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04.04.09 / Ein festes Heim für die Himmelskanone / Vor 100 Jahren bezog die Archenhold-Sternwarte ihren heutigen Sitz – Längstes bewegliches Linsenfernrohr der Welt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-09 vom 04. April 2009

Ein festes Heim für die Himmelskanone
Vor 100 Jahren bezog die Archenhold-Sternwarte ihren heutigen Sitz – Längstes bewegliches Linsenfernrohr der Welt

Aus gutem Grund trägt die Sternwarte im Treptower Park des (Ost-)Berliner Stadtteils Alt-Treptow den Namen des Astronomen Friedrich Simon Archenhold. Der 1861 im ostwestfälischen Lichtenau zur Welt gekommene Preuße entdeckte 1891 mit Hilfe der Fotografie einen ausgedehnten Nebel, den Perseus-Nebel. Wohl der Wunsch Archenholds nachzuweisen, daß es sich bei seiner Entdeckung um einen eigenständigen Nebel handelt, ließ ihn 1893 mit der Entwicklung eines Großteleskops beginnen.

Einen Anlaß, das damals noch nicht ganz fertiggestellte Teleskop einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren, bot im Mai des Jahres 1896 die Eröffnung der Berliner Gewerbeausstellung im Treptower Park. Auf dieser sogenannten „verhinderten Weltausstellung“ konnten die Besucher gegen Eintritt in einem Holzgebäude das bis heute größte Linsenfernrohr der Welt besichtigen und nach dessen Fertigstellung im September auch nutzen.

Mit den Eintrittsgeldern sollte das Fernrohr erst fertiggestellt und nach dem Ausstellungsende an seinen endgültigen Standort transportiert werden. Für letzteres reichten die Mittel jedoch nicht aus. Da die Stadtverordnetenversammlung einen entsprechenden Antrag positiv beschied, verblieb das Rohr bis auf weiteres in seinem provisorischen Holzgebäude im Treptower Park. Weiterhin blieb der Refraktor der Öffentlichkeit zugänglich. Hier konnte der interessierte Laie, abgesehen von der Bewunderung der Technik, astronomische Objekte beobachten, aber auch besondere Ereignisse wie Mondfinsternisse. Daneben informierte eine zur Sternwarte gehörende Ausstellung über die Geschichte der Astronomie, Erde und Mond, Sonne und Planeten, Kometen und Sternschnuppen, Sterne und Sternhaufen sowie über Instrumentenkunde und Optik. So war die heute älteste und größte Volkssternwarte Deutschlands entstanden. Die Verwaltung übernahm ein hierfür gegründeter Verein Treptow-Sternwarte mit Archenhold als Vorsitzenden.

Im ersten vollen Kalenderjahr nach der Gründung kamen 23 000 Besucher. Diese Zahl stieg bis 1899 auf 60 000, um dann bis in die 30er Jahre auf dieser Höhe zu verharren.

Allerdings nagte an dem als Provisorium gedachten Holzgebäude bald der Zahn der Zeit. 1908 wurde es abgerissen, um durch einen Steinbau ersetzt zu werden. Nach nicht einmal einjähriger Bauzeit wurde genau vor 100 Jahren das heutige Domizil der Sternwarte am 4. April 1909 bei herrlichem Frühlingswetter und unter breiter Beteiligung der Öffentlichkeit sowie in- und ausländischer Ehrengäste eingeweiht. Nach Glückwünschen des Oberbürgermeisters von Berlin und des Treptower Bürgermeisters sowie Festreden von Vertretern in- und ausländischer Universitäten, Vereine und Gesellschaften wurde die Sternwarte besichtigt und die sogenannte Himmelskanone vorgeführt. Anschließend trafen sich die Festteilnehmer im Etablissement Friedrich Knape, der heutigen Gaststätte Eierschale Zenner, zu einem Essen mit Kulturprogramm.

Zu seinem 70. Geburtstag gab Friedrich Simon Archenhold im Jahre 1931 die Leitung der Sternwarte in jüngere Hände, in die seines Sohnes Günter. Fünf Jahre später mußte Archenhold senior noch die Arisierung seines Werkes miterleben. 1936 mußte sein Sohn wegen seiner jüdischen Abstammung als Chef der Sternwarte zurücktreten. Sie wurde der Hauptschulverwaltung Berlins angegliedert.

Den Zweiten Weltkrieg überstand die Anlage ohne irreparable Schäden, so daß es nach dem Kriege nun unter sowjetzonaler Verwaltung weitergehen konnte. Archenhold wurde durch die Umbenennung der Volkssternwarte in Archenhold-Sternwarte geehrt und sein ehemaliger Mitarbeiter Dietrich Wattenberg zum Direktor berufen. Und die Berliner kamen wieder. Von 8000 im Nachkriegsjahr 1946 über 25000 im Jahre 1949 erreichten die Besucherzahlen erneut Höhen wie vor dem Kriege.

Die Attraktion der Sternwarte, der große Refraktor schien über sechs Jahrzehnte nach seinem Entstehen technisch überholt und wurde stillgelegt. Neue, aber weniger spektakuläre Refraktoren und Teleskope traten an seine Stelle. Zum Glück begingen Mitteldeutschlands Machthaber in diesem Falle nicht den Frevel der Entsorgung eines Stückes deutscher Geschichte, sondern erhielten die „Himmelskanone“ als technisches Denkmal. So konnte es 1977 nach einer Restaurierung wieder in Betrieb genommen werden. 1989 und 1995 waren zwar erhebliche Reparaturen vonnöten, doch ist es nun wieder voll funktionsfähig und erfüllt den Zweck, für den es geschaffen wurde.

Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland wurde die Sternwarte der städtischen Schulverwaltung unterstellt. Zu einem Wechsel in ihrer Leitung kam es dabei nicht. Dieter B. Hermann hatte 1976 auf Vorschlag Wattenbergs dessen Nachfolge angetreten und ging erst 2005 in den Ruhestand. Seine Aufgaben übernahm mit Klaus Staubermann der Leiter der Abteilung Astronomie des Deutschen Technikmuseums Berlin, zu dem die Archenhold-Sternwarte samt ihrer unter Denkmalschutz gestellten „Himmelskanone“ seit 2002 gehört.     M. Ruoff

Die Archenhold-Sternwarte, Alt-Treptow 1, 12435 Berlin, Telefon (030) 5348080, Fax (030) 5348083, E-Mail: sternwarte@sdtb.de, ist mittwochs bis sonntags von 14 bis 16.30 Uhr geöffnet. Donnerstags ab 20 Uhr sowie sonnabends und sonntags jeweils ab 15 Uhr werden öffentliche Führungen angeboten. Informationen über die Preise und weitere Details bietet die Internetseite www.sdtb.de/ Archenhold-Sternwarte.7.0.html

Foto: Archenhold-Sternwarte: Ihre „Himmelskanone“ hat eine Objektivöffnung von 68 Zentimetern, ein bewegliches Gesamtgewicht von 130 Tonnen und eine Brennweite von 21 Metern


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