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18.04.09 / Retusche in Rom und Sparta / Das Rheinische Landesmuseum zeigt eine Ausstellung zur Darstellung des Alters in der Antike

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-09 vom 18. April 2009

Retusche in Rom und Sparta
Das Rheinische Landesmuseum zeigt eine Ausstellung zur Darstellung des Alters in der Antike

Im Jahr 2007 feierten allein in Deutschland 5120 Menschen ihren 100. Geburtstag. In vielen Ländern Europas macht der Anteil der über 65jährigen inzwischen etwa 20 Prozent aus. Eine Entwicklung, die nicht nur Demographen graue Haare verursacht. Das Rheinische Landesmuseum in Bonn beschäftigt sich in der Ausstellung „Alter in der Antike“ mit einer besonderen Sicht auf diesen Lebensabschnitt.

„Wir werden nicht älter, sondern knackiger“, schmunzelte der Physiotherapeut, als er an dem Arm der Patientin zog und sich ein leises Knacken vernehmen ließ. „Es ist doch komisch, da wollen alle Leute älter werden, aber nicht alt sein“, sinniert er noch. In der Tat: Selbst im modernen Sprachgebrauch findet sich das Wort „alt“ kaum noch. Man spricht von Senioren oder von der Generation 50 plus, so als wolle man ein Unheil nicht heraufbeschwören. Das hat schließlich auch Auswirkungen auf die Senioren selbst. Dem Idealbild des rüstigen Rentners, das auch in der Werbung propagiert wird, joggen mittlerweile beide Geschlechter hinterher. Fit und gesund wollen alle aussehen. Und nicht erst seit es Bildbearbeitung mit Photoshop gibt, schummeln die Menschen bei Porträts: Schon in der Antike verschönerte man die Bildnisse, indem man Falten wegretuschierte und Muskeln aufpumpte.

Die Ausstellung „Alter in der Antike – Die Blüte des Alters aber ist die Weisheit“ erzählt die Geschichte des Alters. Gleich am Eingang der Ausstellung werden die Besucherinnen und Besucher von einer Sphinx, wie einst die griechische Sagengestalt Ödipus, mit einem Rätsel konfrontiert: „Was ist es, das am Morgen auf vier Beinen geht, am Mittag auf zwei und am Abend auf drei?“ Ödipus wußte die Antwort: „Der Mensch. Als Kleinkind krabbelt er auf allen vieren, als Erwachsener wandert er aufrecht auf zwei Beinen, im Alter benötigt er einen Stock.“

Dieser Einstieg stimmt die Besucherinnen und Besucher auf die zahlreichen Facetten des Alters ein. In der Sagenwelt, in den Bildnissen alter Philosophen, in den Heilmitteln gegen das Altern und im Vertuschen von Alterszügen wird die Auseinandersetzung mit einem Abschnitt des menschlichen Lebens deutlich, in dem die meisten Menschen sich eines Tages wiederfinden werden.

In der griechischen und römischen Kunst mit seiner Fülle von Statuen sportlicher junger Männer und Frauen, die Aphrodite ähneln, stellten Darstellungen alter Menschen die Ausnahme dar.

Schon damals bedeuteten faltenreiche Gesichter und hinfällige, gebeugte Körper für Frauen und Männer nicht dasselbe. Auch gibt es kulturelle Unterschiede in der Bewertung des Alters. So hatten Altersdarstellungen in der griechischen Kultur einen eher negativen Stellenwert als in der römischen, betonen die Ausstellungsmacher.

Unter bestimmten Voraussetzungen war es sogar sehr erwünscht, alte Menschen in Marmor zu hauen. So zeigt eine Büste des Aristoteles aus dem Jahre 320 auf der Stirn des Philosophen zwei deutliche Wellenlinien. Mit der wahrheitsgetreuen Abbildung realer Altersrunzeln hatte das wenig zu tun. Die beiden Linien signalisieren die typische berufsbedingte Denkerfalte. Ein bezeichnendes Werk der Ausstellung ist auch ein Kopf der Livia, der Gemahlin des römischen Kaisers Augustus. Die edle Dame gab dieses Porträt frühestens 14 nach Christus in Auftrag, da war sie 70 Jahre alt. Das steinerne Bild der Livia zeigt wunderbarerweise glatte Haut. Bei genauem Hinsehen jedoch sind Fettpolster zu entdecken, auch ist der Mund eingefallen, so wie bei einer alten Frau. Der Bildhauer hat einfach nur die Falten weggelassen. Antiker Photoshop, sozusagen.

Immer wieder finden sich in der Ausstellung Bezüge zur Gegenwart, werden Fragen aufgeworfen, die gerade mit Blick auf die ständig wachsende Bevölkerungsgruppe der Senioren von besonderer Relevanz sind. So gab es in der Antike schon „Anti-Aging-Experten“. Der berühmte römische Arzt aus dem 2. Jahrhundert nach Christus, Galenus von Pergamon, em-pfahl den maßvollen Genuß von Wein und längere Spaziergänge – und lag damit gar nicht so falsch, wie moderne Kollegen bestätigen. Doch im Gegensatz zu unserer modernen Gesellschaft war die antike Gesellschaft vergleichsweise jung, lag doch die durchschnittliche Lebenserwartung nur zwischen 20 und 30 Jahren. Der Anteil alter Menschen wird auf nur fünf bis zehn Prozent geschätzt. Und so spiegelt die antike Kunst diese junge Gesellschaft wider. Philosophen, Dichter und Herrscher werden allerdings im Alter dargestellt, galt doch der Rat der Alten in der Antike noch etwas. In Sparta gab es die „Gerusia“, den Ältestenrat, ein Verfassungsorgan, dem verdiente Bürger der „Generation 60 plus“ angehörten. Aus der Oberschicht rekrutierten sich auch die Philosophen und Dichter, die wegen ihrer Altersweisheit geschätzt wurden. Die Büsten von Homer oder Aristoteles in Bonn prunken daher mit Krähenfüßen, eingefallenen Wangen oder auch schütterem Haar.

Der Begleitband zur Ausstellung beschäftigt sich nicht nur mit den Schattenseiten des Alterns. Experten verschiedener Fachrichtungen berichten über alte Menschen und Götter in Mythos und Literatur, über die Veteranen der römischen Armee, über den Greis als Stereotyp in der griechischen Komödie oder über antike Geriatrie und philosophische Ansichten über das Alter und seine Verfallserscheinungen. In den Bildnissen von Philosophen, in Heil- und Wundermitteln gegen das Älterwerden und im Vertuschen von Alterszügen durch Schminke und Magie spiegelt sich die frühe Auseinandersetzungen mit diesem Abschnitt des Lebens.  S. Osman

Die Ausstellung im Rheinischen Landesmuseum, Colmantstraße 14–16, Bonn, ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt 5 / 3,50 Euro, Katalog 192 Seiten, 93 Abbildungen, 12,80 Euro (im Museum), 19,90 (Buchhandel).

Foto: Porträts zweier Frauen in der Antike: Livia (links), die Gattin des Kaisers Augustus, aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. und der Kopf einer Unbekannten aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. Während die eine alterslos dargestellt wird, zeigt die andere deutliche Spuren des Alters.


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