19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
02.05.09 / »Größte demokratische Übung« / Wahl in Indien von Todesopfern, Boykottaufrufen und Gewalt überschattet – Drohungen gegen Christen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-09 vom 02. Mai 2009

»Größte demokratische Übung«
Wahl in Indien von Todesopfern, Boykottaufrufen und Gewalt überschattet – Drohungen gegen Christen

Es ist eine Wahl der Superlative. Vier Wochen lang wählen 714 Millionen wahlberechtigte Inder  in fünf Etappen Parlament und Regierung neu. Allein 6,5 Millionen Wahlhelfer werden benötigt, um in fast 830000 Wahllokalen die 4617 Kandidaten von etwa 300 Parteien zu wählen. Dafür stehen 1,4 Millionen einfache, elektronische Wahlmaschinen bereit, die auch subtropische Wetterverhältnisse aushalten.

Als „größte demokratische Übung der Welt“ bezeichneten Kommentatoren den Wahlgang und weisen damit auf die riesigen Probleme auf dem indischen Subkontinent hin.

Die „Jumbo-Wahl“ in der größten Demokratie der Erde, in dem der Elefant Symbol und Lastentier ist, stellt das Land vor kaum überschaubare Probleme. In Indien werden mehr als 30 verschiedene Sprachen gesprochen und sechs große Religionen ausgeübt, wobei Hindus, Moslems und Christen die größten Gruppen bilden.

Schlagzeilen macht die indische Parlamentswahl in westlichen Medien gegenwärtig durch die Überfälle maoistischer Rebellen. 17 Tote waren gleich zu Wahlbeginn am 16. April zu beklagen. Eine Woche später überfielen 200 maoistische Rebellen einen Zug mit 700 Passagieren zwischen Barkana (Jharkhand) und Mugalsarai (Uttar Pradesh). Die Geiselnahme konnte wenig später unblutig beendet werden. Die Maoisten, die ihre Hochburgen im Norden und Osten des Landes haben, lehnen die Demokratie grundsätzlich ab. Neben kommunistischen Aktivisten, die in 13 der 35 Bundesstaaten Indiens aktiv sind, gelten radikale Moslems im indischen Teil Kaschmirs als größte Bedrohung für die innere Sicherheit. Maoisten wie Islamisten haben zum Boykott der Abstimmung aufgerufen.

Um die Wahlberechtigten wird in Indien mit harten Bandagen und nicht immer demokratischen Methoden oft im wahrsten Sinne des Wortes gekämpft. Daher sind umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen durch Polizei und Militär notwendig. Die Präsenz von Hunderttausenden Sicherheitskräften gilt als Hauptgrund für die Abwicklung der Wahl in Etappen. Dennoch eskaliert die Gewalt. Im Bundesstaat Orissa, wo im August 2008 bei Christenverfolgungen durch Hindu-Nationalisten mehr als 100 Tote und 50000 Flüchtlinge zu beklagen waren, kommt es nach Informationen des weltweiten katholischen Hilfswerkes „Kirche in Not“ erneut zu Todesdrohungen. Christen sollen mit Gewalt davon abgehalten werden, zur Wahl zu gehen. Der Erzbischof von Cuttack-Bhubaneswar, Raphael Cheenath, sagte, daß die Drohungen von der hindu-nationalistischen Baratiya Janata Party (BJP, Indische Volkspartei) ausgingen. Die BJP habe es sich erklärtermaßen zum Ziel gesetzt, die Christen aus der Region zu vertreiben. Der Bischof betonte, daß die Hindu-Nationalisten im Falle eines Wahlsieges zweifellos mit der Vertreibung fortfahren würden. Die erneuten Drohungen aus der Führungsriege der BJP seien „sehr deutlich“. Ein Priester aus Kandhamal berichtete, daß die BJP am Wahltag teilweise sogar Straßen mit gefällten Bäumen blockiert habe, um christlichen Dorfbewohnern den Weg zu den Wahlbüros abzuschneiden.

Die Wahl in Indien ist überschattet von der schwersten Wirtschaftskrise seit zwei Generationen. Die bisherige relativ stabile Regierungskoalition unter Premierminister Manmohan Singh von der Kongreß-Partei wurde von einem langjährigen Wirtschaftsaufschwung getragen. Von der boomenden Konjunktur in Folge der Globalisierung profitierten mehrere Regionen im Süden und Osten des Halbkontinents besonders stark. Obwohl die bisherige Regierung Anstrengungen gegen Korruption, Bürokratie und Armut unternahm, lebt derzeit immer noch ein Viertel der weltweit Unterernährten in Indien, darunter 45 Prozent Kinder unter fünf Jahren. Ob die Kongreß-Partei unter ihrem Chef Rahul Ghandi aus der gleichnamigen Dynastie des Staatsgründers noch weitere fünf Jahre die Regierung anführen wird, ist angesichts der sich nun weiter verschärfenden Lage offen. Neben den wirtschaftlichen Problemen scheinen ethnische und religiöse Gegensätze immer schwerer beherrschbar.

Da die Wahlergebnisse erst am 16. Mai, nach Abschluß der letzten Wahletappe, verkündet werden sollen, lassen sich noch kaum Voraussagen über mögliche Regierungskoalitionen abgeben. Keine der beiden großen Parteien, weder die Kongreß-Partei Ghandis noch die hindu-nationalistische BJP, können auf die absolute Mehrheit der insgesamt 545 Sitze im indischen Unterhaus in Neu Delhi (Lok Sabha) hoffen. Das indische Wahlsystem kennt zudem keine Fünf-Prozent-Hürde, so daß selbst 0,1 oder 0,2 Prozent der Stimmen ausreichen, um in den Bundesparlamenten ein oder zwei Mandate zu erringen. Das führt in dem riesigen Land durch den Zwang zu Koalitionen regelmäßig zu zweifelhaften Allianzen, weil Einzelinteressen begünstigt werden und so instabile Regierungen entstehen. Die Wahlbeteiligung lag seit den ersten Wahlen im unabhängigen Indien 1951/52 im Schnitt bei jeweils 60 Prozent.         Hinrich E. Bues

Foto: Maoisten und Islamisten versuchten die Wahl zu boykottieren: Trotz starker Präsenz des Militärs kam es zu Unruhen.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren