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14.03.09 / In der DDR verboten / und nun wiederentdeckt: Satire über den Minister für innere Ruheundordnung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-09 vom 14. März 2009

In der DDR verboten
und nun wiederentdeckt: Satire über den Minister für innere Ruheundordnung

Lutz Rathenow liebt Bilderbücher und die Bücher mit Bildern. Mit dem Fotografen Harald Hauswald gab er gleich mehrere heraus, wobei „Ost-Berlin“ ein echter Bestseller wurde.

Neben den Kinderbüchern – als am erfolgreichsten entpuppt, sich sein „Ein Eisbär aus Apolda“ – erscheinen auch illustrierte Bücher für Erwachsene, zuletzt die Groteske „Im Land des Kohls“. Hier wird die galoppierende Verblödung beim verbissenen Kampf um die politische Macht in autoritär verfaßten Staaten und in urkomischen Konstellationen vorexerziert. Die von Lutz Rathenow geschriebene Slapstick-Erzählung, die bereits 1982 in limitierter Kleinstauflage zu hohem Preis bei einer West-Berliner Handpresse veröffentlicht worden war, handelte nicht nur von permanenten Mißverständnissen, sie löste selbige auch gleich aus. So sah der erste Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden durch die Figur des „Ministers für innere Ruheundordnung“ die Staatssicherheit diffamiert und verbot den Text. Der Autor las ihn dafür – Ruheundordung sollten schließlich gewahrt bleiben – in Kirchen, besonders bei der Offenen Jugendarbeit, vor. Im Westen wurde die Geschichte mit Blick auf die beginnende Regierungsära Helmut Kohls als neudeutsche Satire gelesen und so kaum verstanden, weil sie mit vielem zu tun hat, aber nicht mit dem Alt-Bundeskanzler. Und dann druckte sie noch der West-Berliner Kleinverleger unter falschem Autorennamen: Lutz Rathenau ist seitdem in der Deutschen Bücherei Leipzig als eigener Autor vermerkt – nähere Angaben zum Verfasser unbekannt.

Nach 25 Jahren wird die Groteske nun – angemessen schräg illustriert von Tom Meilhammer, der die Figuren in die Kaiserzeit versetzt – nochmals herausgebracht, und angezeigt, wie sich ein Text verwandelt, ohne daß er verändert wurde. Außerhalb des bibliophilen Ghettos, nunmehr auf dem gesamtdeutschen Buchmarkt stellt sich der Text dem Belastungstest, der Wirkung heute: Autoritär durchherrschte ehemalige Sowjetrepubliken kommen einem dabei ebenso in den Sinn wie Reflexionen zum politischen Alltagsgeschäft in verschiedenen Teilen der Welt. Oder in Deutschland selbst, ergeben sich während der Lektüre doch Assoziationen zum Debakel der Großen Koalition unter „Kohls Mädchen“. Noch immer reizt Rathenows Duktus, seine mit einer reichlichen Portion Absurdität ausgestattete Lakonie, wie etwa bei der vom Hofgeiger vorgespielten Kurzfassung der neuen Sinfonie: „Geboren an der Erde Brust, / dem Staate dienen, welche Lust!“.

Nicht nur diese Stelle zeigt, wie der Text für sich steht, eine eigene Kunst-Wirklichkeit entwirft. Denn auch in der DDR entstandene und dort verbotene Literatur bezog sich eben nie nur auf die DDR.

Gleichwohl zeigt „Im Land des Kohls“ auf, wie man sich von der Prägung durch staatliche Zwänge auf sprachspielerische Weise befreien kann. Der Herrscher in Rathenows Geschichte ist ein wenig gemütlicher veranlagt als viele seiner Vorbilder, und damit vielleicht einen Hauch zu berechenbar und harmlos. Genau das aber ist hier ein Gewinn, denn in der Realität sind politische Machtkämpfe selten so amüsant.     

Christian Dorn

Lutz Rathenow: „Im Land des Kohls“, illustriert von Tom Meilhammer. Edition Buntehunde, Regensburg 2008, 40 Seiten, 13,90 Euro


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