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11.04.09 / Der Patriarch besucht Königsberg / Zum Programm gehörte auch ein Gespräch mit Universitätsangehörigen in der Albertina

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-09 vom 11. März 2009

Der Patriarch besucht Königsberg
Zum Programm gehörte auch ein Gespräch mit Universitätsangehörigen in der Albertina

Erstmals in seiner neuen Funktion als Patriarch von Moskau und ganz Rußland besuchte Kyrill das Königsberger Gebiet, dessen Metropolit er vor seiner Wahl zum Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche war.

Anlaß der zweitägigen Visite vom 21. bis zum 23. März war die Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Königsberg, die die Gebietsregierung im vergangenen Jahr beschlossen hatte.

Das Besuchsprogramm war sehr abwechslungsreich. In der Christi-Erlöser-Kathedrale wurden drei Gottesdienste abgehalten: Marien- und Heiligenverehrung, Abendgottesdienst und die Liturgie.

Am ersten Tag wurde der Patriarch mit der Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet. Die Zeremonie fand in der Gemäldegalerie statt, und im Rahmen der Feier wurde dort ein Saal mit einer Galerie „Königsberger Ehrenbürger“ eingerichtet. Sie wurde mit einem Porträt des Patriarchen eröffnet. Die Ehrenbürgerwürde ist übrigens mit einer Million Rubel (22300 Euro) dotiert. Der Patriarch erklärte, daß er dieses Geld für den Bau eines orthodoxen Gymnasiums spenden werde, das neben der Christi-Erlöser-Kathedrale entstehen soll. Vor Journalisten erwähnte der Patriarch, daß das Königsberger Gebiet für die Kirche schwierig sei, weil es eine Nahtstelle der Kulturen in der Nähe zu anderen Staaten darstelle.

Als er aus dem Zug gestiegen sei, habe ihn ein angetrunkener Mann allen Ernstes gefragt: „Ist dein Bart echt?“

Doch eine der wichtigsten Begegnungen während der Visite des Oberhaupts der Russisch-Orthodoxen Kirche war ein Gespräch mit Studenten. Dieses Treffen hinterließ sowohl beim Patriarchen als auch bei den Studenten großen Eindruck. Die Aula der Staatsuniversität Immanuel Kant war völlig überfüllt. Es mußten zusätzliche Stuhlreihen aufgestellt werden, damit alle Interessierten teilnehmen konnten. Nicht nur Studenten, sondern auch Dozenten der Universität nahmen an der Veranstaltung teil.

Die Kant-Universität ist die erste Universität der Russischen Föderation, die Kyrill in seiner Funktion als Patriarch besucht hat. Studenten der Technischen Universität Königsbergs, des Baltischen Marine-Instituts sowie der Baltischen Staatsuniversität waren zugeschaltet, um dem Treffen mit dem Patriarchen von ferne zuzusehen.

Kyrill hatte die Universität schon besucht, als er Metropolit für Königsberg war. Deshalb begann er seinen Auftritt mit den Worten: „Ich erinnere mich nicht mehr, was ich Ihnen beim letzten Treffen gesagt habe, aber ich erinnere mich an den Gemütszustand, den ich in diesen Mauern empfing, als ich mich an die Studenten und ihre Lehrer wandte. Das war ein gutes Gefühl – das Gefühl der Überzeugung davon, daß trotz aller Probleme, mit der unsere Jugend konfrontiert ist, wir einen mächtigen Kern haben, denkende, starke Menschen, die fähig sind, viel für die Zukunft zu erreichen. Das bedeutet, es gibt Hoffnung für Rußland.“

Während seiner Rede, die etwa eine halbe Stunde lang dauerte, sprach Kyrill über die Prioritäten und Lebensideale junger Menschen. Anschließend bestand die Möglichkeit, dem Patriarchen Fragen zu stellen. Einige beantwortete er sofort. Zum Beispiel sagte er auf die Frage nach dem ewigen Streit zwischen Wissenschaft und Religion: „Niemals hat es einen solchen Streit gegeben und es kann ihn nicht geben, wie es auch keinen Streit zwischen der Wissenschaft und der Politik, oder zwischen Wissenschaft und der Malerei geben kann.“

Der Patriarch beantwortete auch Fragen, die ihm von den Studenten der zugeschalteten Hochschulen gestellt wurden. Eine Studentin des Marine-Instituts in Pillau wollte wissen, wie der Patriarch zu Frauen stehe, die in der Armee dienen. Kyrill antwortete ausweichend, daß es eine Reihe von Aufgaben gäbe, die Frauen mit großem Erfolg verrichteten, wie Männer, und fügte hinzu, daß Geistliche in der Armee vonnöten seien, so wie es in Polen und Deutschland Tradition ist.

„Wie stehen Sie zum Internet?“, fragte ein Student der Technischen Universität. „Das ist eine uralte Frage“, sagte der Patriarch mit einem Lächeln, „seinerzeit fragte man den Bischof: ‚Wie stehen Sie zur Elektrizität?‘ und später: ‚Was sagen Sie dazu, daß man mit dem Auto zur Kirche fährt, anstatt im Pferdegespann?‘ Und jetzt wird nach dem Internet gefragt. Das Internet ist ein Instrument, das zum Nutzen oder zum Schaden verwendet werden kann. Wir haben die Wahl!“

Am Ende des Treffens tauschten der Patriarch und der Direktor der Staatlichen Kant-Universität Geschenke aus. Die Universität übergab dem Patriarchen ein Buch über russische Kunst, und das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche schenkte der Universität eine wertvolle Bibelausgabe. Danach trug Kyrill sich in das Buch der Ehrengäste der Universität ein, dann dankte er seinen Zuhörern, die ihm stürmisch applaudierten.          Jurij Tschernyschew

Foto: Gast und Gastgeber: Der Patriarch mit dem Rektor der Albertina (von rechts)


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