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21.03.09 / Schutzheilige der Hospitäler und Spitale / Weshalb die vor 1350 Jahren gestorbene Gertraud von Nivelles auch im evangelischen Preußen-Brandenburg Zulauf hatte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-09 vom 21. März 2009

Schutzheilige der Hospitäler und Spitale
Weshalb die vor 1350 Jahren gestorbene Gertraud von Nivelles auch im evangelischen Preußen-Brandenburg Zulauf hatte

Seit gut 100 Jahren bewacht sie nun die Brücke über die Spree. Die heilige Gertraud steht an jenem Ort, an dem man im Mittelalter durch das Teltower Tor in die Doppelstadt Berlin-Kölln gelangte. Noch vor der Stadtmauer soll ein für jene Zeiten recht ansehnliches Gebäude gelegen haben – das Getrauden-Spital. Dorthin brachte man Kranke und Altersschwache, wahrscheinlich auch finanziell Bedürftige und Obdachlose. An das längst verschwundene Spital erinnert der Name Spittelmarkt. Inzwischen eine der bekanntesten Adressen in der Bundeshauptstadt.

Erstaunlich viel ist über diese Gertraud oder Gertrud bekannt. Sie soll im Jahre 626 das Licht der Welt erblickt haben und war die Tochter von Pippin dem Älteren, somit die Ur-Ur-Großtante von Kaiser Karl dem Großen. Als Äbtissin stand sie an der Spitze des Klosters von Nivelles südlich von Brüssel. Dort richtete sie das erste kirchliche Krankenhaus nördlich der Alpen ein. Seither wird sie als Schutzheilige der Hospitäler und Spitale verehrt.

Als Wetterprophetin erfreut sich Gertraud bei den Bauern eines guten Rufes, sogar im vorwiegend evangelischen Preußen-Brandenburg. An ihrem Todestag, dem 17. März, fallen wichtige Prognosen. Erst einmal heißt es: „Gertrud mit der Maus treibt die Spinnerinnen raus!“ Das bedeutet: Die Arbeit wurde aus den Scheunen und Stuben auf die Felder und Weiden verlagert. Den gleichen Hintergrund haben auch Bauern-Weisheiten wie „Gertraud führt die Kuh zum Kraut“ und „Gertraud den Garten baut“. Oder: „Wer dicke Bohnen und Möhren will essen, darf Sankt Getrud nicht vergessen!“ Für das Wetter der kommenden Monate hieß es: „Ist Sankt Getraud sonnig, ist dem Gärtner wonnig.“

Bei so viel Service für Gartenbau und Landwirtschaft muß es nicht verwundern, daß die Gärtner Gertrud zu ihrer Schutzpatronin erhoben haben. Fast immer wird die Heilige mit einem Hospital im Arm dargestellt. Oft auch mit einer Maus zu ihren Füßen. Sie soll nämlich einmal am Ende eines Gebetes Gott um Hilfe gegen eine Mäuseplage angerufen haben. Das Flehen muß geholfen haben, denn das Land wurde vor den gefräßigen Nagern gerettet. Eine Maus ist auch auf dem Brücken-Denkmal in Berlin zu sehen. Vor allem aber zeigt die drei Meter hohe Plastik Gertraud mit einem jungen Mann, dem sie einen Trunk verabreicht. Möglicherweise einem Studenten oder einem Schüler.

Auf einer Tafel ist zu lesen: „Hei, wie das Naß / Durch die Kehle rinnt / Und der Bursche mit eins / Wieder Mut gewinnt / Nun dankt er laut / Dir, heilige Gertraud / Ratten und Mäusegezücht / Machst du zunicht / Aber den Armen im Land / Reichst du die Hand.“

Also auch von Wanderern und Pilgern wird die Heilige angerufen. Der Trunk könnte auf einen alten, inzwischen vergessenen Brauch aus dem Mittelalter hinweisen – auf die sogenannte Gertrudenminne hinreichen. Das soll ein Umtrunk gewesen sein zwischen Menschen, die sich gerade verabschiedet oder versöhnt haben.

Folgt man den Kirchenhistorikern, so soll es einmal im mittelalterlich-fränkischen Raum mehr als 800 Kirchen und Kapellen gegeben haben, die der Heiligen aus Nivelles gewidmet waren. Eines der wenigen Gotteshäuser, die sich in Preußen-Brandenburg in die Gegenwart haben retten können, ist die Kirche in Buckau bei Ziesar. Das Dorf liegt etwa auf halbem Weg zwischen Berlin und Magdeburg. Verwaltungspolitisch gehört man noch zu Brandenburg, kirchenpolitisch schon zu Anhalt. Buckau im Fläming ist gleich zweimal auf eine ganz besondere Weise mit der heiligen Gertrud verbunden. Vor einem wunderschönen Altar aus dem frühen 15. Jahrhundert liegt nämlich eine große steinerne Grabplatte. Ein Kreuz ist darauf zu sehen, ein Vorname und der Sterbemonat sind zu lesen. Die Tote hieß Gertraudis. Das Kreuz ist von besonderer Art: Unter einem solchen Zeichen versammelten sich Anno dazumal Kreuzritter zu ihren Feldzügen gegen nichtchristliche Völker. Es ist anzunehmen, daß Getraudis von Buckau so zwischen 1150 und 1200 das Zeitliche gesegnet hat. In dieser Zeit ist auch die Kirche entstanden. Gertraudis Ehemann – auch das kann nur vermutet werden – könnte der örtliche Burg-Hauptmann gewesen sein. Und weil seine Frau den Namen der Heiligen getragen hat, stiftete er nach ihrem Ableben der Gertraud eine Kirche. Das macht auch erklärlich, weshalb das Buckauer Gotteshaus heute als völlig überdimensioniert erscheint. Selbst in den Blütezeiten lebten hier nicht wesentlich mehr als 300 Menschen. Die Feldstein-Kirche war gewissermaßen eine Stiftskirche, die nicht so sehr den Einwohnern als vielmehr einer Heiligen und damit dem christlichen Gott und dem Gottessohn gewidmet war. Wer sich im 1350. Todesjahr den wunderschönen Altar mit der heiligen Gertrud anschauen möchte, muß sich im ehemaligen Pfarrhaus gleich nebenan melden. Dort gibt es den Schlüssel und auf Wunsch eine Geschichte über die ungewöhnliche Frau. Karel Chemnitz

Foto: Heilige Gertraud in Berlin: Unweit des vom Königsberger Rudolf Siemering 1896 geschaffenen Standbildes befand sich einst das Gertrauden-Spital.


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