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21.03.09 / Zum Anfassen / Erneut Besucherrekord bei Buchmesse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-09 vom 21. März 2009

Zum Anfassen
Erneut Besucherrekord bei Buchmesse

Knapp 400 Jahre Leipziger Buchmesse. Fast ebenso lange währt der Wettbewerb zweier Messestandorte: Frankfurt als ein Basar der Lizenzen, Leipzig als ein viertägiges Familienreffen von Literaten und Lesern. So urteilt der Berliner Verleger Christian Links, der in Leipzig den absoluten Messehit landete: Der Sammelband „Heimliche Leser in der DDR“ berichtet vom 40jährigen Krieg zwischen SED-Zensur und listenreichem Lesehunger – eine faszinierende Rückschau und Bilanz. 

War die DDR, wie früher behauptet, ein „Leseland“, in dem fast alle Bürger Russisch sprachen? Nur acht Prozent der ehemaligen DDR-Bürger waren noch nie in einer Bücherei, aber 35 der Westdeutschen. Es ist also etwas „dran“ am „Leseland“. Aber von Russischkenntnissen blieb wenig übrig, bedauert Aleksandr Iwanow vom Messestand „Russische Universitäten“. Das kann sich ändern: Drei Millionen russischer Muttersprachler leben in Deutschland, und das Niveau der 653 russischen Universitäten – „mit der Kant-Universität in Königsberg auf gutem Mittelplatz“ – kann neues Sprachinteresse aktivieren.

Wer Ostpreußisches suchte, wurde beim Potsdamer „Kulturforum östliches Europa“ fündig. Die Menschen in den neuen Bundesländern gehen unbefangener mit Schlesien, Ostpreußen und den anderen Heimatgebieten der Vertriebenen um.

Leipziger Ehrengast war 2009 China. Traditionell ist die starke Präsenz slawischer Verlage, dieses Jahr speziell in der populären Veranstaltungsreihe „Leipzig liest“: kleine Weinproben, große Autorennamen und kulturpolitische Werbung.

Etappensieger wurden die Serben, vertreten durch die Bühnenautorin Vida Ognjenovic, derzeit Belgrads Botschafterin in Dänemark. Messedirektor Oliver Zille war 2008 Gast bei der serbischen Buchmesse, was sich auf „seine“ Messe 2009 günstig auswirkte.

Mit seinen fünf Messehallen ist Leipzig vergleichsweise „winzig“, was dem familiären Charakter der Buchmesse nur dienlich ist: In Dutzenden „Foren“ wird gelesen und debattiert, bei stündlichem Wechsel der Akteure, „Antiquariatsmesse“ und „Messebuchhandlung“ sind Leserservice der schönsten Art. Die hellen Sachsen haben schon vor Jahren auf den Siegeszug der Hörbücher gesetzt, denken heute an morgige Techniknovitäten, und darum ist „Krise“ in Leipzig ein Fremdwort: 147000 Besucher bedeuteten ein Plus von 14 Prozent zu 2008!

Wochen vor Messebeginn munkelte der literarische Buschfunk, Leipzig werde im Zeichen geballter „Ostalgie“ stehen. Vor Ort war davon kaum etwas zu spüren: Rechtfertigungsbücher einstiger SED- und Stasi-Größen erscheinen überwiegend in einer Edition, die der ostdeutsche Satireverlag „Eulenspiegel“ betreibt. Das sind Rinnsale, verglichen mit dem Trend, einen aufgestauten Lesehunger nach regionaler Geschichte, Mundart, Natur, Umgebung etc. zu befriedigen: Hinzu kommen ironische DDR-Reminiszenzen, Geschichte, Analysen der Wende von 1989 und so weiter. Nach der „Ostalgiewelle“ von 2002 ist jetzt Aufklärung angesagt.

Mein Leipzig lob’ ich mir, rühmte bereits Goethe, dem Messechef Zille nicht widerspricht. Unter den 2135 Ausstellern aus 38 Ländern gab es nur einen Ausfall, den Stand des Auswärtigen Amtes: protzig aufgemacht, lieblos bestückt, präsentiert von menschlichen Robotern, die Fragesteller an ihre Berliner Pressestelle verwiesen. Die meisten Aussteller wollen 2010 wiederkommen – sollte das AA dann fehlen, wird es kaum jemand vermissen. Wolf Oschlies


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