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04.04.09 / Gastbeitrag / 50 Billionen Dollar und die Religion

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-09 vom 04. April 2009

Gastbeitrag
50 Billionen Dollar und die Religion
von Menno Aden

Die Asiatische Entwicklungsbank hat errechnet, daß allein im vergangenen Jahr an den Finanzmärkten 50 Billionen Dollar vernichtet worden seien. Ist der Verlust dieser Geldwerte letztlich auf dieselben Gründe zurückzuführen, die auch zu dem Werteverlust unserer Gesellschaft in sittlich-moralischer Hinsicht geführt haben?

Geld ist ein Geschöpf des Gesetzgebers, so lautet ein berühmter Satz. Gemeint ist natürlich das moderne „Papiergeld“, bei dem der Materialwert der Scheine und auch Münzen nur einen Bruchteil des Kurswerts ausmacht. Das war nicht immer so. Entstanden ist das vom Staat definierte Geld, das einen Wert nicht selbst darstellte, sondern nur noch repräsentierte im Mittelalter in China. Dort kam es bald zur Inflation, sobald die Deckung durch Edelmetalle gelockert wurde. In Europa und den USA gab es diese Golddeckung bis in die siebziger Jahre, in der Schweiz sogar bis vor wenigen Jahren. Geld war damit geradezu eine Funktion der Goldmenge, die ein Staat in seinen Tresoren hatte. Da Gold sehr werthaltig und vor allem kaum vermehrbar ist, war es jahrhundertelang „die letzte Instanz“ hinter den meisten Währungen der Weltwirtschaft. Ökonomisch ist es freilich völlig sinnvoll, nicht mit echten Edelmetallmünzen zu bezahlen. Der Verzicht auf eine entsprechende Deckung umlaufender Banknoten und Münzen ist hingegen weniger zwingend.

Mit dem Aufkommen der Zentralbanken um 1850 wurden die Währungen im Westen mehr oder weniger offiziell an den Goldwert gebunden. Nach dem Ersten Weltkrieg brach dieses System zuerst in Deutschland und Mitteleuropa, dann auch in England und anderen Staaten zusammen. Geldmenge und -schöpfung wurden nur noch zu einem (sehr schwankenden) Teil durch Gold und durch Reserven in anderen Währungen gedeckt. Der eigentliche Gegenwert von Bar- und Buchgeld waren hingegen das Produktionspotential der jeweiligen Volkswirtschaft. Allerdings konnte dieser moderne Geldbegriff − Ökonomen sprechen von „fiat-money“ (nach lateinisch „fiat“ = „es möge sein“) − zu Allmachtsgedanken verführen.

Einer der ersten Staatsmänner im 20. Jahrhundert, die diesen Allmachtsgedanken anscheinend erlagen, war Hitler. Von Kriegsanleihen, gar noch goldgedeckten, die der Deutsche Reichstag 1914 noch zur Finanzierung des Krieges beschloß, war nach 1933 keine Rede mehr. Die Reichsbank erhielt den Befehl, Geld herzustellen. Damit wurde die deutsche Aufrüstung finanziert und dann der Krieg. Andere Staaten machten es ähnlich.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war man damit am Ende. Deutschland war in jeder Hinsicht ruiniert, aber auch Großbritannien hing finanziell am Tropf der USA. Um wieder Vertrauen und Solidität in die Weltfinanzbeziehungen zu bekommen, wurde 1944 mit dem sogenannten Bretton-Woods-System der Goldstandard wieder eingeführt. Die Währungen der westlichen Welt wurden über ein kompliziertes System auf den Dollar und dieser auf den Preis von 35 Dollar pro Feinunze Gold definiert.

Am 12. März 1971 wurde der Kurs des US-Dollars gegen das Gold freigegeben, oder etwas unschöner ausgedrückt: Die USA weigerten sich, die im Bretton-Woods-Abkommen übernommene Verpflichtung, den Dollar zu dem bestimmten Kurs gegen Gold einzutauschen, zu erfüllen. Hauptgrund dafür waren übrigens die immensen Kosten des Vietnamkrieges.

Die beiden Hauptfunktionen des Geldes, allgemeines Tauschmittel und Wertmaßstab zu sein, waren von dieser Umstellung nicht beziehungsweise kaum berührt. Aber schon die dritte klassische Funktion des Geldes, nämlich Wertaufbewahrungsmittel zu sein, wurde von dieser Umstelllung direkt betroffen. In dieser Funktion ist der US-Dollar seit 1971 ohne festen Bezugspunkt. Die letzte Garantie der Geldwertstabilität war nun − wie seit 1948 in Deutschland − das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Seriosität der Zentralbank.

Die völlige Lösung des Geldbegriffs vom Gold ist an sich logisch. Denn auch Gold hat letztlich keinen Insich-Wert. König Midas, dem alles zu Gold wurde, was er berührte, verhungerte. Aber auch jenseits dieser Legende besteht der Wert des Goldes – abgesehen von wenigen „objektiven“ Nutzungsmöglichkeiten in der Zahnmedizin und der Industrie − überwiegend in der rein subjektiven Wertschätzung, die die Menschen ihm entgegenbringen.

Dennoch haben heute irgendwie alle das Gefühl, daß die Finanzkrise etwas damit zu tun hat, daß das Geld seinen Bezugspunkt verloren hat. Seit kurzem wird von den Notenbanken der USA und Großbritanniens Geld ohne jeglichen Bezug zu irgendeinem faßbaren Wert in praktisch beliebigen Mengen aus dem Nichts geschöpft. Das Verhalten vieler anderer Banken in den letzten Jahren hat zudem bei vielen Menschen den (streng genommen aber unrichtigen) Eindruck entstehen lassen, daß auch die Geschäftsbanken durch immer neue und immer abstraktere Finanzprodukte die Geldmenge vergrößern würden und an der Geldschöpfung beteiligt seien.

Letzteres stimmt freilich nur insofern, als durch diese Politik der Banken Spekulationsblasen entstanden sind. Hoffnungen und völlig überzogene Erwartungen wurden über Jahre hinweg geschaffen, gleichsam zum Nennwert aktiviert und rund um den Globus weiterverkauft, oft genug ohne Bezug zu irgend etwas als dem, was jetzt und hier gewollt, gehofft und geglaubt worden ist. Aus diesem Nichts quellen dann die Nullen ans Licht, zum Beispiel die 13 Nullen der eingangs genannten 50000000000000 Dollar. In dieses Nichts fallen sie auch wieder zurück, wenn die Hoffnungen, die bewertet wurden, wieder zerstieben.

Die völlige Loslösung unserer sittlichen Wertvorstellungen von einem jenseitigen Bezugspunkt, dem Dreieinigen Gott, ist ebenso logisch zwingend. Denn wir leben heute und hier auf der Welt, und Gott scheint so fern. Aber irgendwie haben alle das Gefühl, daß die Finanzkrise auch damit etwas zu tun hat, daß unser sittliches Wertesystem seinen Bezugspunkt verloren hat. Mit dem Verlust des Bezugspunkts werden – wie bei der ungedeckten Geldschöpfung – neue Wertsysteme völlig frei geschöpft, ohne Bezug zu irgend etwas als dem, was jetzt und hier gefällt. Moralische Allmachtsvorstellungen ergreifen die Geister. Anything goes − alles ist erlaubt, lautet das neue Gebot. Alles ist gleich, also alles nichts.

Werte im Volumen von 50 Billionen US-Dollar haben sich in nichts aufgelöst. Vorderhand scheinen nur Nullen abgestreift worden zu sein. Für uns stellt sich allerdings die Frage: Was sind die wirklichen, realen, die unverfallbaren Werte, die wirklich im Leben und vielleicht auch im Tode zählen?

Das Wort Buße ist verwandt mit dem niederdeutschen „beter“ (engl. better), bedeutet also Besserung. Im modernen Deutsch ist daraus die Strafe geworden, die uns zur Besserung anleiten soll. Bessern kann man sich nur, wenn man sich auf ein „Gutes“ ausrichtet. Unsere Besserung, im menschlichen, aber auch im wirtschaftlichen Sinne, muß damit beginnen, unser Wertsystem wieder herzustellen. Wir müssen es wieder auf einen Bezugspunkt ausrichten. Wirtschaftlich gesehen wäre tatsächlich an die Einführung von einer Art Goldstandard zu denken, wie auch verschiedentlich gefordert wird. Wichtiger aber wäre, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, ein sittlicher „Gold-Standard“. Im Klartext: Jeder handele so, als ob Gott ihn danach gleich fragen würde: Warum hast Du das getan? Wir werden es sehen – das schafft Werte.


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