28.03.2024

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04.04.09 / Mißtrauen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-09 vom 04. April 2009

Mißtrauen
von Harald Fourier

Als Schwester Tanja den anderen Krankenschwestern ihrer Abteilung den Rücken zudrehte, rollten die nur mit den Augen. Der Gesichtsausdruck der verärgerten Kolleginnen war eindeutig: Schwester Tanja hat hier keinen einfachen Stand.

Diese Szene aus der Berliner Charité war nur eines von mehreren Indizien, die sich zu einem erschreckenden Gesamtbild zusammensetzen: An der bekannten Universitätsklinik herrscht eine eingetrübte Arbeitsatmosphäre. Es handelt sich um ein Ost-West-Problem.

Die Charité gehört zur Humboldt-Universität (Ost). Sie hat die beiden anderen Unikliniken aus dem Westen (Benjamin Franklin und Rudolf Virchow) „geschluckt“. Das war ein politischer „Deal“, bei dem Klaus Wowereit der PDS 2002 entgegengekommen ist. Für zahlreiche andere Zugeständnisse der Postkommunisten mußte der Regierende Bürgermeister diesen symbolischen Preis zahlen.

Die Beschäftigten (wie Tanja) und Patienten (wie ich) müssen das ausbaden. Die Abteilung, bei der ich in Dauerbehandlung bin, wurde gerade nach Mitte verlagert. Das Personal wurde teilweise übernommen. Trotzdem ist die „Stammbelegschaft“ sauer auf die „Neuen“ aus dem Westen.

Bei der Einweisung waren plötzlich meine Akten nicht da. Schwester Tanja läßt man mit ihren Patienten ins Leere laufen. Eine andere mir bekannte Krankenschwester aus dem Benjamin-Franklin-Krankenhaus flüsterte mir auf dem Gang zu: „Hier geht’s zu – das         glauben Sie nicht. Die fluchen ständig in unserer Gegenwart über den Westen.“

Wenn mir das jemand erzählt hätte – ich hätte es nicht geglaubt: Es gibt noch immer tiefsitzende antiwestliche Ressentiments in öffentlichen Einrichtungen (Ost-)Berlins. Die Mauer ist auch 20 Jahre nach der Wende noch längst nicht aus allen Köpfen verschwunden. Im Westen gibt es natürlich genau solche Vorurteile, aber selten habe ich erlebt, daß sie so offen vorgetragen werden.

Das ganze ist kein Problem der Chefetage. Dort ist das Personal international. Über Ost-West-Befindlichkeiten würden die Assistenz- oder Chefärzte aus Schweden oder Griechenland nur lächeln. Aber an der Basis, beim Pflegepersonal, da werden alte Vorurteile        gepflegt.

Aber was sind die Gründe für den tiefen Groll? Eine Sache fiel mir in Gesprächen sofort auf: Sobald ich die DDR kritisierte, fühlten sich Ossis ab 40 persönlich ange­griffen. Dann kommt regelmäßig der Spruch: Wir hatten auch ein schönes Leben. Oder: Ich lasse mir meine Biographie nicht wegnehmen. (Als ob irgendjemand die haben wollte.)

Ich hoffe, es dauert nicht noch einmal 20 Jahre, bis diese Form gegenseitigen   Mißtrauens abgebaut ist.


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