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18.04.09 / Als der Staat den Luxus reglementierte / Nicht zu allen Zeiten durfte man protzen, wenn es der Geldbeutel ermöglichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-09 vom 18. April 2009

Als der Staat den Luxus reglementierte
Nicht zu allen Zeiten durfte man protzen, wenn es der Geldbeutel ermöglichte

Ein Unterschied mußte sein zwischen den Ständen. Unvorstellbar, wenn Magd oder Knecht sich wie die Herrschaft kleiden würden. Solchen Anwandlungen mußte ein Riegel vorgeschoben werden. In Deutschland bediente man sich dazu sogenannter Verordnungen gegen Luxus und Kleiderpracht. Zwischen dem 14. und dem 17. Jahrhundert wurden sie allenthalben erlassen.

Preußen verbot 1387 generell das Tragen von Stoffen, in denen Seide verwebt war. Ebenfalls Preußen untersagte 1521 Handwerksgesellen, eine Kappe aus Marderfell zu tragen, da dieser Pelz höheren Ständen vorbehalten sei. In Thorn verbot der hohe Rat der Stadt 1464 spitze Schuhe, die er als ein Zeichen von übertriebenem Luxus ausmachte. Danzig erließ eine Hochzeit- und Kleiderordnung, um der allgemeinen „Putzsucht“ Einhalt zu gebieten.

Gegenwärtig, da allenthalben und überall Gerechtigkeitslücken beklagt werden, erstaunen die Begründungen, mit denen Bescheidenheit bei den Bürgern angemahnt wurde. Die Luxusverordnung der Hansestadt Lübeck von 1619 begründet die Notwendigkeit einer solchen Bestimmung so: „Nachdem in allen Landen und Städten Gott der Allmächtige es also verordnet, daß ein unterscheidt der Stände und Personen seyn muß, ohne welchen kein wohlbestalltes Regiment erhalten werden kann, also hat diese gute Stadt ihre unterschiedene Stende und seyn unter der Bürgerschaft mancherley Companeyen, Zünffte, Bürgerschaffte, grosse und kleine Empter, auch geringere Gesellschaft und Collegia, so alle nach dieser Stadt wohlhergebrachten, löblichen Gebrauch und vorigen Ordinantzien unterschiedlich abgetheilet worden, nach welchem Unterscheid auch diese Ordnung ist gerichtet.“

Es sollte also nicht auf den kleinen Unterschied ankommen, sondern auf einen deutlich sichtbaren. Die vornehmsten Familien in den Hansestädten Lübeck und Bremen konnten sich schließlich auf ein kaiserliches Privileg aus dem 14. Jahrhundert berufen, das ihnen ausdrücklich erlaubte „gold und bunt“ zu tragen. Und was in der führenden Stadt des Hansebundes galt, nahm man in den Hansestädten entlang der Ostseeküste selbstverständlich ebenfalls in Anspruch: Die vornehmsten Familien waren gewissermaßen von Adel, auch wenn es den mit Rang und Titel in den Bürgerstädten nicht gab.

Zur absoluten Spitze der städtischen Gesellschaft gehörten die Mitglieder der Junkerkompagnie oder Zirkelgesellschaft. Deren Mitgliedschaft war nicht zu erwerben, sondern nur zu ererben. Nur wessen Vorfahren bereits diesem erlauchten Kreis angehörten, konnte Aufnahme erwarten. Die meisten von ihnen waren nicht mehr darauf angewiesen, ihr Geld durch Handel zu verdienen. Sie hatten sich auf ihre Güter rund um die Stadt zurückgezogen. So kam die städtische Oberschicht (ohne Adelstitel) verstärkt in Kontakt mit dem ländlichen Adel (mit Titel). Dabei wetteiferten die Reichen aus Danzig und Lübeck mit dem Landadel, wer besser gekleidet ging. Meist konnten die Städter das für sich in Anspruch nehmen, sie waren einfach wohlhabender. Allerdings war es nicht in jedem Fall möglich, das Vermögen dermaßen zu zeigen. Von den 100 Paar Stiefeln, die der Danziger Ratsherr Otto Angermünde 1483 in seinem Testament vermachte, hatte auch er immer nur ein Paar zur gleichen Zeit tragen können.

Besonders prächtig wirkten glänzende Stoffe, weshalb Brokat, Damast und Atlas zwar sehr begehrt, aber kaum erschwinglich waren. Tuche aus Flandern waren nicht ganz so teuer, standen aber ebenfalls hoch im Kurs. So machte der Rat der Stadt Elbing 1423 eine weiße Hose aus Flandrischem Tuch zum herzoglichen Gastgeschenk. Als 1478 Herzog Albrecht von Sachsen Lübeck besuchte, da putzte man die Damen der Gesellschaft besonders fein heraus. Am ersten Tag des Besuchs trugen alle ein rotes Kleid, am zweiten Tag alle ein weißes Kleid (rot-weiß sind die Farben der Stadt). Der Herzog zeigte sich davon dermaßen beeindruckt, daß dieser Tatbestand ausdrücklich im städtischen Eidebuch vermerkt wurde.

So lange sich nur die Herrschaften von Stand so prächtig kleideten, war die Welt in Ordnung, da bedurfte es keiner Verordnung gegen Luxus und Kleiderpracht. Als aber das Volk entdeckte, daß man sich auch mit einfachen Mitteln herausputzen kann, wurde die Sache kritisch. Es genügte schließlich, in die Säume der Kleider Verzierungen zu schneiden. Die Mode der „gezaddelten Leibchen“ griff dermaßen um sich, daß auch sie Anlaß zu Kleiderverordnungen gaben.

Die Stadtväter sorgten sich, die allgemeine Putz- und Vergnügungssucht könne zur Verarmung führen, weil die Bürger sich mehr leisteten, als sie bezahlen könnten (was dem Menschen der Gegenwart einigermaßen bekannt vorkommen dürfte). Darum begründeten die Ratsherren in Lübeck die Verordnung von 1619 auch so: Es seien „Mißbreuche und Unordnung eingerissen, wodurch nicht allein die gemeine Bürgerschaft in mannigfaltige unnötige Unkost geführet, der Jungen Eheleute vermügen sehr geschwechet, auch allerhand ungelegenheit und beschwerungen in der Haußhaltung und Handlung, insonderheit bey diesen gantz teuren und nahrlosen Jahren entstanden, sondern auch Gott der Herr zu Zorn und Straffe verursachet wird.“

Seitdem der Rat durch den Erlaß von Luxus- und Kleiderverordnungen versuchte, die anwachsende Verschwendungssucht einzudämmen, waren die sogenannten Spielgreven gehalten, auf die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften zu achten. So sollten diese Obmänner der Spielleute insbesondere bei Verlobungen, Hochzeiten, Kindstaufen oder Beisetzungen darauf achten, daß nicht zuviel Aufwand betrieben wurde. Sie prüften, ob nicht zu üppig aufgetischt wurde, ob die Zahl der Gäste nicht zu groß war. Und schließlich hatten sie eine vollständige Liste mit den Namen der Gäste beim zuständigen Senator abzuliefern.

Ob es wirklich etwas genutzt hat, darf bezweifelt werden. Der schlesische Geistliche Adam Samuel Hartmann bescheinigte 1657 zwar den Lübeckern „Das mansvolck ist bescheiden, das frauvolk träget sich erbahr in den werktagen“, aber was er bei Hochzeiten beobachtete, das empörte den Gottesmann doch sehr: „Auch ist eine unsägliche pracht an Kleidern zu sehen, wann sie auff die Hochzeit gehen, da sich manche mit großen, dicken güldenen ketten also behangen, daß man kein wambschen oder kragen sehen kann. Daß haupt mut mitt perlen und ungewöhnlich schönen suptilen grossen spitzen geputzt sein. Schnüren sich mit silbernen kettlein, sehr breit.“

Da hat der vom Rat bestellte Aufpasser wohl nicht richtig aufgepaßt. Verstöße gegen die Verordnung gegen Luxus-Kleiderpracht wurden geahndet. Und da hat die Statistik dann noch eine Überraschung parat: Bußgelder wurden überwiegend gegen Angehörige der wohlhabenden Stände verhängt, nicht gegen die kleinen Leute. Unterschiede gab es ohne amtliche Kleiderordnung.            Klaus J. Groth

Foto: Michael Conrad Hill porträtierte 1642 mit Margarete Brömsen eine Angehörige des städtischen Adels: Niederen Ständen verbot die Verordnung gegen Luxus- und Kleiderpracht eine derartige Pracht.


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