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21.03.09 / Russki-Deutsch (9): Chleb

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-09 vom 21. März 2009

Russki-Deutsch (9):
Chleb
von Wolf Oschlies

Chleb“ heißt bei Russen Brot, bei Polen, Tschechen und (fast) allen Slawen auch. Deutschen ist dieses allslawische „chleb“ aus drei Gründen bekannt. Zum einen entstammt es dem gotischen „hlaifs“, wie unser „Laib“, ist also eine sprachliche Verwandtschaft ersten Grades. Brot und Salz, dem Gast überreicht, ist die traditionelle Begrüßungsweise unter Slawen. Die findet sich sogar in Sprichwörtern wieder: „Chleb-sol esch, a pravdu resch“ (Iß Brot und Salz und sage die Wahrheit). Oder „cleb za brjuchom ne chodit“, Brot und Bauch gehen nicht zusammen, was unserem „voller Buch studiert nicht gern“ entspricht.

Zum zweiten taucht das „chleb“ in Bibelzitaten auf, allen voran das „chleb nasuschtnyj“, das tägliche (lebensnotwendige) Brot aus dem Vaterunser. Ähnlich geflügelt ist „ne chlebom edinym“ (nicht vom Brot allein – lebt der Mensch). So war auch der Roman betitelt, den Wladimir Dudinzew Ende 1956 in der Literaturzeitschrift „Nowy mir“ (Neue Welt) veröffentlichte – eine simple Geschichte um den Ingenieur Lopatkin, der von stalinistischen Bonzen um eine Erfindung betrogen wird. Stalin war zwar seit drei Jahren tot, aber doch noch so lebendig, daß Dudinzews Roman einen Riesen-skandal hervorrief, was ihn wiederum zur Weltsensation machte. Auch bei uns war er 1958 ein Bucherfolg, mit nicht unbekanntem Originaltitel.

Denn, zum dritten, das „Chleb“ kannten Deutsche aus zahlreichen Erinnerungen an russische Kriegsgefangenschaft. In dieser hatten deutsche Soldaten unendlich hungern müssen, ihr Leben hing oft genug von einem Stück Brot ab. Das erklärt auch, warum in diesen Memoiren meist von „chleba“ die Rede ist, Genitiv von „chleb“, also der Wunsch, etwas „vom Brot“ zu bekommen. Das Brot war schlecht und glitschig, weswegen die Gefangenen es hintersinnig „kleb“ aussprachen.

„Nie ma chleba bez wolnosci“, sagten Polen früher: Brot ohne Freiheit ist nichts. Heute gilt das umgekehrt: Brot und Freiheit sind die beste Mischung! Das bezeugt der Erfolg einer österreichischen Backfirma, die im Mai 2007 in Moskau ein „Dom chleba – Haus des Brotes“ eröffnete und dort Bäcker aus Rußland und allen Ex-Sowjetrepubliken in Wiener Brotbacken einweist.  


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