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11.04.09 / Haft oder Hausarrest? / Was bei Kriminellen im Seniorenalter zu bedenken ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-09 vom 11. März 2009

Haft oder Hausarrest?
Was bei Kriminellen im Seniorenalter zu bedenken ist

Wo es mehr Alte gibt, da gibt es auch mehr Kriminelle im Seniorenalter. Die meisten von ihnen begehen leichte bis mittelschwere Delikte, die vor allem Geldstrafen nach sich ziehen. Doch auch bei den über 60jährigen gibt es Kriminelle, die ins Gefängnis müssen. Von den Vollzugsbeamten werden alte Menschen häufig als Bereicherung empfunden, da sie mäßigend auf die jüngeren Mitgefangenen wirken –, wenn sie nicht zu deren Opfern werden.

In den Justizvollzugsanstalten (JVA) gilt das Recht des Stärkeren, was mit Körperkraft zusammenhängt – und so geben die jungen Gefangenen den Ton an. Ohnehin bestimmen die Bedürfnisse der Jüngeren das Leben in der Haft. Da fast alle Gefangenen einer normalen JVA im berufstätigen Alter sind, die meisten sogar zwischen 20 und 35 Jahren, ist das Gefängnisprogramm auf sie abgestimmt.

„Man muß Alte aber nicht mehr fürs Leben erziehen“, gibt Professor Dr. Arthur Kreuzer gegenüber der PAZ zu bedenken. Der Experte zum Thema Haft bei alten Menschen merkt an, daß bei Senioren keine Resozialisierung wie bei den Jüngeren mehr nötig sei. Vor allem müssen sie nicht für den Berufsalltag nach ihrer Haftzeit fit gemacht werden, da sie ja bereits Rentner sind. Bei Senioren müßte man stattdessen eher eine altersgemäße Freizeitbeschäftigung anbieten. Doch für derartige Spezialisierungen fehlt den meisten Haftanstalten das Personal und das Geld.

Eine Ausnahme stellt die JVA Singen dar. Seit 1970 gibt es in Baden-Württemberg dieses speziell auf die Bedürfnisse von Senioren ausgerichtete Gefängnis. Die 50 Haftplätze sind seit einiger Zeit stets belegt. Der jüngste Häftling ist 63, der älteste 80 Jahre alt. Nur wer zum Zeitpunkt der Einweisung noch eine Mindeststrafe von 15 Monaten abzusitzen hat, darf nach Singen. Dort findet man drei Tätergruppen vor: Sexualverbrecher, Betrüger und Anlageverbrecher sowie Gewalttäter. Gerade letztere haben auffällig häufig Taten im „familiären Nahbereich“, sprich in der Familie, begangen.

Trotz geschlossenem Vollzug haben die JVA-Insassen in Deutschlands einzigem Seniorenknast mehr Freiräume. Ältere benötigen eine andere Betreuung als jüngere, und so haben einige JVA-Mitarbeiter eine Ausbildung zum Krankenpfleger. Auch sind die Sicherheitsbestimmungen weniger streng.

Da Menschen über 60 Jahre eine erhöhte „Strafempfindlichkeit“ besitzen, müssen sie auch psychologisch anders betreut werden. Manch Älterer muß fürchten, in Haft zu sterben, dieser Angst muß Rechnung getragen werden. Trotz alldem kostet ein Haftplatz in Singen pro Tag 78 Euro, also nicht mehr als in anderen Haftanstalten.

Kreuzer empfiehlt, auf Gefängnisstrafen für Alte weitgehend zu verzichten. Hausarrest sei eine „Alternative zur Haft für die, die nicht Schwerstdelikte begangen haben“. Freiheitsbegrenzung ist hier durch feste Aufenthaltsregelungen zu erreichen. Das sei „billiger und altersgerechter“. Zudem müßten Angehörige aktiviert und eventuell die Kirchengemeinde miteinbezogen werden. Auch gemeinnützige Arbeit hilft, da sie den Senioren das Gefühl gibt, gebraucht zu werden.      Rebecca Bellano


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