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25.04.09 / Wahlkampf ohne echte Wähler / 1224 von den Parteien Auserwählte entscheiden, wer nächster Bundespräsident wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-09 vom 25. April 2009

Wahlkampf ohne echte Wähler
1224 von den Parteien Auserwählte entscheiden, wer nächster Bundespräsident wird

Das Superwahljahr 2009 macht auch vor dem höchsten Staatsamt nicht halt: Nach Hessen, aber noch vor dem EU-Parlament, drei weiteren Landtagen sowie abschließend dem Bundestag wird am 23. Mai der Bundespräsident neu gewählt. Und anders als zuvor gibt es diesmal einen regelrechten Wahlkampf  (siehe auch Kommentar Seite 8) ums Schloß Bellevue.

Die meisten Bundespräsidenten haben sich jovial und betont volksnah gegeben. Karl Carstens wanderte mit jedem, der wollte, durch die Republik, Walter Scheel sang im Fernsehen und in Chören „Hoch auf dem gelben Wagen“, und Heinrich Lübke wirkte teilweise unfreiwillig komisch („Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger“) – und auch deshalb sympathisch.

Aber so bewußt wie Horst Köhler hat sich wohl noch kein Bundespräsident unters Volk gemischt: Auf „Regionalbesuchen“ durch die Bundesländer steigt er dieser Tage mit seiner Frau Eva Luise auf Berge, besucht Fabriken und Schulen, läßt sich auf Marktplätzen feiern, lauscht Stadtkapellen, redet mit Bürgern, Kommunalpolitikern, Polizisten, streicht Kindern übers Haar, spricht Unternehmern und Arbeitern Mut zu, diskutiert mit örtlichen Politikern, Umweltschützern, Globalisierungskritikern und Studenten, hält aber auch eine aufrüttelnde „Berliner Rede“ zur Finanz- und Wirtschaftskrise, die manche Kommentatoren als beste Rede zu diesem Thema bezeichneten.

Ungewöhnlich deutlich und engagiert äußerte Köhler – einst rhetorisch wenig brillant – dabei deutliche Kritik an den Auswüchsen des Turbokapitalismus, die zu der momentanen Krise geführt haben: Er geißelte das kurzfristige Profitstreben, mahnte strenge Regeln an und erklärte die Krise zur Chance eines Neuanfangs. Er gab zu, als früherer IWF-Chef mit Vorstößen für entsprechende Regeln gescheitert zu sein. Schon Köhlers früheres Wort von der Globalisierung, die zum „Monster“ werden könne, hatte mancher Sozialdemokrat als Anbiederung interpretiert. Aus der SPD schallt es nun, Köhler habe in der Berliner Elisa-bethkirche eine „Catch-all-Rede“ gehalten. Der Bundespräsident als Wahlkämpfer?

Natürlich ist das Wahlkampf, wenn auch ein sehr subtiler. Er demonstriert gern, daß ihm die Herzen zufliegen. Und tatsächlich: Laut Infratest Dimap käme Köhler bei einer (hypothetischen) Direktwahl auf volle 70 Prozent, seine SPD-Herausforderin Gesine Schwan landete weit abgeschlagen bei 14 Prozent, der PDS-Kandidat Peter Sodann, der sich auf peinlich-clowneske Einlagen beschränkt, bei vier Prozent. Offenbar goutieren die Bürger Köhlers nachdenkliche, offene Art, aber auch die unkonventionelle Weise seiner Amtsführung: Wenn er Bedenken gegen ein Gesetz hat, macht er es nicht so wie seine Amtsvorgänger und unterschreibt mit Magengrimmen, sondern äußert seine Kritik – und weigerte sich unter anderem, das Luftsicherheitsgesetz zu unterschreiben.

Doch Gesine Schwan gibt sich nicht geschlagen. Sie betreibt den Präsidenten-Wahlkampf ganz offen; statt der Köhlerschen präsidialen Samthandschuhe legt sie eher Partei-Bandagen an und attackiert in Interviews Köhler und die CDU direkt: „Meinem Eindruck nach nimmt er eine Erosion der Demokratie in Kauf“, kritisiert sie Köhler in der „Zeit“.

Selbst eine Verfechterin des politischen Säbels, kritisiert Schwan bereits Köhlers Florett als zu wuchtig: „Wenn ein Bundespräsident immer wieder zu aktuellen Streitfragen Stellung bezieht, besteht die Gefahr, daß das, was das Staatsoberhaupt sagt, nicht ernst genommen wird. Das ist schon jetzt zu beobachten“, so Schwan in der „Aachener Zeitung“. Der Graben zwischen Politik und Gesellschaft sei durch Köhlers Amtsführung eher vertieft als überbrückt worden, behauptet sie. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnet Schwan, einmal in Schwung gekommen, als „führungsschwach“, der CDU wirft sie eine „aversive Politik gegen Einwanderer“ vor.

Doch trotz Schwans bislang beispielloser Kampagne und der eindeutigen Umfragewerte wird es in der Bundesversammlung am 23. Mai knapp zugehen. Union und FDP haben keine eigene Mehrheit unter den 1224 Wahlmännern, und selbst mit den zehn Freien Wählern aus Bayern – falls sie denn geschlossen Köhler wählen – ist die Mehrheit mit zwei Stimmen hauchdünn. Schwan wiederum umwirbt offen die Wahlmänner der PDS-Linkspartei. Droht da eine rot-rot-grüne Präsidentin?

Doch möglicherweise hat sie die Rechnung ohne das Eigenleben der SPD gemacht: Einige Sozialdemokraten könnten Schwan nämlich von der Stange gehen. „Horst Köhler macht eine gute Arbeit“, befand sogar SPD-Fraktionschef Peter Struck in der „Frankfurter Rundschau“. Die gefühlte Zustimmung der SPD zu Köhler spiegelt auch die Infratest-Dimap-Umfrage wieder: Nur 20 Prozent der SPD-Anhänger würden für Schwan stimmen, 66 Prozent für Köhler. Doch wie sagt Gesine Schwan so schön: „Die Mehrheit ist nicht die Wahrheit.“      Anton Heinrich

Foto: Beliebt: Dürfte das Volk entscheiden, würde Horst Köhler zweifellos Bundespräsident bleiben.


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