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25.04.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-09 vom 25. April 2009

Das Gefühl Merkel / Wie nun endlich der Wahlkampf losgeht, warum die Kanzlerin den Nebel liebt, und wieso Horst Seehofer so ins Schwitzen kommt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Endlich ist Schluß mit dem falschen Getue, endlich ist Wahlkampf! Es war nicht mehr zum Aushalten: Da saßen sie in steifer Runde am Koalitions­tisch und blinzelten sich verstohlen an, als sei alles eitel Sonne und drehe sich allein „um unsere gemeinsame Verantwortung“. Unter der Decke hingegen quälten sie sich mit glühenden Eisen. Die Schwaden verschmorter Harmonie nahmen den Kommentatoren den Atem zum deftigen Kommentieren. So lasen wir immer nur den monotonen Satz: „XY legte Wert darauf, daß seine Äußerungen nicht als Wahlkampf zu verstehen, sondern allein der gemeinsamen Verantwortung  geschuldet seien.“ Die Phrase hörten wir seit Herbst 2008 in tausend Variationen, alle gleichermaßen langweilig.

Aber nun ist Schluß damit, jetzt geht es los, seit Franz Müntefering seinen Kanzlerkandidaten im Berliner Tempodrom vorgeführt hat. Als Münte seinen Steinmeier aufs Rednerpodest bat, wirkte der würdig gereifte SPD-Chef wie ein stolzer Vater, der der weitläufigen Verwandtschaft seinen strebsamen Zögling präsentiert: Seht mal! Ist der nicht niedlich? Vielleicht nicht der Schlaueste, aber fleißig für drei! Aus dem wird bestimmt mal was, später, wenn er groß ist.

Wie der Nachwuchs nunmal ist, will Frank-Walter Steinmeier aber jetzt schon wie ein Großer sein, das heißt für ihn: wie Schröder, so vom Gehabe her. Den hatte er viele, viele Jahre begleitet und sich bei dem alten Hallodri abgeguckt, wie man kanzlert. Deshalb prallen auch alle guten Ratschläge am Außenminister ab: Durchaus Wohlmeinende haben den SPD-Kandidaten mehr als einmal bekniet, diese Schröderei sein zu lassen und seinem eigenen Stil zu folgen.

Wir wollen Steinmeier ohne weiteres abnehmen, daß er seinen eigenen Stil emsig gesucht hat, faul ist er bekanntlich nicht. Doch vermutlich hat er ihn zwischen den Aktendeckeln seiner Ministeriallaufbahn nicht gefunden. Also schrödert er sich so durch.

Freunde des echten Schröder monieren, daß ausgerechnet sein Adept Steinmeier von der Neue-Mitte-Agenda-Politik abrücke, die doch Gerhards Vermächtnis war. Ruhig Blut: Daß der Schröder damals auf Fordern und Fördern und Liberalisieren gemacht hat, lag rückblickend betrachtet eher an der äußeren Windrichtung jener Zeit als an seinen inneren Neigungen. Als „Agenda“ zum Schimpfwort erklärt wurde, konnte Schröder die Vokabel von einem Tag auf den anderen nicht mal mehr aussprechen. Er gehört zu jenen Könnern, die immer fünf Asse im Ärmel haben und nur mit ihren eigenen Würfeln spielen.

Ob Steinmeier das auch kann? Immerhin hat er saftig auf sozialistisch gemacht im Tempodrom, dabei aber zumindest den größten roten Blödsinn, die Vermögensteuer, in der ersten Kurve vom Wagen geschubst. Das zeigt, daß er mit den berüchtigten „Befindlichkeiten“ einigermaßen umgehen kann.

Die herausgeforderte Kanzlerin hat es dabei noch viel leichter. Angela Merkel geht nicht mit Befindlichkeiten um, sie ist selber eine. Die Deutschen mögen ihre Kanzlerin irgendwie. Weshalb genau, ist nicht recht herauszubekommen. Wer nachfragt, was denn so gut sei an der Regierungschefin, bekommt Antworten von solcher Schwammigkeit, daß sie nur aus dem Urgrund des Unterbewußtseins stammen können. Sie mache die Sache doch recht gut, halte das Staatsschiff ruhig, sei angenehm uneitel und bübisch gerissen, wenn es drauf ankommt.

Eine Erklärung für Merkels Popularität ist das alles nicht wirklich. Vielleicht sind es die anderen Staatslenker, die Merkel im Kontrast so wohlig wirken lassen: Die Bushs und Obamas, Sarkozys, Berlusconis oder Putins – alle­samt welche, die gern auf charismatisch, auf starker Mann machen. Selbst der Brite Brown hat das versucht.

Die Deutschen haben ihre Schwierigkeiten mit hochfahrenden, starken Männern. Man sagt, das liege an der NS-Erfahrung. Das ist (wie üblich, wenn jemand seine Theorie mit einem NS-Abgleich begründet) vermutlich Quatsch. Das war nämlich schon früher so: Selbst einen größten der Großen, Friedrich II. von Preußen, schlossen seine Landeskinder erst so richtig ins Herz, als die Zeit der siegreichen Kriege und atemberaubenden Reformen längst vorbei war. Als aus dem strahlenden jungen König der „Alte Fritz“ geworden war, der gichtgeplagte, einsame Mann von Sanssouci, in dessen Reich Berechenbarkeit und umsichtiger Fortschritt herrschten, ganz anders als im vorrevolutionär aufgewühlten Frankreich oder im rabiat kapitalistischen Britannien.

Die Kanzlerin baut darauf, daß das „Gefühl Merkel“ genau das sein wird, was sich die Deutschen in der Krise wünschen, wenn es überall kracht und pfeift und sich die Straßen mit Menschen füllen, die um ihre Existenz fürchten. Daher hat sie es auch überhaupt nicht eilig, der SPD jetzt mit einem Gegenprogramm in die Parade zu fahren. Merkel liegt es eher, ein wenig aus dem Nebel zu agieren, je undeutlicher die Positionen, desto leichter kann man sie verändern. Die Wahlkämpfer der Union haben es dementsprechend schwer, auszudrücken, wofür sie eigentlich stehen.

Das treibt vor allem der CSU den Schweiß auf die Stirn. Erst Ende Juni, so der Plan, sollen CDU und CSU ihr gemeinsames Wahlprogramm verkünden. Du liebes Bißchen! Das ist rund drei Wochen nach der Europawahl! Zur Erinnerung: Beim EU-Urnengang am 7. Juni müssen die Christsozialen nur in Bayern so viele Stimmen holen, daß sie bundesweit gezählt über fünf Prozent kommen. Sonst droht im EU-Parlament das Aus für sie. Eine unsagbare Blamage.

Sprachlich galoppiert CSU-Chef Horst Seehofer daher durch die Gefilde der linken Mitte, um dort Kreuze zu erbeuten: Die „Zeiten des Marktradikalismus“ seien „vorbei“ giftet der Christsoziale, mit den „Auswüchsen des Spekulationskapitalismus“ müsse Schluß gemacht werden. Horst Seehofer hat wirklich Angst vor der SPD, die ihrerseits kaum schlafen kann wegen der Linkspartei.

Ironischerweise sind es allerdings die Dunkelroten, die sich am meisten ärgern dürften. Das Schlachtfeld der verbalen Kapitalismusverfemung ist mit den Stein­brücks und Seehofers dermaßen vollgestopft, daß die Post-SEDler gar nicht mehr aus ihren Stellungen kommen.

Hier rächt sich zudem der leichte Zugang zur Macht, den man den Ultralinken gewährt hat, an ihnen selbst. Es wäre doch eine gute Idee, wenn die Postkommunisten sich jetzt die Staatsbanken wie KfW oder Landesbanken vorknöpften. Im Rausch der Renditen haben sie am schlimmsten mitgepokert und Steuerzahlermilliarden in Rauch verwandelt. Könnte man da nicht die verantwortlichen Politiker durch den Wolf drehen? Könnte man, wenn im Verwaltungsrat der KfW nicht ausgerechnet ein gewisser Oskar Lafontaine säße, der genauso fest geschlafen hat.

Aber es gibt ja noch die „Reichen“ und die Aktienbesitzer. Die werden jetzt durch die Propagandatexte gejagt. Daß allein bei den „Reichen“ auch mit drastisch erhöhten Spitzensteuern nicht annähernd genug zu holen ist, um die Ausgabenflut zu finanzieren, weiß jeder. Schlußfolgerung: Weil es nicht reicht, wird die Grenze zum „Reichsein“ solange nach unten verschoben, bis man mitten in der Mittelschicht angekommen ist. Selbstredend kein Thema für die Zeit vor der Wahl, doch im kommenden Jahr werden wir ja sehen. Und die Aktienbesitzer? Die werden sowieso immer weniger. Und wenn Frank-Walter Steinmeier erfolgreich ist, wird es bald überhaupt keine privaten Aktionäre mehr geben. Warum auch? Bei Hedgefonds und anderen „Heuschrecken“ werden die Anteile deutscher Unternehmen ohnehin viel professioneller genutzt als bei privaten Kleinaktionären. Und den „Heuschrecken“ wäre eine Börsenumsatzsteuer herzlich egal. Die rechnen anders.


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