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11.04.09 / Prags Kampf gegen die Señoritas / Tschechische Sprachpolitik mit antideutschem Einschlag, dafür »Gender-freundlich«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-09 vom 11. März 2009

Prags Kampf gegen die Señoritas
Tschechische Sprachpolitik mit antideutschem Einschlag, dafür »Gender-freundlich«

Die tschechische Politik kommt international aus den Schlagzeilen kaum mehr heraus, seitdem am 24. März ein Mißtrauensvotum den Regierungschef Mirek Topolánek und seine Mitte-Rechts-Koalition zu Fall brachte. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der das Land den EU-Vorsitz führt und mitten im Schlamassel der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise steckt. Obwohl Tschechien mit seinen nach wie vor florierenden Skoda-Fahrzeugwerken (deren Autos zu den größten Nutznießern der deutschen Abwrack-prämie zählen) bislang ökonomisch vergleichsweise gut dasteht, hat das Ansehen des Landes gelitten. Insbesondere in deutschen Medien wird gebetsmühlenartig der EU-Skeptizismus des bei der Absetzung Topoláneks offenbar federführenden Präsidenten Václav Klaus angeprangert

Dessen nationalorientiertes Weltbild gibt zwar Anlaß für Sorgen über die weitere Einigung Europas, doch Bezeichnungen wie die eines Antieuropäers oder Karnevalsredners (Daniel Cohn-Bendit) sind überzogen. An anderer Stelle wären solche bissigen Kommentare eher geboten, etwa dann, wenn sich das offizielle Prag mal wieder in Deutschfeindlichkeit übt.

So verwendet die Tschechische Republik seit Beginn ihrer EU-Ratspräsidentschaft im Januar bis auf den heutigen Tag in ihrem Internetauftritt (www.eu2009.cz) neben der eigenen Sprache nur das Englische und Französische, nicht aber das Deutsche – obwohl dieses in der EU die mit Abstand meistverbreitete Muttersprache ist. Das ist auch insofern skandalös, als das Europäische Parlament erst Ende November 2008 beschlossen hatte, daß die jeweiligen Ratspräsidentschaften ihre Internetauftritte in möglichst vielen europäischen Sprachen, mindestens aber in den Sprachen mit den meisten Sprechern anbieten sollen. Angesichts der tiefen Spuren, die die deutsche Sprache und Kultur gerade in den europäischen Herzländern Böhmen, Mähren und (Sudeten-)Schlesien hinterlassen hat, ist das Verhalten der tschechischen Regierung nur durch festsitzende historische Vorurteile und Minderwertigkeitskomplexe zu erklären.

Letztere offenbarten sich auch bei einem medienpolitischen Eklat, der während der nordischen Ski-WM in Reichenberg (Liberec) im Februar die Gemüter erregte. Anlaß war die Weigerung der beliebten Sportkommentatorin Zuzana Kocumová, einer früheren Skilangläuferin, auch die Namen ausländischer Läuferinnen um das landestypische -ová zu verlängern. Im Tschechischen (wie in ähnlicher Form in anderen slawischen Sprachen) ist es üblich, diese Endung an alle weiblichen Nachnamen anzuhängen, also beispielsweise von Angela Merkelová oder Hillary Clinton­­ová zu reden.

Während sich Feministinnen über das damit ausgedrückte Besitzverhältnis durch die gleichnamigen Männer aufregen, pochte die Kommentatorin Kocumová lediglich darauf, die ausländischen Sportlerinnen so zu benennen, wie es in ihren Pässen steht. Darauf gab ihr der Sportchef des Tschechischen Fernsehens den Laufpaß, mußte diese Entscheidung dann allerdings nach einer Welle des öffentlichen Protests wieder zurück-nehmen.

Etwas Schwankhaftes hat auch eine andere aktuelle sprachpolitische Maßnahme aus böhmischen Landen. Wie die konservative Tageszeitung „Lidové noviny“ am

17. März berichtete, veröffentlichte das tschechische EU-Parlamentspräsidium kürzlich eine Broschüre gegen die „Diskriminierung“ von Frauen im parlamentarischen Alltag. Um „eine maximale Gleichbehandlung der Geschlechter zu wahren“, solle es in Brüssel und Straßburg fortan keine „Fräuleins“, „Mademoiselles“ und „Señoritas“ mehr geben, weil diese Begriffe den Status einer bislang nicht vergebenen Frau ausdrückten und somit keineswegs als neutral zu bewerten seien. Darüber hinaus müsse stets der sprachpolitische Zusammenhang beachtet werden, weshalb bei einer Fachtagung nicht die Begrüßungsformel „Sehr geehrte Experten“ zu verwenden sei, sondern man künftig von „Sehr geehrte Expertinnen und Experten“ zu sprechen habe.

Britische EU-Abgeordnete nahmen angesichts dieser aus dem „alten Europa“ längst bekannten Töne kein Blatt vor den Mund und bezeichneten – zur offensichtlichen Freude des „Lidové noviny“-Kommentators – die Prager Emanzipationsempfehlungen als Beleg dafür, daß sich das Parlament „definitiv in den Bereich des Unsinns“ begeben habe.

Martin Schmidt


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