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02.05.09 / US-Zeitungen mit dem Rücken zur Wand / Eine Stütze der Demokratie wankt: Massensterben der Qualitätsblätter befürchtet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-09 vom 02. Mai 2009

US-Zeitungen mit dem Rücken zur Wand
Eine Stütze der Demokratie wankt: Massensterben der Qualitätsblätter befürchtet

Ich habe einen Albtraum“, gesteht die Lehrerin Julia Forbes, 49. „Ich erwache eines Morgens, öffne wie gewohnt die Wohnungstür, und meine ,Los Angeles Times‘ liegt nicht mehr davor!“ Ihre Befürchtung ist mehr als berechtigt. Durch den Bankrott ihrer Inhaber sind neben der „L.A. Times“ bereits die „Chicago Tribune“, die „Minneapolis Star-Tribune“ und der „Philadelphia En-quire“ bedroht. Und während die Ikone von allen, die „New York Times“, gerade von dem mexikanischen Milliardär Carlos Slim mit einer Finanzspritze von einigen hundert Millionen Dollar erstmal gerettet wurde, haben die Besitzer des „San Francisco Chronicle“ (mit einer Million Dollar Verlust pro Woche) gedroht, die Zeitung aufzugeben. Da immer mehr junge Leute sich über das Internet informieren und kaum noch Zeitungen abonnieren, bricht die Auflage weg. Zudem ist seit Beginn der Wirtschaftskrise das Anzeigengeschäft um gut ein Drittel zurückgegangen.

Das Zeitungssterben ist in den USA, obwohl seit längerem akut, plötzlich zu einem heißen Thema geworden. Denn es geht nicht nur um den Verzicht auf die gedruckte Morgenzeitung, sondern um das mögliche Aussterben des professionellen Journalismus. Eines Berufes, den es seit antiken Zeiten gegeben hat, im Sinne von Schreibern, die ihre Umwelt beobachten, darstellen und kritisieren. Sie haben Könige, Despoten und Präsidenten wie Nixon gestürzt und sind die Wachhunde über Fehlhandlungen der Mächtigen sowie über die Rechte der Armen.

Am 20. April wurde in New York der alljährliche Pulitzerpreis verliehen. Er geht überwiegend an Autoren, die aufdecken. So gewann die „Los Angeles Times“ für eine Aufklärungs-Serie über die Feuer 2007 um Santa Barbara. Dort wurden gegen den Rat der Feuerwehrleute aus wahltaktischen Gründen gigantische Summen in nicht funktionierende Maßnahmen gesteckt, weswegen eine Fläche von über 600 Quadratkilometern, was nahezu der Größe von Hamburg entspricht, verbrannte.

„Was für eine Freude nach all den schlechten Nachrichten für die ,Times‘“, sagt eine ihrer Autorinnen, Bettina Boxall, über den Gewinn des Preises. Seit die Besitzer der „L. A. Times“, „Tribune“ und Co. im Dezember Bankrott angemeldet hatten, Hunderte Mitarbeiter gekündigt wurden und weitere Sparmaßnahmen erwartet werden, herrscht in der Redaktion Chaos. Das stolze, 128 Jahre alte Blatt ist dünn und unsicher geworden. Der Kampf der Redakteure um Platz für ihre Beiträge gleicht einer täglichen Schlacht. Der regionale Kalifornien-Teil ist plötzlich in den Hauptteil geraten. Die Außenpolitik dagegen befindet sich jetzt hinten bei den Nachrufen. Doch Chefredakteur Russ Stanton will einen Nachruf auf die „Times“ nicht wahrhaben. „Immer weniger Zeitungen machen investigative Serien und Berichte“, sagt er, „aber die ,L. A. Times‘ wird immer eine von ihnen sein.“

Immer mehr Zeitungen stellen ihre Druckausgabe aus Kostengründen ein und sind nur noch im Internet zu lesen. Mißstände enthüllende wie gesellschaftspolitische Beiträge bedeuten oft monatelange, gar jahrelange Recherchen. Dafür eignet sich das oberflächliche, kurzlebige Internet nicht. Doch für die Druckausgaben sieht es nicht gut aus. Nach 16000 gekündigten Journalisten in den USA 2008 wurden seit Anfang 2009 bisher stellungslos: 300 Mitarbeiter bei der „L. A. Times“, 205 beim „Miami Herald“, 150 beim „Kansas City Star“, 156 beim „Atlanta Journal Constitution“. Von Büroschließungen wie Einschnitten bei den Spesen ganz zu schweigen. Statt Erster-Klasse-Flügen und Luxushotels für Starjournalisten nur noch Economy und Motel. 

„Wir betreten ein historisch unerforschtes Territorium in Amerika“, analysieren die Autoren John Nichols und Robert W. McChesney im Magazin „The Nation“ die journalistische Situation. „In einem Land, das seit seiner Gründung den Wert der Presse hochgehalten hat, nicht nur als Wachhund, sondern auch als ein entscheidender Beitrag für eine informierte Bürgerschaft. Einem Kollaps des Journalismus und der demokratischen Infrastruktur, die dies nach sich zöge, kann niemand tatenlos zusehen, außer vielleicht korrupte Politiker und die Interessengruppen, denen sie dienen. Solch eine Krise erfordert Lösungen. Wo sind sie?“

Dies herauszufinden wäre eine Aufgabe für den nächsten Pulitzerpreis. Liselotte Millauer


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