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28.03.09 / »Urzel« laufen auch in Bonn / Der siebenbürgisch-Sächsische Brauch findet auch in Westdeutschland Anklang

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-09 vom 28. März 2009

»Urzel« laufen auch in Bonn
Der siebenbürgisch-Sächsische Brauch findet auch in Westdeutschland Anklang

Wenn sich eine Urzelgruppe für ihren Auftritt vorbereitet oder gar an einem Umzug teilnimmt ist sie sicherlich weder zu überhören, noch zu übersehen. Die peitschenschwingenden und schellenrasselnden Gestalten in zotteligen, selbstgefertigten Kostümen und furchterregenden Masken zelebrieren einen Brauch, den sie aus Siebenbürgen mitgebracht haben. Es ist überliefert, daß die vermummten Gestalten in der Lage sind, Dämonen und böse Geister zu verjagen, eine kostbare Zunfttruhe zu verteidigen sowie den Winter auszutreiben.

Bereits 1689 wurde in Agnetheln, der Heimat der Urzeln, zum ersten Mal der „Mummenschanz der Zünfte“ erwähnt. Das traditionelle Urzellaufen erlebte im Laufe der Zeit so manche Höhepunkte, aber auch Änderungen und sogar Verbote. Ab 1968 fand der historisch gewachsene Brauch aus der Blütezeit der Handwerkszünfte in Siebenbürgen bis 1990 regelmäßig zur Faschingszeit statt. Bedingt durch den Massenexodus der Sachsen nach Deutschland wurde die Tradition eingestellt. Erst 2006/2007 wurde der Brauch im siebenbürgischen Agnetheln wieder belebt.

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich Sachsenheim im Kreis Ludwigsburg – die nordöstlichste Fasnetbastion in der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte – zur neuen Heimat der Siebenbürger Sachsen aus dem früheren Marktflecken Agnetheln. Die ersten Urzeln sind in Sachsenheim 1965 mit 13 Mann gelaufen. 1971 wurde eine kleine „Parade“ organisiert. Seit 1994 werden diese Auftritte mit allen Brauchtumsfiguren der Zünfte jedes Jahr durchgeführt. Der eingetragene Verein Urzelnzunft Sachsenheim hat sich der Erhaltung, der Pflege und Fortentwicklung der aus Agnetheln eingeführten Tradition des Urzelnlaufens verschrieben.

In Deutschland laufen die Urzeln heute durch die Straßen Sachsenheims und Traunreuts, Fürths und Geretsrieds, Herzogenaurachs, Nürnbergs, Dischingens und neuerdings auch Bonns. Es hat sich bereits im Jahre 2006 gezeigt, daß der Agnethler Brauch und der rheinische Karneval gut zusammen passen. Deshalb hat sich eine 30köpfige Urzelgruppe entschlossen, auch 2009 wieder im Karnevalszug von Bonn-Niederholtorf mitzulaufen. Die großen und kleinen, jungen und älteren, männlichen und weiblichen Urzeln haben sich vor dem „Zoch“ bei den Gastgebern Edda und Hans Georg Richter in Bonn-Niederholtorf eingefunden und sich mit ihren schwingenden Lederpeitschen schon mal warm „geknallt“.

Während des Aufzuges wollten neugierige Rheinländer immer wieder wissen, um was es bei dem Brauch geht, woher er kommt und was die vermummten Gestalten so alles tun. Gerne ließ sich der eine und andere Zuschauer von den Maskenträgern „in die Peitsche nehmen“ und war auch für ein Tänzchen auf der Straße zu haben. Als Dankeschön fürs Mitmachen gab es aus der Quetsche einen der begehrten Krapfen. Nach dem Umzug trafen die Urzeln unter viel Peitschen- und Kuhglockenlärm wieder im Hause der Richters ein und feierten mit typischen kulinarischen Spezialitäten aus Siebenbürgen.

Mit von der Partie war auch Doris Hutter aus Herzogenaurach, die als stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V., als Kulturreferentin der HOG Agnetheln und als Geschäftsleiterin im Haus der Heimat Nürnberg tätig ist. Die gebürtige Agnethlerin setzt sich gemeinsam mit vielen Mitstreiterinnen und Mitstreitern seit Jahren für den Erhalt und die Weiterführung der siebenbürgischen Tradition ein. Dieter Göllner


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