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18.04.09 / Zwei halbe Premierminister / Wie Václav Klaus um Einfluß in Prag und Brüssel pokert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-09 vom 18. April 2009

Zwei halbe Premierminister
Wie Václav Klaus um Einfluß in Prag und Brüssel pokert

Ich bin kein Politiker“, warnte der designierte tschechische Premier Jan Fischer vor der versammelten Presse. Auch bekannte der parteilose 58jährige, daß das von ihm noch zusammenzustellende Kabinett „keine Regierung der Visionen wird, sondern der harten Arbeit“. Böse Zungen unken, daß genau diese Unerfahrenheit und Visionslosigkeit den bisherigen Chef des tschechischen Statistik-Amtes in den Augen von Präsident Václav Klaus zur Idealbesetzung gemacht haben.

Mißtrauisch blicken die EU, Europas Regierungen, Journalisten und die Tschechen selbst zur Prager Burg und versuchen zu ergründen, was ihr 67jähriger Präsident Klaus eigentlich beabsichtigt. Dieser genießt das ihm zuteil werdende Interesse, läßt sich aber nicht aus der Ruhe bringen und überrascht im Wochentakt mit immer neuen Schachzügen. Diese haben in den Augen der meisten Betrachter nur das Ziel, die EU zu blamieren und den von ihm gehaßten Lissabon-Vertrag zu Fall zu bringen. Klaus’ Methoden übertreffen dabei selbst die kühnsten Prognosen seiner Kritiker, zumal sich der EU-Gegner stets auf dem Boden der tschechischen Verfassung bewegt beziehungsweise deren Ungenauigkeit ausnutzt.

So hat Tschechien derzeit zwei Ministerpräsidenten: Einmal den von Klaus verachteten Mirek Topolánek, der nach einem erfolgreichen Mißtrauensantrag der oppositionellen Sozialdemokraten nur noch geschäftsführend im Amt ist, und den von Klaus zum designierten Ministerpräsidenten ernannten Jan Fischer, der bis zur Neuwahl im Herbst eine Übergangsregierung bilden soll. Da der tschechische Ministerpräsident derzeit auch EU-Ratspräsident ist, hat die EU nun auch zwei Ratspräsidenten. Und nicht nur das, auch Klaus darf mitreden. So sieht die tschechische Verfassung vor, daß die Außenpolitik von der Regierung bestimmt wird, räumt aber gleichzeitig dem Präsidenten gewisse Vollmachten ein: Er „vertritt das Land nach außen“. Und da es derzeit statt einer ganzen zwei „halbe“ Regierungen gibt, rechnet man in Brüssel damit, daß der Präsident von seinem Recht, das Land nach außen zu vertreten, voll Gebrauch machen könnte: Nicht einer der beiden Premiers könnte demnächst anstehende EU-Gipfel moderieren, sondern Staatspräsident Václav Klaus höchstpersönlich. Doch derartig bizarre Personalquerelen sind nicht nur wegen der EU-Außenwirkung peinlich, sondern auch politisch heikel. Sollte Prag bis Juni nicht geklärt haben, wer alleiniger Ministerpräsident ist, könnte Klaus ausgerechnet den EU-Irland-Gipfel in Brüssel leiten. Dort aber soll den Iren nach dem Scheitern des ersten Referendums zum EU-Vertrag ein zweites schmackhaft gemacht werden. Für diese Aufgabe  gilt der erklärte Lissabon-Gegner Klaus jedoch in der EU als denkbar ungeeignet, schließlich ist Tschechien dank seines „Engagements“ selbst ein Wackelkandidat in Sachen EU-Vertrag: Es wird befürchtet, daß Klaus ein Ja zum Lissabon-Vertrag bei der Abstimmung im Prager Senat im Mai verhindern könnte. Außerdem war er einer der ersten, der den Iren nach ihrem ersten Nein zum EU-Referendum gratulierte.

Der einzige Hoffnungsschimmer für die EU heißt derzeit Jan Fischer. Der hat bereits einige Regierungsmitglieder vorgestellt. Alle sind EU-freundlich. Hier hat der Präsident kein Vetorecht.   Bel


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