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28.03.09 / Der Ton wird ätzend / Die SPD-Spitze greift die Kanzlerin direkt an − Merkel: »Jeder hat seine Art zurückzuschlagen«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-09 vom 28. März 2009

Der Ton wird ätzend
Die SPD-Spitze greift die Kanzlerin direkt an − Merkel: »Jeder hat seine Art zurückzuschlagen«

„Koalition der fliegenden Fäuste“, „Koalition der Kesselflicker“: Opposition und Kabarettisten haben viel Freude am Zustand der Bundesregierung und der sie tragenden Großen Koalition, besorgte Bürger hingegen weniger. Noch nie lag der Freud’sche „Verleser“ zwischen „Großer Koalition“ und „GroBer Koalition“ so nahe.

Was hält CDU/CSU und SPD eigentlich noch zusammen? Sechs Monate vor der Bundestagswahl machen die Koalitionäre den Eindruck, als könnten sie es kaum mehr sechs Stunden miteinander aushalten. Das Machtkalkül, für Politiker ein entscheidender Charak-terzug, schreit lauthals nach Konfrontation und harten Wahlkampf-Bandagen. Die letzte Koalitionsrunde vor wenigen Tagen endete im thematischen Nirwana.

Immer mehr SPD-Politiker – neben SPD-Chef Franz Müntefering erstmals auch Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier – beschimpfen offen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Koalitionspartner CSU. Merkel wird dabei Führungsschwäche unterstellt: Merkel sei nur noch „Geschäftsführerin“ der Bundesregierung, ätzt Müntefering, einst Co-Architekt der Koalition. Steinmeier sekundiert: Die Wirtschaftskrise verlange „mutige Führung“ statt ständiger Rückzieher, keilt der Bundesaußenminister gegen seine Chefin – an sich schon ein unerhörter Vorgang, der zwingend einen Rüffel am Kabinetts-tisch erfordert hätte. Hat sich jemals Willy Brandt über Kurt-Georg Kiesinger oder Joschka Fischer über Gerhard Schröder öffentlich so geäußert?

In Sachen Jobcenter wird Steinmeier noch verbal-radikaler: Merkel treibe „ein übles Spiel mit den Arbeitslosen“, behauptet der Kanzlerkandidat wider besseres Wissen. Denn die verfassungswidrigen Jobcenter bleiben ja bis Ende 2010 bestehen, für die „Kunden“ ändert sich vorläufig gar nichts. Es ging CDU/CSU nur darum, die ebenfalls verfassungswidrigen und gleichzeitig superbürokratischen Neuregelungspläne von Arbeitsminister Scholz zu stoppen, die im Endeffekt vorsahen, die Verfassung an Scholz’ Pläne anzupassen und nicht umgekehrt.

Auch an Opel scheiden sich die Geister. Der selbsternannte Arbeiterführer Steinmeier, der sich in Rüsselsheim vor 15000 Arbeitern bemühte, das Klassenkampf-Röhren des Ex-Platzhirsches Gerhard Schröder zu imitieren, will am liebsten sofort, daß der Staat (=SPD) die Opelianer (=Wähler) in seine schützenden Arme nimmt – Ordnungspolitik hin, Staatsverschuldung und Risiken her.

Immerhin hatte sich die Koalition ja zuvor noch zusammengerauft, um die wichtigsten Krisenmaßnahmen durchzusetzen: Ban-kenstabilisierung, zwei Konjunkturpakete, HRE-Enteignungsgesetz – zumindest wenn es darauf ankommt, das Schlimmste zu verhindern, verstand man sich noch bis zuletzt. Diese theoretische Möglichkeit, noch etwas Sinnvolles zu regeln und nicht vor der verunsicherten Öffentlichkeit mitten in der Krise das Scheitern der Koalition einzugestehen, dürfte derzeit nahezu das einzige Band sein, das die Koalition zusammenhält. Nur so lassen sich die neuesten verbalen Abrüstungs-Initiativen erklären, die – ein Zeichen für unsere Fernseh-„Demokratie“ – Merkel in der ARD bei „Anne Will“ („Jeder hat seine Art zurückzuschlagen“) und Müntefering im ZDF bei „Berlin-Direkt“ ausriefen.

Die Forderung von FDP-Chef Guido Westerwelle nach sofortiger Auflösung des Bundestages und Neuwahlen am Tag der Europawahl und die Aufforderung von CSU-Chef Seehofer an die SPD, die Koalition doch einfach zu verlassen, wenn man so unzufrieden mit Merkel und den Partnern sei, scheinen der SPD indes ein wenig ins Kontor gehagelt zu haben.

Die SPD will die Union beschädigen, beharken, vorführen, und das geht am besten, so lang man noch mit ihr in der Regierungsverantwortung sitzt. Dahinter steht das Kalkül, daß man alles, was dieser Regierung noch mißlingen wird (und das könnte angesichts der Wirtschaftskrise viel sein), Merkel persönlich und gleichzeitig der CSU in die Schuhe schieben kann. Die SPD verfolgt eine Doppelstrategie: Sie will einmal die Kanzlerin und CDU-Chefin selbst sturmreif schießen. Denn immer noch führt diese in Umfragen bei der Frage nach dem geeigneten Regierungschef mit 25 Punkten vor Steinmeier. Das zweite taktische Ziel der SPD ist, die CSU, die im Zweifelsfall bürgerliche Politik auch gegen die CDU durchzusetzen bereit ist, als Querulanten darzustellen, lächerlich zu machen und so bei der Europawahl unter fünf Prozent bundesweit zu drücken.

Das wäre eine noch größere Ka-tastrophe für die Christsozialen als die Landtagswahl-Niederlage im September. In Bayern hat man sich „nur“ die Macht mit der FDP teilen müssen, in Europa wäre man aber gänzlich weg vom Fenster. Eine eigene Europaliste wäre künftig wohl nicht mehr drin, man müßte unter das schützende Dach der CDU flüchten – was nicht nur öffentlichen Imageschaden, sondern einen völligen Gesichtsverlust vor der CDU bedeutete. Massiver Streit würde entbrennen zwischen den Unions-Schwestern, viel heftiger als bisher bekannt – fast in den Kategorien der epischen Schlachten von Kohl und Strauß selig.

Das wiederum käme der SPD zupaß: Ihr ewiger Flügelstreit nervt das Publikum und kostet Popularität. Die Union aber versucht seit Jahrzehnten, sich als Einheit darzustellen, als politische Gemeinschaft der bürgerlich-konservativen Mitte. Das wäre dahin, wenn es in der öffentlichen Wahrnehmung nur noch um die Frage „CSU als eine selbständige Partei – ja oder nein“ ginge. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit dieses GAUs für die Union nicht so groß, wie die SPD es sich wünschen könnte. In der CSU-Zentrale rechnet man vor, daß selbst ein 43-Prozent-Ergebnis wie im vergangenen September zum Wiedereinzug in das Straßburger Parlament ausreichen müßte, wenn sich die Wahlbeteiligung zwischen Bayern und dem Rest des Landes nicht in außergewöhnlicher Weise unterscheiden sollte.  Anton Heinrich

Foto: Koalitionäre auf Abstand: Vor allem Steinmeier profiliert sich auf Kosten Merkels.


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