbanken der beiden Länder gehen daher dazu über, Anleihen von Firmen und sogar Staatsanleihen zu kaufen. Finanzfachleute etikettieren diese Maßnahme kunstvoll „quantitative Lockerung“ (der Geldmengenregulierung). Volkstümlich ausgedrückt gibt es eine deftigere Bezeichnung: Gelddrucken ohne Deckung. Eine hochris­kante Operation, die gleich nach dem Abklingen der aktuellen Krise in eine heftige Inflation und mithin gleich in die nächste Krise münden kann. Die würde praktisch auf die gleiche Weise entstehen wie die gegenwärtige, nur wäre sie womöglich noch zerstörerischer. Zur Erinnerung: Als die sogenannte „New-Economy-Blase“ mit dem Zusammenbruch von völlig überbewerteten Internetfirmen Anfang des Jahrzehnts platzte, hielt vor allem die US-Notenbank mit enormen Geldflüssen dagegen. Dieses Geld produzierte, auf dem Kapitalmarkt virtuell vervielfacht, die Immobilien-, Rohstoff und Börsenblase (Derivate etc.). Gegenmittel: Abermalige Geldflut von den Notenbanken, wobei der Übergang zur „quantitativen Lockerung“ einen weiteren, tiefgreifenden Dammbruch markiert. In der ersten Blase waren es Aktienwerte der sagenhaften New-Economy-Firmen, deren schwindelerregende Börsenwerte zusammenkrachten. Beim zweiten Knall, der uns gerade in den Ohren schmerzt, gingen überbewertete Immobilien, undurchschaubare „Wertpapier“-Konstruktionen und überschuldete Banken als erste in die Knie, und nach ihnen die gesamte Weltwirtschaft. Für den Knall der nächsten, derzeit in Produktion befindlichen Blase befürchten Ökonomen das Schlimmste, denn diesmal könnte es der Wert des viel zu großzügig geschöpften, daher unzureichend gedeckten Geldes sein, der den Bach hinuntergeht. Das wissen auch die Notenbanker. Was sie nicht wissen, ist fatalerweise, mit welchen Mitteln sie sonst gegen die akute Krise ankämpfen sollten. Die Devise lautet: Mit aller Macht gegen die aktuellen Probleme – welche neuen Bedrohungen aus dem jetzigen Handeln erwachsen, darum kümmern wir uns später.  Die nur noch kurze Strecke zur Nullzinspolitik vor Augen, deutete Jean-Claude Trichet an, daß auch in der EZB bereits darüber diskutiert wird, zum ungedeckten Gelddrucken überzugehen.

Er sagte allerdings weder wann noch wie, was kaum zur Vertrauensbildung beigetragen haben dürfte. So hat der EZB-Chef damit den Eindruck noch verstärkt, daß die Zentralbank mit zunehmender Ratlosigkeit auf die bedrohlichste Wirtschaftskrise seit den 30er Jahren reagiert. Mit der Verkündung des Zinsschritts mußte Trichet gleich noch sämtliche Konjunkturprognosen seines Hauses zurücknehmen, sie waren viel zu optimistisch. Im Herbst 2008 sagten die Währungshüter für 2009 noch ein Wachstum von 1,2 Prozent voraus, dann korrigierten sie auf minus ein bis null Prozent, jetzt heißt die Prognose: 2,2 bis 3,2 Prozent Schrumpfung. Die ebenso häufigen wie heftigen Korrekturen erhärten den Verdacht, daß die EZB kaum mehr „vorhersagen“ kann als das, was  schon eingetreten ist.

Die vagen Aussagen zu möglichen „quantitativen Lockerungen“, die Sprunghaftigkeit der EZB-Prognostik sowie die Hinweise auf deutliche Meinungsverschiedenheiten innerhalb der EZB-Führung könnten zudem einen weiteren positiven Effekt niedrigerer Zinsen zunichte machen. Grundsätzlich nämlich dienen niedrige Sätze auch dazu, die Staatshaushalte zu entlasten. Alle Euro-Staaten müssen sich derzeit hoch verschulden, um ihre milliardenschweren Hilfsprogramme zu finanzieren. Da wäre es hilfreich, wenn die niedrigeren Leitzinsen den Regierungen ermöglichten, auch ihre Staatsanleihen, über die sie die Kredite hereinholen, niedriger zu verzinsen, was Milliarden spart.

Schwindet jedoch das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der Staaten, müssen sie höhere Zinsen zahlen, um Investoren für ihre Anleihen anzulocken. Dies gilt umso mehr, wenn das Vertrauen in die Stabilität des Euro insgesamt Schaden nimmt. So kann laxe Geldpolitik und unsicheres Lavieren der EZB ins Gegenteil dessen umschlagen, was mit Zinssenkungen beabsichtigt wurde: Die Kreditkosten steigen statt zu fallen.                      Hans Heckel

Foto: Dunkle Andeutungen: EZB-Chef Jean-Claude Trichet am 5. März in Frankfurt


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