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18.04.09 / Streit um die »Ostsee-Festung« / Die geplante Regierungsresidenz in Neukuhren sorgt für böses Blut – 80 Wohnungen abgerissen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-09 vom 18. April 2009

Streit um die »Ostsee-Festung«
Die geplante Regierungsresidenz in Neukuhren sorgt für böses Blut – 80 Wohnungen abgerissen

Rußlands Präsidenten haben die Schönheiten Ostpreußens ent­deckt. Seit Herbst 2008 wird in Neukuhren eine luxuriöse „Regierungsresidenz“ gebaut. Unter den Anwohnern gibt es Ärger.

Die Bauarbeiten sind in vollem Gange. Wo noch vor wenigen Monaten eine Siedlung für ehemalige Militärangehörige stand, ist heute alles planiert. Schon vor Beginn der Arbeiten bahnten sich Schwierigkeiten mit den Bewohnern der rund 80 abgerissenen Wohnungen an. Die meisten wollten das Militärstädtchen nicht verlassen. Besonders betroffen waren die Bewohner von drei Häusern auf dem Areal der geplanten Präsidentenresidenz, „nur 20 Schritte vom Meer entfernt“, wie es in einem Zeitungsbericht heißt. Der Bauplatz befindet sich in bevorzugter Lage mitten im Kiefernwald.

Der repräsentative, um nicht zu sagen protzige Regierungsbau, der noch unter der Ägide Wladimir Putins als „Residenz des Präsidenten“ konzipiert wurde, taucht in den Bebauungsplänen nur noch unter der Bezeichnung „Regierungsresidenz“ auf. Bis Ende 2010 soll auf 24 Hektar ein Komplex mit mehreren Gebäuden entstehen, unter anderem mit einem Schloß als Hauptgebäude, einer Residenz für das russische Außenministerium und einem Yacht-Hafen mit Anlegestelle für Boote der Küstenwache. Die Neukuhrener sprechen wegen der Dimension und der Sicherheitsvorkehrungen der Anlage bereits von einer „Ostsee-Festung“.

Hintergrund für die Errichtung einer Präsidentenresidenz war die Entdeckung des nördlichen Ostpreußens als Treffpunkt für Gipfelgespräche. 2005 fand in Rauschen ein vorbereitendes Dreiertreffen zwischen Putin, Schröder und Chirac zum G 8-Gipfeltreffen statt. Das Ostseebad Rauschen war neben Neukuhren in der näheren Auswahl als Standort des Regierungsbaus. Schon Anfang der 90er Jahre war Moskau auf Neukuhren aufmerksam geworden. Die Jelzin-Regierung verfolgte vorhandene Pläne zur Nutzung Neukuhrens jedoch nicht weiter. Erst Ende 2006 beschloß Putin, auf der Kurischen Nehrung eine Repräsentanz einzurichten. Damals waren die Anwohner noch begeistert, weil sie damit rechneten, neben einer verbesserten Infrastruktur einen wirtschaftlichen Aufschwung in ihrer Region zu bekommen.

Auf die Proteste der Anwohner nahmen die Verantwortlichen nun keine Rücksicht. Wer mit der angebotenen Ersatzwohnung unzufrieden war, wurde laut „Nesawissimaja gazeta“ massiv unter Druck gesetzt. Die Verwaltung von Neukuhren habe ihnen Dokumente vorgelegt, in denen sie mit ihrer Unterschrift bestätigen sollten, „freiwillig“ umzuziehen.

Einige der Zwangsumgesiedelten zogen vor Gericht, weil sie sich in ihren Rechten beschnitten fühlten. Wie der Fischereiarbeiter Wladimir Lawnik, der vor zehn Jahren eine Wohnung am Meer gekauft hatte. Ihm hatte man eine renovierungsbedürftige und untapezierte Ein-Zimmer-Mansardenwohnung angeboten. Der alleinerziehenden Mutter Aida Romanowa hatte die Behörde auch nur eine Ein-Zimmer-Wohnung zugeteilt, obwohl ihr laut Gesetz eine Zwei-Zimmer-Wohnung zugestanden hätte. Im Fall der Familie Radewitsch lag offenbar ein Behördenirrtum vor: Weil der Ehemann bei einer Einwohnerzählung des Militärstädtchens auf Dienstreise war, sollte die Familie in eine 40-Quadratmeter-Wohnung umziehen. Doch anstatt der Familie unbürokratisch zu ihrem Recht zu verhelfen, schoben die Behörden den Fall hin und her. Viktor Radewitsch, der in der Russischen Armee dient, wandte sich schließlich an Präsident Medwedew mit der Ankündigung, falls seine Familie obdachlos werde, werde er sie so verteidigen, wie seit 27 Jahren die Grenze Rußlands.

Den Bau der Residenz werden diese Proteste allerdings nicht aufhalten können: Seit Herbst vergangenen Jahres wird in Neukuhren gebaggert und planiert. Manuela Rosenthal-Kappi

Fotos: Neukuhren einst und jetzt: Wo früher Fischer und Touristen die Schönheiten des Samlands genossen (r.), wird nun eine standesgemäße Residenz für die „Herrscher aller Reußen“ geschaffen (l.).


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