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11.04.09 / Berlusconis Freiheitstraum / Neue Einheitspartei der rechten Mitte in Italien – Die Überwindung der Krise ist nicht ihr einziges Ziel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-09 vom 11. März 2009

Berlusconis Freiheitstraum
Neue Einheitspartei der rechten Mitte in Italien – Die Überwindung der Krise ist nicht ihr einziges Ziel

Mit seiner neuen Mitte-Rechts-Partei hat Silvio Berlusconi seinen einzigen innenpolitischen Widerpart von Bedeutung, Gianfranco Fini, an sich gebunden. Fini möchte Berlusconi offenbar einmal beerben. Dem 72jährigen Milliardär und Medienmogul seinerseits geht es nicht zuletzt darum, neue Ermittlungsverfahren gegen sich zu stoppen.

Vor zwei Wochen wuchs offiziell zusammen, was schon länger zusammengehörte. Die Rede ist von der neuen italienischen Einheitspartei „Volk der Freiheit“, zu der sich Berlusconis rechtskonservative Forza Italia und die postfaschistische Nationale Allianz von Gianfranco Fini in Rom zusammenschlossen. Schon vor der letzten Parlamentswahl im Frühjahr 2008 waren die beiden Parteien ein Wahlbündnis eingegangen und hatten gemeinsam knapp 38 Prozent der Stimmen für die Abgeordnetenkammer errungen. Den Termin des Gründungskongresses am 27. März hatte Berlusconi nicht zufällig ausgesucht, denn genau vor 15 Jahren gewann er zum ersten Mal eine Parlamentswahl in Italien. Seine Siegesserie setzte sich nun fort. 6000 Delegierte kürten ihn ohne Gegenkandidaten zum Parteichef und segneten das Statut ab, in dem es in Artikel 1 heißt: „Das Volk der Freiheit ist eine Bewegung von Frauen und Männern, die an die Freiheit glauben und die frei bleiben wollen.“ Viele Freiheiten nimmt sich dabei vor allem Berlusconi selbst heraus. „Il presidente“ darf nicht nur die drei Parteikoordinatoren sowie die Präsidiums- und Vorstandsmitglieder benennen, sondern hat auch das letzte Wort bei der Auswahl der Kandidaten für die Europa-, National- und Regionalwahlen.

Interpretativen Freiraum läßt zudem die Programmatik der neuen Partei, in der sehr unterschiedliche Gruppierungen von früheren Christdemokraten über Sozialisten und Liberale bis hin zu Nationalkonservativen zusammenkommen. Vage erklärte Berlusconi: „,Das Volk der Freiheit‘ wird eine genau bestimmte Identität haben: Es wird weder rechts oder links sein noch eine mutlos-moderate Position vertreten.“ Optimistische Beobachter hoffen, das „Volk der Freiheit“ werde für eine Vereinfachung der zersplitterten Parteienlandschaft hin zu einem Zweiparteiensystem nach anglo-amerikanischem Modell sorgen. Gegenspieler wäre dabei die Demokratische Partei, zu der sich 2007 Parteien der Mitte und der moderaten Linken vereinigt haben. Bisher haben die Demokraten allerdings keine innere Einheit gefunden. Parteichef Walter Veltroni, der lange Zeit als Hoffnungsträger und stärkster Kontrahent Berlusconis galt, warf angesichts permanenter Flügelkämpfe und diverser Bestechungsskandale im Februar das Handtuch. Viele Wähler kehrten daraufhin den Demokraten enttäuscht den Rücken. Der Ministerpräsident gibt sich indes zuversichtlich, daß seiner Partei ein solches Schicksal erspart bleibt, und strebt langfristig ein Stimmenergebnis von 50 Prozent an. Diese Traumquote hatten in der italienischen Nachkriegsgeschichten nicht einmal die Christdemokraten erreicht, die über Jahrzehnte hinweg die Staatsgeschäfte dominierten. Kritiker bezweifeln jedoch, daß das „Volk der Freiheit“ dauerhaft mehr zusammenhalten wird als der charismatische Führungsstil und die Medien Berlusconis. Sie sehen ferner in der Machtausweitung des Premiers eine Gefahr für die Demokratie.

Der 72jährige Mailänder Medienzar versprach in seiner Abschlußrede an die Delegierten, „Italien aus der Krise herauszuführen“. Dazu forderte er eine „bessere Regierbarkeit Italiens durch weitere und effizientere Kompetenzen für den Regierungschef“. Im Gegensatz zu anderen Staaten seien diese Richtlinienkompetenzen hierzulande „nicht vorhanden, sondern nur vorgetäuscht“.

Kritisch ist die Lage in Italien allemal: parteiübergreifende Korruption und Mißwirtschaft, der desolate Haushalt, versäumte Sozial- und Strukturreformen, die ineffiziente Justiz und Bürokratie, die defizitäre Einwanderungspolitik, die stagnierende Konjunktur sowie die hohe Arbeitslosigkeit lähmen das Land. Bislang legte der Cavaliere jedoch wohl weniger Hand an die Verfassung, um der nationalen Schieflage Herr zu werden, als vielmehr um die gegen ihn laufenden Verfahren wegen Bestechung und Steuerhinterziehung auszusetzen. So gewährt ihm ein Eildekret vom letzten Jahr Immunität während seiner gesamten Amtszeit. Ein Gesetz gegen illegale Telefonabhörungen und deren Veröffentlichung verpaßt zudem Ermittlern und Journalisten einen Maulkorb.

Der einzige, der Berlusconi derzeit Paroli bietet, ist der gegenwärtige Präsident der Abgeordnetenkammer Gianfranco Fini. Als Vorsitzender der Nationalen Allianz hat er die Partei vom postfaschistischen Auffangbecken zu einer Partei der gemäßigten Rechten verwandelt. Immer wieder steuert Fini den Versuchen des Ministerpräsidenten entgegen, das Parlament weiter zu schwächen und als Marionette zu instrumentalisieren. Sein Bündnis mit Berlusconi ist wohl eher pragmatischer Natur und der Hoffnung geschuldet, eines Tages dessen Thronfolge anzutreten. Sophia E. Gerber

Foto: Silvio Berlusconi: Mit mehr Macht für sein Amt des Regierungschefs will er Italien aus der Krise führen.   


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