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18.04.09 / Rückkehr mit leeren Händen / Barack Obamas Reise nach Europa und in den Irak stieß nicht nur in den USA auf viel Kritik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-09 vom 18. April 2009

Rückkehr mit leeren Händen
Barack Obamas Reise nach Europa und in den Irak stieß nicht nur in den USA auf viel Kritik

Am Bosporus und in Bagdad blies US-Präsident Barack Obama nach seinem Europa-Trip ein kühler Wind ins Gesicht. Anders als in Prag, wo Zigtausende den neuen Präsidenten bejubelt hatten, versammelten sich an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien Tausende Gegendemonstranten mit „Yankee go home“-Schildern.

In Bagdad schwebte die „Air force One“ des Präsidenten unter höchster Geheimhaltung ein. Die Bevölkerung dürfte von dem Besuch des Oberbefehlshabers der US-Truppen nichts mitbekommen haben. Dabei hatte Obama erneut positive Signale in Richtung islamischer Welt gegeben. Die Nachfahren der Osmanen in der Türkei, die für sich eine Brückenfunktion zwischen Okzident und Orient reklamieren, sollten dem Präsidenten bei der Bewältigung der Krisenherde im Irak, Afghanistan, Pakistan und Nahen Osten helfen. Insbesondere der Rückzug der US-Truppen aus dem Irak bis Ende 2010 ist aus amerikanischer Sicht offenbar nur mit Unterstützung der Türkei möglich.

Daher kam Obama den Forderungen Ankaras im Zusammenhang mit der Nominierung des neuen Nato-Generalsekretärs Rasmussen entgegen. Was viele Beobachter als Erpressung der Türken bewerteten, sah Obama als erfolgreiche Diplomatie, die den Nato-Gipfel rettete. In der Türkei angekommen versuchte der Präsident durch den Besuch des Atatürk-Mausoleums Sympathie-Punkte bei der Bevölkerung zu sammeln. Doch diese fühlte sich zwar durch den frühzeitigen Besuch Obamas und dessen Eintreten für eine EU-Mitgliedschaft geehrt. Dennoch bekunden nur neun Prozent der Türken in Umfragen Sympathien für die USA.

Obama scheute sich bei seinem Besuch nicht, den Genozid an den Armeniern 1915 anzusprechen. Dieses Thema ist in der Türkei ähnlich wie die Leugnung des Holocausts hierzulande auch strafrechtlich verfolgbar – nur mit umgekehrten Vorzeichen. Ob tatsächlich eine Aufarbeitung des Massenmords und damit die Aufnahme diplomatischer Beziehung zwischen der Türkei und Armenien gelingt, blieb ebenso offen wie das von den USA erhoffte Engagement der Türkei in den Konfliktregionen Irak und Israel.

Die Kommentatoren in den USA zeigten sich von den Ergebnissen der Reise nicht sonderlich begeistert. Noch vor seiner Rückkehr verglichen sie Obama mit dem in der Außenpolitik so glücklosen Präsidenten Jimmy Carter. Noch nie habe ein Mann im Weißen Haus seine Augen so stur vor der harten und oft unschönen Wirklichkeit der internationalen Machtpolitik verschlossen wie Obama.

Besonders heftig wurde Obama für seine als naiv bezeichnete Vision von einer atomwaffenfreien Welt gescholten, die er in Prag am Tag eines nordkoreanischen Rake-tentests beschworen hatte, zumal Obamas Forderung nach einer entschiedenen Reaktion des UN-Sicherheitsrates wegen des Raketentest erfolglos blieb. Wesentlich bedrohlicher als eine Welt ohne Atomwaffen erscheine den Amerikanern derzeit eine Welt ohne amerikanische Autohersteller, stichelte ein Kommentator.

Obamas Prager Rede stieß auch bei europäischen Beobachtern, die bislang enthusiastisch über den neuen Mann im Weißen Haus berichtet hatten, auf harsche Kritik. In den USA überwog der Einwand, daß diese Rede die Wahlkampfrhethorik von 2008 fortsetze. In Europa stieß dagegen teilweise der gesamte Duktus, aber auch manche Inhalte auf Ablehnung, denn Obama offenbarte Unkenntnis über den Werdegang der europäischen Einigung und die derzeitige euroskeptische tschechische EU-Ratspräsidentschaft. Seine Rede vor der Prager Burg vor 30000 Zuhörern strotzte vor Bezügen auf die böhmische Geschichte, die Obama penetrant mit der tschechischen gleichsetzte. So lobte er die „goldene Stadt“ als ein „lebendes Monument des unbezwingbaren Geistes“ der tschechischen Nation. In Kunst und Wissenschaft, Politik und Literatur hätten „die Tschechen“ Revolutionen vollbracht und dabei stets auf ihrem eigenen Weg bestanden. Nun sei ihr Staat ein „Führer des vereinten Europas“.

Spätestens hier konnten auch die versammelten europäischen Politiker nur noch den Kopf schütteln, während historisch versierte Zuhörer sich wunderten, wie bedenkenlos Obama die deutschen und jüdischen Beiträge zur Kultur der böhmischen Länder den Tschechen zuschrieb. Auch auf das Münchner Abkommen von 1938 spielte Obama an, allerdings mit einer überraschenden Schlußfolgerung. „Großmächte haben euch im Stich gelassen, oder euer Schicksal bestimmt, ohne daß eure Stimme gehört wurde. Ich bin hier, um euch zu sagen, daß die Vereinigten Staaten dieser Nation niemals den Rücken kehren werden“, rief Obama. Das löste zunächst Jubel aus, bis die Tschechen erstaunt feststellten, daß die USA mit dieser Begründung an dem in Tschechien umstrittenen Vorhaben eines Raketenabwehrsystems in Mitteleuropa festhalten wollen. Daß die Großmächte in den böhmischen Ländern im 20. Jahrhundert nicht nur die Tschechen, sondern auch (zweimal) die Sudetendeutschen „im Stich gelassen oder ihr Schick-sal bestimmt haben“, dürfte dagegen weniger beachtet worden sein.

In Amerika bemerkten Kommentatoren, daß Obama nahezu mit leeren Händen zurückgekehrt sei. In London habe es Obama nicht vermocht, die kontinentaleuropäischen Staaten für neue Konjunkturprogramme zu gewinnen. Ähnlich kritisch fiel die Beurteilung hinsichtlich des Engagements für Afghanistan aus. Während die Amerikaner dort die Truppen verstärkt sehen wollen, um der vorrückenden Taliban Herr zu werden, beließen es die Europäer bei eher symbolischer Verstärkung. Dies führe zu einer zunehmenden „Amerikanisierung“ des Krieges in Afghanistan: So wie der Krieg im Zweistromland von der Mehrzahl der Europäer als Bushs „Privatkrieg“ betrachtet und abgelehnt wurde, so drohe der sich zuspitzende Kampf am Hindukusch zum „Privatkrieg“ Obamas zu werden. Hinrich E. Bues

Foto: Kein Gespür für die Feinheiten Europas: Obama weiß zu wenig über den alten Kontinent.


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