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18.04.09 / Gezerre um Moldawien / Kommunistischer Wahlsieg löst Krise aus – Konstellation ähnlich wie im Kaukasus-Konflikt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-09 vom 18. April 2009

Gezerre um Moldawien
Kommunistischer Wahlsieg löst Krise aus – Konstellation ähnlich wie im Kaukasus-Konflikt

Die Parlamentswahl in Moldawien vom 5. April wird neu ausgezählt. Vorangegangen waren heftigte Proteste junger Leute in der Hauptstadt Chisinau gegen den angeblichen 49,5-Prozent-Wahlsieg der Kommunisten. Ein Toter und 270 Verletzte waren dabei zu beklagen.

Bei diesem Konflikt im ärmsten Land Europas hatte Rußland mitgemischt. „Ihre wahre Heimat ist Moldawien, und das gehört zu uns“, tönte es in russischen Zeitungen über die Protestierer in Chisinau. Rumänien sei geradezu der „offiziell anerkannte Feind der Eigenstaatlichkeit Moldawiens“, schrieben die Gazetten, und Rußlands Marschälle verlegten 2800 Mann Spezialtruppen in die von Moldawien abtrünnige Provinz Transnistrien. Dann winkten russische Diplomaten mit dem Zaunpfahl: Das alles „könnte zur Anerkennung Transnistriens“ führen.

Bei der Wahl vom 5. April war eigentlich nichts Außergewöhnliches geschehen: Die Kommunisten fälschten sie genau so schamlos, wie den Urnengang vom März 2005. Damals wie heute schickte nicht nur der Kreml herzliche Glückwünsche zum Wahlsieg; auch die Beobachter der OSZE und aus dem Ausland wollten kein Haar in der Suppe finden. Es war wie nach dem ersten Wahlsieg des Präsidenten Vladimir Voronins 2001, der freie Hand erhielt und von Wladimir Putin kräftig unterstützt wurde. Moldawien wurde ähnlich behandelt wie eine asiatische Ex-Sowjetrepublik.

Die Strategie der EU und der USA war zunächst aufgegangen: Moldawien bleibt russisches Einflußgebiet. Doch diese Rechnung wurde von einigen Tausenden moldawischen Jugendlichen zunichte gemacht, die den angeb-lichen Wahlsieg der Kommunisten zum Betrug erklärten und auf die Straße gingen. Dann ging eine friedliche Demonstration in eine gewalttätige über. Das Parlament und das Präsidialgebäude gingen in Flammen auf, wobei man nie erfahren wird, ob die Brandstifter moldawische Jugendliche oder KGB-Agenten in geheimer Mission waren, die die pro-europäischen Demonstrationen diskreditieren wollten.

193 Demonstranten wurden verhaftet, ein 23jähriger Student vom Polytechnikum erlag am Ostersonntag den Schlägen der Voronin-Schergen. Nun zählt nicht, schrieb ein rumänischer Kommentator im Internet, daß Voronin Rumänien beschuldigt, sich in die inneren Angelegenheiten Moldawiens eingemischt und einen Staatsstreich angezettelt zu haben. Es zählen auch nicht die hektischen diplomatischen Bemühungen und die Rauchbomben Moskaus. Es zählt einzig und allein, daß vor aller Welt Zehntausende auf die Straßen gegangen sind, um für Freiheit zu demonstrieren. Weniger für einen Anschluß an Rumänien als für die Zugehörigkeit zu Europa.

Dieses Europa, das sich sonst bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit so herrlich empört, blieb nun merkwürdig passiv: Britische Fernsehsender brachten gar nichts und kaum ein anderer staatlicher TV-Sender zeigte die Jugendlichen, die den Kugeln und dem Tränengas der Miliz ausgesetzt waren. Selbst Claudia Roth heulte nicht und auch Cem Özedmir war diesmal nicht „betroffen“.

Ab jetzt begann, mit kleinen Schönheitskorrekturen, die Sache ihren Lauf mit der Präzision eines „großen Zapfenstreichs“ zu nehmen. Die EU rief beide Seiten zur Besonnenheit auf, die Militärs rasselten mit den Säbeln, die Diplomaten mit den Aktentaschen, das Ganze geht von forte fortissimo bis pia pianissimo, bis es ganz ruhig wird.

Dennoch hat der Fall Moldawien einige Besonderheiten: Moldawien hatte gute Chancen, näher an Europa heranzkommen. Ließe man dem Konflikt aber freien Lauf, wäre selbst ein Waffengang wie im Sommer 1992 in Transnistrien nicht auszuschließen. Besonders brenzlig würde es, wenn Moldawien mit Unterstützung Rußlands das Nato-Mitglied Rumänien angreifen sollte.

Aber selbst wenn man keine solche Zuspitzung nach Art des Georgien-Konfliktes erwartet, bleibt die Situation prekär. Schon prangert die moldawische Zeitung „Moldova Suverana“ die Wiederbelebung der „Eisernen Garde“ (rumänische Faschisten) und ihrer ultranationalistischen Ideologie in Rumänien an.

Die Ereignisse in Moldawien werden möglicherweise als „Twitter-Revolution“ in die Geschichte eingehen, weil die Demonstranten mit diesen neuen, in Deutschland bisher kaum verbreiteten Mobilfunk-Dienst Kontakt untereinander hielten.             Ernst Kulcsar


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