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02.05.09 / Ost-Berliner stoppen Pro Reli / Volksbegehren abgelehnt: Ethik-Unterricht bleibt Pflicht, Religion nur als Zusatz möglich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-09 vom 02. Mai 2009

Ost-Berliner stoppen Pro Reli
Volksbegehren abgelehnt: Ethik-Unterricht bleibt Pflicht, Religion nur als Zusatz möglich

Das Volksbegehren „Pro Reli“ ist mit 48 zu 51 Prozent gescheitert. Da auch das notwendige Quorum mit 14 statt der erforderlichen 25 Prozent Ja-Stimmen aller Wahlberechtigten weit verfehlt wurde, ist das Referendum insgesamt deutlicher gescheitert als die Initiative zum Erhalt des Flughafens Tempelhof vor einem Jahr.

Über das nackte Gesamtergebnis hinaus erwies sich bei der Abstimmung zudem: Berlin ist nach wie vor eine geteilte Stadt, es verläuft eine unsichtbare Mauer durch die Stadt. Sie trennt Reinickendorfer von Pankowern und Zehlendorfer von Lichtenbergern.

Im Westteil der Stadt hat Pro Reli eindeutig gewonnen: In Reinickendorf, Spandau, Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf stimmten mehr als 60 Prozent mit ja. Selbst im Problembezirk Neukölln mit seinem überaus hohen Migrantenanteil wurden von Pro Reli mehr als 60 Prozent erzielt. Und in Steglitz-Zehlendorf, dem West-Berliner Musterbezirk, hat die Initiative sogar das notwendige Quorum von 25 Prozent Ja-Stimmen aller Wahlberechtigten erreicht.

Aber vom Grunewald im Westen ist es ein langer Weg in die Plattenbauviertel der östlichen Stadthälfte. In Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg, Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf stimmten über 70 Prozent mit nein. In Lichtenberg sogar rekordverdächtige 78,4 Prozent. Machte unterm Strich in ganz Berlin: 51 Prozent nein, 48 ja.

Die Zahlen beweisen, daß auch Pro Reli ein Ost-West-Thema war. Wie vor einem Jahr, als die Ost-Berliner mehrheitlich gegen und die West-Berliner für den Flughafen Tempelhof gestimmt haben. Und so wie 1996, als die West-Berliner eher für die Fusion mit Brandenburg waren, die Ost-Berliner überwiegend dagegen.

Für Klaus Wowereit (SPD), der von einem „eindeutigen Votum“ sprach, ist das wieder ein Grund zum Aufatmen. Vor einem Jahr hatte der Regierende Bürgermeister seine harte Linie gegen den Flughafen Tempelhof durchgezogen und war mit Ach und Krach durchgekommen. Enge Verbündete wie Gregor Gysi (Linke) hatten kurz vor der Abstimmung die Nerven verloren und wollten nachgeben, aber Wowereit blieb stur, mit Erfolg: Tempelhof ist jetzt zu. Die Stadt diskutiert unterdessen, ob sie ein Rotlichtviertel oder eine Skipiste auf dem Gelände einrichten sollte.

Auch diesmal hätte es anders kommen können. Wenn der rot-rote Senat diese Abstimmung verloren hätte, dann wären dies dicke Knüppel gewesen, die die Wähler ihrem Bürgermeister zwischen die Beine geworden hätten. Und der wünscht sich nichts sehnlicher als Ruhe in seiner politischen Heimat, damit er seinen eigenen bundespolitischen Ambitionen nachgehen kann. Großmännisch erklärte er nach der Abstimmung, die Landesregierung sei nach       wie vor an einer „konstruktiven Zusam­menarbeit mit den Kirchen in der Stadt interessiert und wird dazu ihren Beitrag leisten“.

Die Taktik des Senats hatte vor allem aus zwei Dingen bestanden: Einerseits hatte Rot-Rot den Urnengang auf einen für Pro Reli ungünstigen Termin gelegt. Wäre der Volksentscheid zusammen mit der Europawahl erfolgt, die in nur sechs Wochen stattfindet, so wäre nach Einschätzung von Beobachtern zumindest das Erreichen des Quorums kein so großes Problem gewesen.

Außerdem hatte der Senat bis zum Schluß steuergeldfinanzierte Anti-Propaganda betreiben lassen, was ihm vom Gericht untersagt worden war. Doch Wowereit hielt sich nicht daran, Anzeigen verwirrenden Inhalts wurden weiter geschaltet. Das hat ihm große Kritik eingebracht. Aber einen Teil der Wähler dürfte das kaum mehr verunsichert haben als seine Aussage vor einem Jahr, daß Tempelhof so oder so geschlossen werden würde – egal, wie die Berliner abstimmten.

Für die Opposition ist Pro Reli ein Debakel. Allerdings hatten die führenden Köpfe von CDU und FDP Pro Reli ohnehin keine großen Siegeschancen eingeräumt und sich nur wenig für das Referendum stark gemacht. Zwar wurde der neue CDU-Chef Frank Henkel am Abend auf der „Verlierer-Party“ und später in der „Berliner Abendschau“ des RBB gesehen. Aber er hat sich bei weitem nicht so engagiert wie sein Vorgänger Friedbert Pflüger, der voll auf das Thema Tempelhof gesetzt hatte und dessen Sturz mit dem Scheitern dieses Volksbegehrens eingeleitet worden war.

Für die Schüler bedeutet das Votum, daß sie weiterhin Religionsunterricht nur als freiwilliges Zusatzfach wählen können. Ethik bleibt stattdessen Pflichtfach für die Klassen 7 bis 10. Die Zahl der Schüler, die noch den Religionsunterricht besuchen, ist bereits um ein Viertel gesunken, seit es das Fach Ethik gibt.      Markus Schleusener

Foto: Zum Fach „Ethik“ gezwungen: Auch das Engagement Berliner Schüler für die Wahlfreiheit brachte keinen Erfolg.


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