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18.04.09 / Ahnungslos über Europa

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-09 vom 18. April 2009

Ahnungslos über Europa
von Hinrich E. Bues

Die Tour Barack Obamas durch Europa glich einem Feuerwerk der Hoffnungen, Visionen und Emotionen. Wie ein Messias schwebte Obama mit seiner Frau Michelle durch Europa, bis er in der Türkei und im Irak unsanft in der Realität landete. In Ankara hielten ihm Demonstranten sogar „Yankee-go-home“-Schilder entgegen.

Dem alten Kontinent wollte Obama Führungsstärke und zugleich sein Entgegenkommen zeigen. Den Europäern wollte der Präsident „zuhören“. Wo umgekehrt Obama sprach, war das Erstaunen groß, etwa bei seiner Vision einer atomwaffenfreien Welt. Das hatten zuletzt Linke in den 80er Jahren propagiert, bis der Eiserne Vorhang – auch wegen der amerikanischen Hochrüstung – fiel.

Es offenbart schon ein gehöriges Maß an Unkenntnis der europäischen Geschichte, wenn man in naiver Weise die Hoffnung auf Frieden zwischen der islamischen und christlichen Welt verbreitet. Seit der arabischen Eroberung Spaniens im Jahre 711 befindet sich Europa in der Auseinandersetzung mit der islamisch-arabischen Welt. Der Fall Konstantinopels 1453 und die osmanische Expansion lösten über Jahrhunderte Kriege in Europa aus. Wer das weiß, kann die Forderung Obamas nach Aufnahme der Türkei in die EU nur als realitätsfern bezeichnen.

In Prag präsentierte sich Obama in seiner Freiluftrede wie im Wahlkampf. Seine messiasgleichen Ich-bin-Sätze mögen Jubel bei einer Nation auslösen, die bei ihrer EU-Ratspräsidentschaft vor enormen Problemen steht. Allerdings wußte keiner, an welche Dinge Obama gedacht hat, als er „die tschechische Nation“ so undifferenziert lobte. Waren es die zerstörerischen Hussitenkriege des 15. Jahrhunderts, der „Prager Fenstersturz“, der 1618 den Dreißigjährigen Krieg auslöste, oder die Vertreibung der deutschen Bevölkerung 1945/46 mitsamt den erst kürzlich bekräftigten Benesch-Dekreten?

Die visionäre Sicht amerikanischer Politik stößt in Europa nicht auf die gleiche positive Resonanz wie im Heimatland Obamas. Europa ist ein von Kriegen und politischen Heilsbringern gebeutelter Kontinent und steht daher einem naiven Fortschrittsoptimismus skeptisch gegenüber. Zu präsent sind die Kriege, die nationalistische und sozialistische Heilsbringer auslösten. Obama mag man es nachsehen, daß er die Erfindung des Automobils kurzerhand nach Amerika verlagerte, bei dem schwierigen Miteinander der europäischen Länder helfen allerdings keine geschichtsvergessenen Forderungen.

Amerikanischen Touristen mag es genügen „Europe in five days“ zu absolvieren. Ein US-Präsident, der wirklich Europa und die Konflikte dieses Kontinents verstehen will, muß sich dafür mehr Zeit nehmen, um wirklich zuzuhören, bevor er mit realitätsfernen Visionen daherkommt.

Foto: Verwundert stellte der US-Präsident Obama fest, daß seine visionären und pathetischen Reden bei den Europäern weniger Eindruck machen als in den USA: Selbst dort wunderten sich viele Kommentatoren über Obamas „Wahlkampf-Rhethorik“.


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