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18.04.09 / Debatte um Kernkraft spitzt sich zu / Noch wagt die Union nicht, offen den endgültigen »Ausstieg vom Ausstieg« zu fordern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-09 vom 18. April 2009

Debatte um Kernkraft spitzt sich zu
Noch wagt die Union nicht, offen den endgültigen »Ausstieg vom Ausstieg« zu fordern

Mit den Worten „Zustimmung für Kernkraft wächst“ betitelte das „Handelsblatt“ den Bericht über eine Umfrage zur Kernenergienutzung. Laut einer als „repräsentativ“ bezeichneten Studie der Unternehmensberatung „Accenture“ hätten sich 56 Prozent der Befragten für längere Nutzungszeiten der noch 17 laufenden Kernkraftwerke in Deutschland ausgesprochen. 50 Prozent würden sogar den Neubau von Reaktoren befürworten.

„Ich freue mich, daß die Zustimmung zur Kernenergie auch in Deutschland seit Jahren deutlich zunimmt“, freute sich RWE-Chef Jürgen Großmann. Er berücksichtigte jedoch nicht, daß die „Accenture“-Studie seiner Branche eher schadet als nützt. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) traf dann auch sofort den wunden Punkt: „Accenture“ berät die 500 größten Energieunternehmen und kann daher durchaus als „befangen“ bezeichnet werden. Auch ist die Studie, die weltweit 10000 Personen befragte, in Deutschland allerdings nur 500, mangels geringen Umfangs keineswegs repräsentativ. Gabriels Ministerium bewertete die Studie triumphierend als „absurdes Spiel mit lustigen Atomkraft-Umfragen“. Und so konnte überspielt werden, daß die Zahl der Atomkraftgegner tatsächlich sinkt, auch wenn das im Umkehrschluß nicht gleich volle Zustimmung bedeutet. Daß Zustimmung jedoch entsteht, wird vom Bundesumweltministerium massiv behindert, wie die FDP-Sprecherin für Umwelt und Reaktorensicherheit, Angelika Brunkhorst, im März bei einer Bundestagsdebatte zum Thema „Ausstieg aus dem Ausstieg“ anprangerte. So würde eine von Gabriels Ministerium herausgegebene Publikation für Schüler die Kernkraft einseitig negativ darstellen. Politische Bildung dürfe nicht „indoktrinieren“, so die Bundestagsabgeordnete. Sie forderte, die Unterrichtsmaterialien zu überarbeiten. „Moderne, konventionelle Kraftwerke, erneuerbare Energien und Kernenergie sind drei Schwestern im Netz“, widersprach Brunk-horst den grünen Bundestagskollegen. Diese fragten: „Wollen wir erneuerbare Energien oder eine Renaissance der Atomkraft?“ Beides ginge nicht, so die Grünen, die im Bundestag den Antrag stellten, alte Atomkraftwerke in Osteuropa vom Netz zu nehmen – als wäre dies eine deutsche Entscheidung.

Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg plädiert bisher nur für längere Laufzeiten der alten Atomkraftwerke in Deutschland. Aber: „Der Neubau von Kernkraftwerken ist bei uns keine Option“, sagte er. Sollte es zur Verlängerung der Laufzeiten kommen, müßten die Kernkraftwerksbetreiber stattliche Beiträge ihrer ungeplanten Mehreinnahmen in einen Fonds zur Förderung von Energieeffizienz, erneuerbarer Energien und der Energieforschung zahlen. Die Prognose des Bundesverbandes erneuerbare Energien, daß der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromproduktion im Jahr 2020 47 Prozent betrage, hält zu Guttenberg nicht für unrealistisch.

Derweil stehen zahlreiche Projekte von Windparks in der Nord- und Ostsee vor dem Aus. Eigentlich war geplant, bis 2020 Anlagen vor den deutschen Küsten zu bauen, mit zusammen mehr als 10000 Megawatt (MW) Kapazität. Das entspräche in etwa der Leistung von zehn Atomkraftwerken. Allein 2008 hätten Anlagen mit einer Leistung von 1500 MW ans Netz gehen sollen, doch sie sind noch nicht einmal im Bau. Nach technischen Schwierigkeiten und Problemen bei der Netzanbindung drohen mittelständische Offshore-Windparks jetzt an Finanzierungslücken zu scheitern. Derzeit ist keine Bank gewillt, Projekte in einer Größenordnung von beispielsweise 1,3 Milliarden Euro wie beim Windpark Global Tech vor Cuxhaven zu finanzieren, bei denen die Investoren nur 200 Millionen Euro Eigenkapital zur Verfügung stellen. „Keine Bank schultert mehr als 300 Millionen Euro“, so die in dem Bauvorhaben involvierte Wetfeet Offshore. Außerdem werden Versicherungen verlangt, doch die Versicherungsgesellschaften sind vorsichtig bei der Absicherung derartiger Risiken. Und selbst wenn die Finanzierung steht, verstreichen noch Jahre. Allein von der Bestellung bis zur Lieferung eines Seekabels können bis zu zwei Jahre vergehen, die Kapazitäten der zum Bau benötigten Spezialschiffe sind begrenzt.

Auch wenn im Falle einer schwarz-gelben Regierung der Ausstieg vom Ausstieg wahrscheinlich ist, so nutzen die großen Energiekonzerne die Zeit: Eon und RWE haben sich gemeinsam um den Neubau dreier Atomkraftwerke in England beworben. Dort gehört die Politik des Atomausstiegs, wie es sie inzwischen weltweit nur noch in Deutschland gibt, bereits der Vergangenheit an.         R. Bellano


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