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02.05.09 / Russki-Deutsch (15): Komsomol

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-09 vom 02. Mai 2009

Russki-Deutsch (15):
Komsomol
von Wolf Oschlies

Zu den beliebtesten und auflagenstärksten Zeitungen Rußlands gehört eine, die die Leser liebevoll „Komsomolka“ nennen, obwohl sie offiziell „Komsomolskaja Prawda“ heißt. In beiden Benennungen steckt der „Komsomol“, ein Akronym aus den Anfangssilben von „Kommunistitscheski sojus molodjoshi“ (Kommunistischer Jugendverband). 1919 wurde er gegründet, 1991 aufgelöst.

1930 berichtete der rumänische Romancier Panait Istrati in einem sowjetkritischen Enthüllungsbuch, daß der Komsomol eine Vereinigung von zumeist jungen Rowdies war. Das änderte sich, als die Partei ihn in die Pflicht nahm und für ihre Kampagnen – Industrialisierung, Kollektivierung, Neulandgewinnung, Bekämpfung des Analphabetentums etc. – einsetzte. Nach Partei und Gewerkschaften wurde der Komsomol drittwichtigste Organisation der Sowjetunion – „Kaderreserve der Partei“ und Verfügungsmasse, wie es in einem Lied von 1955 hieß: „Partija velela/ Komsomol otvetil: Estj“ – Die Partei befahl, der Komsomol antwortete: Wird gemacht.

Um 1980 zählte der Komsomol rund 40 Millionen Mitglieder, alle „freiwillig“, denn eine Zwangsorganisation war er nominell nie. Wer aber nicht Mitglied war, konnte Bildungs- und Karrierechancen vergessen. Ein solcher Verweigerer war der Priester Kyrill, bürgerlich Wladimir Gundajew (*1946), der Ende Januar 2009 zum 16. Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche gewählt wurde. Derzeit fragen ironische Kommentare, was aus ihm hätte werden können, wäre er nur im Komsomol gewesen – Russischlehrer in der Provinz etwa.

Nach dem „Vorbild“ des Komsomol entstanden in allen Satellitenstaaten kommunistische Jugend-organisationen, die nur als Reisebüro oder Festorganisator attraktiv waren. Ihre Langweiligkeit war ein beliebtes Thema für DDR-Kabaretts. Als Bildungsministerin Margot Honecker für den Russischunterricht verordnete, „Erzählungen von den Heldentaten des Komsomol sollen die Bereitschaft zur sozialistischen Wehrkunde erhöhen“, da zielte sie an allen Interessen Jugendlicher vorbei. Heute haben russische Parteien eigene Jugendorganisationen, oft dem Komsomol ähnlich, an den nur noch übriggebliebene Zeitungen und Lieder erinnern.


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