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11.04.09 / Krieger, Komponist und Visionär / Gedanken am Grabe Guido von Gillhaußens

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-09 vom 11. März 2009

Krieger, Komponist und Visionär
Gedanken am Grabe Guido von Gillhaußens
von Karl Feldmeyer

Auf Initiative des langjährigen Autors der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Karl Feldmeyer, hat der Förderverein Invalidenfriedhof e.V. mit Unterstützung der Stiftung Preußisches Kulturerbe (SPKE) das Grab des preußischen Offiziers und Komponisten Guido von Gillhaußen (1870-1918) in Berlin restauriert. Wir dokumentieren nachfolgend einen Beitrag Feldmeyers über Impressionen am Grabe Gillhaußens in der Zeit der deutschen Teilung.

Es war im Frühjahr 1984, als ich bei einem Besuch in Ost-Berlin erstmals einen Abstecher zum Invalidenfriedhof in der Scharnhorststraße, direkt an der Mauer, unternahm, die ihn umgebenden Häuser wirkten trist, am Eingangstor hing ein Schild mit den eng begrenzten Öffnungszeiten. Schon beim Durchschreiten des Tores zog der mächtige Löwe, der über Scharnhorsts Grab schläft, den Blick auf sich. Erst danach entdeckte ich den in Kniehöhe gespannten Draht, der zwischen dem Eingang und Scharnhorsts Grab den Friedhof parallel zur Mauer in zwei Teile trennte. Scharnhorsts Grab lag dahinter und war somit unerreichbar, denn an dem Draht hing eine Tafel, auf der nur zwei Worte standen: „Grenzgebiet Schußwaffengebrauch“. Das reichte, um mich davon abzuhalten, Scharnhorsts Grab näher zu inspizieren. Der Blick auf das Friedhofsgelände bis hin zur Grenzmauer, zu der die alte Friedhofsmauer umfunktioniert worden war, konnte wenig interessantes Entdecken. Der größte Teil der Fläche war abgeräumt und in freies Schußfeld verwandelt worden. Richtung Eingang waren etliche Gräber halbwegs erhalten geblieben, die meisten schwer beschädigt und nur mit Mühe identifizierbar, wenn überhaupt.

Mit diesem Befund wollte ich mich nicht zufrieden geben und ging vor dem Grenzdraht erst nach links, dann zurück nach rechts, um mich wenigstens dort umzusehen, wo es gestattet war. Dorthin, wo das Gelände sanft ansteigt, zog mich ein Fliederbusch, dessen Blüten das einzig Erfreuliche waren, was ich entdecken konnte. Halb verdeckt von ihm fand ich einen beschädigten und verwitterten Grabstein mit einer längeren Inschrift, die noch zu entziffern war. Sie lautet:

Ich weiß, wofür ich leide,

Mein Blut vergossen hab:

In schwerstem deutschen Streite,

Grub ich an Feindes Grab

Ich stritt im DEUTSCHEN Heere

Für DEUTSCHES Heiligtum,

Als Schildknapp DEUTSCHER Ehre,

Für DEUTSCHER Zukunft Ruhm!

Drum lebt trotz grimmer Schmerzen,

Trotz wundenheißer Qual,

In meinem deutschen Herzen

Nur Dank und Sonnenstrahl

Guido von Gillhaußen, gedichtet nach schwerer Verwundung Colonfay 1914

Nun wandte ich mich der anderen Seite, der einstigen Frontseite des Grabsteins zu und fand dort die gut erhaltene Inschrift vor:

Guido von Gillhaußen

Major im 3. Grade Regiment zu Fuß

Kommandeur des Fusilier Batls. Im Grande Grenadier Rgt. Nr. 5

Ritter des Eisernen Kreuzes II. und I. Klasse, geb. 12. Mai 1870 zu Esbach bei Coburg, gest. 2. Mai 1918 in Folge der am 24. April 1918 bei Villers-Brétonneux erlittenen schweren Verwundung.

Inmitten der Trümmerlandschaft des Invalidenfriedhofs, einen Steinwurf von der Grenzmauer entfernt, die Deutschlands einstige Hauptstadt zerschnitt, ragte aus einer an Jahren noch nahe, bewußtseinsmäßig aber Lichtjahre entfernten Vergangenheit das Zeichen einer Geisteshaltung und eines Stolzes auf Deutschland in diese deprimierende Gegenwart seiner Erniedrigung hinein. Ein größerer Kontrast als dieser war nicht vorstellbar und es erforderte Kraft, ihn auszuhalten.

Erst später entdeckte ich, daß Gillhaußen nicht nur Offizier der preußischen Armee gewesen war, sondern zu seiner Zeit sowohl als Komponist als auch als Dichter einen Namen hatte. Große Publizität erhielt er, als 1918 auf dem Umweg über Amerika in Deutschland bekannt wurde, daß Gillhaußen dem Kronprinzen am 3. August 1914 – also drei Tage nach Kriegsausbruch – schriftlich den Inhalt einer Vision mitgeteilt hatte, die er am Morgen des gleichen Tages gehabt hatte. In K. Treuwerths 1925 erschienenem Buch „Der Invalidenfriedhof in Berlin“ wird darüber folgendes berichtet:

„In dieser Version erschaute er, welche Völker in den Kampf gegen Deutschland eingreifen würden. Er sah vorher, daß 1918 ein ungeheurer Umschwung der Verhältnisse eintreten und mit der Endschaft des Kaisertums ein Abschnitt von dreißigjährigem Niedergang des Vaterlandes beginnen würde. England würde, so trat es ihm vor das innere Auge, innerhalb dieser Zeit durch Indien und Ägypten den Todesstoß erhalten und Amerika mit Rußland um den Besitz der Welt ringen.

Nach seinem Tode wurde diese Version durch Druck im Mai 1918 einem intimeren Kreise zugänglich gemacht. Durch Indiskretion gelangte sie leider nach Amerika und erschien dort im Herbst 1918 öffentlich.“

Aus: Mitteilungen der SPKE, mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Foto: Ehrendes Gedenken: Guido von Gillhaußen war nicht nur preußischer Offizier, Poet und Komponist, sondern auch Ritter des Johanniterordens und ein Freund von Franz Kafka. Unmittelbar nach Beginn des Ersten Weltkrieges hatte er eine frappierend detaillierte Vision von der Zukunft Europas, die sich bewahrheiten sollte. Im Bild die Einweihung des restaurierten Grabsteins auf dem Berliner Invalidenfriedhof im Juni 2008. Im Hintergrund Reinhard Führer, der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK).


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