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21.03.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-09 vom 21. März 2009

Legal / Was sich trotzdem nicht gehört, was schon die alten Römer konnten, und was der arme Frank-Walter Steinmeier wohl nie lernt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Eine Bank, die seinem ehemaligen Konzern historisch verbunden ist, hat die Lebensdevise des Klaus Zumwinkel zu ihrem Werbespruch erkoren: „Unterm Strich zähl ich“ lacht uns der 20-Millionen-Euro-Mann von seiner Südtiroler Alpenfestung herab an. Hohe Burgen waren schon im Mittelalter ein beliebter Zufluchtsort für Leute, die sich ihr Geld nicht immer auf eine Weise besorgten, die gesellschaftlich akzeptiert war.

Alles legal, auch die Ansprüche von Ex-HRE-Chef Funke, sagen uns die Erwachsenen des Geldgewerbes. Und stellen uns die ganz gemeine Frage: „Würden Sie denn auf Millionen verzichten, auf die Sie gesetzlich Anspruch haben? Hm??“

Ja, was soll man dazu sagen. Am besten nichts. Am besten stellt man sich einfach vor, wie es aussähe, wenn wir alle jeden Tag und überall alles täten, was zwar nicht fein, aber auch nicht verboten ist: Leute anmuffeln, vordrängeln, Kinder verhöhnen, im Fahrstuhl beim Aussteigen schnell noch alle Knöpfe drücken, der Omi im Bus den Platz wegschnappen, im Kino mit der Tüte knistern, immerzu mit Schimpfwörtern und Gemeinheiten um uns werfen, den Häßlichen und den Kleinen bei jeder Gelegenheit sagen, wie klein und häßlich sie sind, uns nur noch waschen, wenn’s anfängt zu jucken und natürlich: Am Probiertisch alles wegfressen. Das Resultat wäre ein unbewohnbares Land. Ob diejenigen, die uns auch noch die größten Schamlosigkeiten gewisser Herren als „legal“ im Sinne von „in Ordnung“ andienen, so eine Welt akzeptabel fänden? Das wäre unsere „Millionenfrage“, die wir denen gerne mal stellten.

Die Frage, ob wir anstelle der Zumwinkels oder Funkes verzichten würden, rührt dennoch an einen sensiblen Kern. Der bekannte Literat Joachim Fernau hat sich ihr gewidmet in seinem Buch über die Geschichte Preußens, das er „Die Geschichte der armen Leute“ taufte.

Darin hat er den Seelen-Kern jenes Staates ausgemacht. Auch unter den Mächtigen Preußens habe es Korruption, Bereicherung, Völlerei und all die anderen Laster gegeben, nicht alle hohen Männer seien eben auch große gewesen. Daß Preußen in seiner Seele aber über all solche Fehlleistungen hinweg intakt geblieben sei, führte Fernau auf eine simple Eigenschaft zurück, die die Masse der rechtschaffenden Preußen vor der Versuchung bewahrt habe. Sie hätten sich angesichts der Gier anderer eben nicht gesagt: „Ich wäre ja dumm, wenn ich nicht auch ...“, sondern seien ihrem Prinzip stoisch treu geblieben: Was erlaubt ist, das ist eine Sache. Es muß sich auch gehören!

Im alten Rom, an dessen besseren Epochen sich Preußen gern gemessen hat, brachte ein weiser Mann dieselbe Geisteshaltung auf die schlichte Formel: Wer, wenn nicht ich, ist Rom. Man könnte das den patriotischen Imperativ nennen.

Indes hatte das alte Rom auch ganz andere Tage, die leider ebenfalls Vorbild geworden sind, nur für andere. Vor Wahlen streunten gekaufte Claqueure der Kandidaten durch die Stadt am Nabel der damaligen Welt und verteilten Geschenke gegen Stimmen. „Soziale Gerechtigkeit“ und „Umverteilung zugunsten der sozial Benachteiligten“ war bekanntermaßen auch damals schon ein ganz heißes Thema. Wer wissen will, wie es mit den Renten nach der nächsten Bundestagswahl weitergeht, der findet bei den antiken Politstrategen alle weiterführenden Antworten.

Auch war es gang und gäbe unterm Capitol, daß sich Erzrivalen, die sich gestern noch Tod und Verderben wünschten, heute plötzlich als innig verschworene Brüder auftreten, um sich schon morgen wieder an die Gurgel zu gehen. Was hatten die Seehofers, Kochs, Rüttgers und Co. nicht alles an Pfeilen auf Angela Merkel abgefeuert. Und nun überbieten sie sich gegenseitig in süßem Gezwitscher über die Vorzüge der Kanzlerin.

Als gelernter Machtmensch (sie hat ihre Pagenzeit am Hofe Helmut Kohls verbracht, vergessen wir das nicht) quittiert Angela Merkel den Wetterwechsel mit sanftem Mißtrauen. Wenn sie von ihrem Pfälzer Lehrmeister etwas mitgenommen hat, dann ist es sein Elefantengedächtnis. Merkel vergißt nicht.

Was man ihr vorwirft ist, daß sie im Wahlkampf zu lau rüberkomme. Da funkt nichts, ergo kann auch nichts überspringen. Ihre Reden zur größten Wirtschaftskrise seit dem Weltkrieg sind von gleichbleibender Tri­stesse, mit melancholischem Gesichtsausdruck säuselt sie blutleere Formeln in einem ermüdenden Tonfall herunter. Wenn sie auf Parteitagen oder großen Versammlungen hinterm Mikrophon steht, könnte der Unwissende auf die Idee kommen, da habe die Delegierte XY das erste Mal im Leben das große Podium bestiegen und verschanze sich nun hinter gestanzten Phrasen, um nur ja  nichts Falsches zu sagen.

Merkels Vorteil ist: Sie scheint sich über ihre mauen Qualitäten als Volksrednerin keinerlei Illusionen hinzugeben, deshalb versucht sie auch gar nicht erst, so aufzudrehen wie die talentierten Festzelt-Rhetoren. Das hat sie ihrem Herausforderer voraus.

Frank-Walter Steinmeier versucht immer noch, den Schröder zu machen. Die Rettet-Opel-Holzmännerei von Rüsselsheim – bis heute weiß keiner so recht, was das sollte. Und was es ihm eingebracht hat.

Der Wahlkampf des blassen Herausforderers jedenfalls kommt nicht in die Hufe. Haben Sie ihn bei Beckmann auf dem Sofa gesehen? 75 Minuten hatte der Außenminister Zeit, um sich auf staatsmännische Übergröße zu bringen. Der gute Beckmann hat ihm alles so hingelegt, wie er es brauchen konnte: Ein bißchen für die Nabelschau („Was können Sie besser als Merkel?“), auch etwas sehr Menschliches („Haben Sie mit Ihrer Tochter über den Amoklauf von Winnenden gesprochen?“), und ein paar politische Fragen, die ein ordentlicher Wahlkämpfer  zu einigen treffsicheren Schlägen gegen die anderen genutzt hätte. Schröder hätte das Studio mit mindestens drei Umfrageprozent mehr verlassen.

Aber Steinmeier? Der zerschnibbelte das hübsche Steilvorlagen-Menü in unansehnliche Bröckchen mit seinen drögen Halbsätzen. Harte Arbeit, das zähe Sprachgeklumpe bis zum Ende mit anzuhören.

War der immer so? Wissen wir nicht. Möglicherweise wurde er in seiner Zeit als Spitzenbürokrat erst so eingetrocknet. Solche Leute haben von Berufsnatur her keine eigene Meinung, ihre Aufgabe ist es, die Stimme ihres Herrn zu sein. Seiner hieß zuletzt Schröder. Wenn solche Bürochefs wie Schröders Steinmeier kalt erwischt wurden und etwas kommentieren sollten, wozu der Herr noch gar keine Meinung geäußert hatte, dann mußten sie eben gekonnt faseln, heißt: Halbsätze und andere nichtssagende Versatzstücke aneinanderreihen, um die Fragen abzuwimmeln, aber auf keinen Fall zu beantworten.

So gesehen hat Frank-Walter Steinmeier nichts verlernt: Würde Reinhold Beckmann für die Ernte seiner Fragen bezahlt, hätte er den Abend umsonst gearbeitet.

Steinmeiers Parteichef Franz Müntefering entgeht die fade Vorstellung seines Kanzlerkandidaten natürlich nicht. Er weiß längst, daß die SPD in Ermangelung besserer Möglichkeiten einen lahmen Gaul gesattelt hat, und baut schon mal vor für eine bessere Zukunft. Denn wenn wenigstens Schwarz-Gelb verhindert werden kann, dann bliebe der SPD nach derzeitiger Wahrscheinlichkeit wieder nur die Große Koalition.

Aber nicht für ewig, hat sich Münte geschworen, und bastelt die Alternative: Man dürfe die Linkspartei nicht mehr an der DDR messen, schwadroniert der SPD-Chef, und ihre Mitglieder „für die nächsten 200 Jahre exkommunizieren“. Himmel, wie alt werden diese Leute? Egal, die ulkige Zahl hat er nur gewählt, um das „Verhältnis zu entkrampfen“. Dadurch könnte er den zweiten Aufguß von Schwarz-Rot ja, sagen wir, Ende 2010 platzen lassen und dann ganz entkrampft 200 Jahre Rot-Rot einläuten.


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