20.04.2024

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04.04.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-09 vom 04. April 2009

Glanz oder Glibber / Was nach dem Abwracken kommt, was die Politik dem Mehdorn verdankt, und wie sich die EU in böhmischen Dörfern verfranzt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Gerade in schwierigen Zeiten kommt es darauf an, daß alle gemeinsam handeln, an einem Strang ziehen, solidarisch sind. Dann ruckt’s durchs Land und keiner zuckt einem mit blöden Fragen oder nörgelnden Bedenken dazwischen. Dann tragen alle alles mit, zum Beispiel die Abwrackprämie.

Von der sind wir dermaßen hin und weg, daß die paar Querschießer am Rande der Gesellschaft vertrocknen mögen. Wer mag schon Schrotthändler? Denen zerquetscht die Abwrackerei das Geschäft wie einen Altwagen, weil die Schrottpreise talwärts sausen wegen des plötzlichen Überangebots an altem Metall. Oder Gebrauchtwagenverkäufer? Die gucken ebenso in die Röhre. Wer nimmt schon einen benutzten Wagen, wenn er einen neuen zum Spottpreis bekommen kann?  Im Gesindel der Prämien-Neider tummeln sich schließlich noch sämtliche Besitzer von neueren Autos und jene Leute, die überhaupt keinen Wagen haben. Und ganz am Ende stehen die miesepetrigen Rechenschieber, die schon heute kalkulieren, wie die Neuwagennachfrage wohl in einigen Monaten abgerutscht sein wird, wenn alle „lang gehegten Wünsche“ nach einem tollen neuen Auto auf Jahren hinaus erfüllt sein werden.

Ja, wie die Welt dann wohl aussieht? Wagen wir einen Ausblick? Lieber nicht ... andererseits ... also gut, aber nicht zu pessimistisch, deshalb: Wenn alle Schrotthändler genug gespart haben, um ein paar Jahre durchzuhalten, wenn die Gebrauchtwagenhöker das gleiche getan haben, wenn die Deutschen die per Prämie und Händlerrabatt verdorbenen Preise gleich nach Auslaufen der Aktion vergessen und wieder kostendeckende Preise zu zahlen bereit sind, wenn dazu Millionen Fahrradfahrer und ÖPNV-Kunden einspringen als Ersatzkunden für die üblichen Pkw-Interessenten, die für längere Zeit erstmal bedient sein werden, ja – dann wird niemand mehr behaupten können, daß die Abwrackprämie ein Strohfeuer war, das nur Schulden und die öde Asche eines künstlich entfachten Marktes hinterlassen hat.

Vielleicht haben wir in einem Jahr aber auch das Gröbste längst hinter uns, lachen nur noch über solchen Klimperkram. Josef Ackermann hat nämlich einen Silberstreif am Horizont der Finanzkrise gesehen, „Anzeichen von Bodenbildung“ nennt er das auf banken­deutsch. Allerdings hatte er genau den gleichen Streif schon einmal im Mai 2008 erblickt, als der Deutsche-Bank-Chef trunken von Zuversicht den „Anfang vom Ende der Finanzmarktkrise“ ausrief. Daran erinnern Sie ihn lieber nicht, wenn er Sie weiterhin grüßen soll.

Indes, vielleicht würden Sie den Ackermann auf der Straße gar nicht erkennen. Bänkern in der Londoner City rät die dortige Handelskammer, sich unkenntlich zu machen. Sie sollten sich „lieber leger kleiden, statt Anzug und Krawatte zu tragen“. Man fürchtet unfreundliche Reaktionen aus den Reihen des gerupften Volkes. Wenn Ihnen also demnächst jemand, den sie als eleganten Geldhändler in Erinnerung haben, im Gewande eines Nichtseßhaften (vulgo: Pennerkluft) begegnet, halten Sie Ihr Mitleid zunächst zurück: Vielleicht ist er gar nicht pleite, vielleicht schmuggelt er nur seinen Bonus nach Hause in dem Schmutzflecktarn.

Womit wir wieder mittendrin wären in dieser billigen Bänker- und Managerschelte! Gar nicht dumme Leute warnen längst, daß die Politiker, vor allem aber die Medienleute es sich recht einfach machen mit der Fingerzeigerei. Sie fürchten, daß da ein brodelnder Sud aus Haß und Neid angesäuert wird, der explodieren könnte, wenn es für Millionen schlimmer kommt. 

Die haben leicht reden. Medienleute, vor allem die mit dem Massenpublikum vom „Boulevard“, leben vom „Iiiii!“ und „Buuuuh!“ schreien. Und die Politik? Die hat in Sachen Finanzkrise den Keller derart voller eigener Leichen, daß sie die Masse schnell weiterschicken muß, bevor die Leute den Gestank bemerken.

Daher auch diese selige Einigkeit bei vielen Dingen über etliche Parteien hinweg. Das Verbergen, Zerreden, Kleinsabbeln gelingt nur im Verein, in dem alle mittun. Schert einer aus, wird’s recht peinlich. Unter Umständen. Das war der letzte große Dienst, den Hartmut Mehdorn der politischen Klasse erwiesen hat. Von Schröder eingesetzt, von Merkel weiterprotegiert konnte der Bahn-Chef zu kaum einem günstigeren Zeitpunkt zurücktreten. Eine andere Personalie verschwand nämlich hinter diesem Medien-Großereignis vollends in den Nebeln der norddeutschen Tiefebene.

Dort oben hatte fast im selben Moment wie Mehdorn ein entnervter Wirtschaftsminister den Klub der Krähen wutentbrannt verlassen und lauthals gepetzt, mit welcher Nonchalance die Politik sein Bundesland in den finanziellen Totalschaden rasen läßt. Werner Marnette ist bislang der erste Politiker, der das sizilianische Schweigen der Familie brach. Das wäre eigentlich ein großes Ding gewesen und hätte zu allerlei öffentlichen Mutmaßungen führen können darüber, was da eigentlich gespielt wird. 

Doch da schob sich der große Mehdorn mit lautem Donner davor, und alles redete über ihn. Zu allem Überfluß krabbelte dann noch ein Wicht auf die Aussteigerbühne, dessen einzige Größe im Ausmaß seiner Peinlichkeit besteht. Aber der Medienwelt ist es egal, woraus Größe besteht, ob aus Glanz oder aus Glibber, Hauptsache sie hat „Event-Cha­rakter“. Und den kann man einem Fritz Schramma wirklich nicht absprechen.

Auf den ersten Blick wirkt Schramma entsetzlich provinziell. So einer hat neun Jahre lang eine der größten und ältesten Städte Deutschlands regiert? Vorsicht: Schrammas Zeit birgt allerhand historische Symbolkraft. Geschichte heißt schließlich: Das Alte wird abgeräumt, damit das Neue Platz hat, heißt: „schöpferische Zerstörung“. Unter Schramma wurde der Bau der angeblich größten Moschee des Abendlandes in Köln beschlossen, während das abendländische Gedächtnis der 2000-Jahre-Stadt im Schlamm einer schlampigen Baugrube versank. Ernsthafte Historiker hassen derlei konstruierte Symbolik. Sie ist dramatisch überladen und trieft von der Sehnsucht der Gelangweilten nach dem „epochalen Umbruch“, bei dem wir alle gern Zeuge wären, selbst wenn uns sein Ergebnis mißfällt – halt nur so aus Neugier. Die theatralisch begabteren Orientalen haben da weniger Scheu, sie lieben solche Bilder ganz unbefangen und fühlen sich durch sie bestätigt.

Dabei wollen wir aber nicht zu bescheiden sein: Theatralik können wir Europäer auch ganz gut. Aufstehen und gehen wolle er, wenn der G20-Gipfel im Kommuniqué-Gefasel versande, trompete Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy Anfang der Woche. Das klingt erfrischend nach den „Nizza oder Tod“-Fanfaren der Warschauer Gebrüder Lech und Jaroslaw Kasperle. Respekt!

Besonders wichtig ist allen global Beteiligten ein „gemeinsames Vorgehen“, hinter dem sie ihre nationalen Alleingänge verbergen können. Das mit der Gemeinsamkeit ist aber nicht so einfach, selbst die EU ist da im Moment leicht marode. Ihr Schicksal verfranzt sich nämlich gerade in den böhmischen Dörfern der tschechischen Präsidentschaft. 

Da kommt sie wieder hoch, die bohrende Sorge, künftigen Generationen nicht erklären zu können, wie „es“ seinerzeit nur soweit kommen konnte. Da haben große Völker wie Franzosen und Deutsche über ein halbes Jahrhundert lang um die europäische Einigung gerungen. Und nun soll es wahr sein, daß ein paar kauzige Moldau-Anrainer, angestopft vom aufgeplusterten Nationalismus der 1920er Jahre, die ganze Sache gefährden können?

Tiefes Verständnis ergreift einen für die Österreicher, die noch Jahrzehnte nach dem Ende der Doppelmonarchie einen so ermatteten, desillusionierten und melancholischen Eindruck machten. Hatten die womöglich nur hinter sich, was uns demnächst bevorsteht?


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