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02.05.09 / Wirken für den geistigen Fortschritt / Vor 150 Jahren starb der Universalgelehrte Alexander von Humboldt in Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-09 vom 02. Mai 2009

Wirken für den geistigen Fortschritt
Vor 150 Jahren starb der Universalgelehrte Alexander von Humboldt in Berlin

Alexander von Humboldt, einer der größten Forscher und Entdecker, schuf bereits vor 200 Jahren ein internationales Netzwerk der Forschung und war der erste Wissenschaftler, der die Natur unter einem ökologischen Gesichtspunkt wahrnahm. Mit seinem Bruder Wilhelm gehört er zu den bedeutendsten Preußen der Geschichte.

„Du siehst also, daß das pommersche Geschlecht durch Dich und mich verherrlicht ist“, schrieb Alexander von Humboldt am 14. Oktober 1804 aus Paris an seinen Bruder Wilhelm, der als preußischer Gesandter beim Päpstlichen Stuhl in Rom lebte. Nicht ohne Stolz hat der jüngere der beiden Humboldt-Brüder diesen Satz niedergeschrieben, denn soeben war er von seiner fünfjährigen Reise durch Süd- und Nordamerika zurückgekehrt und begann nun das ungeheure wissenschaftliche Forschungsmaterial zu ordnen und auszuwerten. Alexander von Humboldt war der erste Mann, der nicht nur als neugieriger Abenteurer in die Neue Welt gefahren war, sondern dem es darum ging, Tatsachen zu einer Wissenschaft zu sammeln und sie in einem riesigen Werk aufzuzeichnen. Durch die Beschreibung dieser Reisen, durch das Sammeln und Beobachten der verschiedenartigsten Formen und Erscheinungen der Natur und menschlicher Lebensformen, die Erforschung der Naturgesetze im Verhältnis zueinander wurde Alexander vom Humboldt der Begründer einer neuen Epoche wissenschaftlicher Reisen.

Obwohl beide Brüder, Wilhelm am 22. Juni 1767 und Alexander am 14. September 1769, in Berlin geboren und auf Gut Tegel erzogen wurden, sprachen und schrieben beide von „unserem pommerschen Geschlecht“. Als Geburtsort des Vaters Alexander-Georg von Humboldt wird Zammenz im Kreis Neustettin angegeben, ein Conrad Humboldt war 1685 Burgrichter in Neustettin. Der Vater heiratete Maria Elisabeth von Colomb aus einer Hugenottenfamilie, die aus ihrer ersten Ehe die Güter Ringenwalde und Tegel mitbrachte.

Auf Schloß Tegel erhielten die beiden Söhne die beste Erziehung, die man sich denken konnte. Im Jahre 1787 bezogen beide die Universität Frankfurt an der Oder, doch genügte ihnen die geistige Ausbildung hier nicht, und so gingen sie nach Göttingen, wo sie mit großem Eifer ihre Studien betrieben. Als im Juli 1789 die Französische Revolution ausbrach, reiste Wilhelm über Belgien nach Paris, wo er zwei Wochen nach dem Fall der Bastille ankam. Auf der Rückreise besuchte er Karoline von Dacheröden, die er 1791 heiratete. Seine Stellung als Legationsrat im Departement der Auswärtigen Angelegenheiten, die er kurzfristig bekleidet hatte, gab er auf und zog sich auf eines der Dacherödeschen Güter in Thüringen zurück. Alexander vervollkommnete seine Studien an der Handelsakademie in Hamburg und an der Bergakademie in Freiburg. So verschieden die Wege der Brüder auch waren, immer wieder begegneten sie sich in der geistigen Freundschaft auch zu Schiller und Goethe. So sagte Goethe über Alexander zu Eckermann: „Humboldt ist heute einige Stunden bei mir gewesen: was für ein Mann ist das! Man kann sagen, er hat an Kenntnissen und lebendigem Wissen nicht seinesgleichen und eine Vielseitigkeit, wie sie mir gleichfalls noch nicht vorgekommen ist. Wohin man rührt, er ist überall zu Hause und überschüttet uns mit geistigen Schätzen. Er gleicht einem Brunnen mit vielen Röhren, wo man überall nur Gefäße unterzuhalten braucht, und wo es uns immer erquicklich entgegenströmt.“

Im November 1796 starb die Mutter der beiden Brüder, die sich nun im Besitz eines großen Vermögens sahen. Nun entsagte auch Alexander dem wider Willen auf sich genommenen Staatsdienst, um sich ganz der Wissenschaft widmen und seine langgehegten Reisepläne verwirklichen zu können.

Während Alexander mit den Reisevorbereitungen beschäftigt war, begab sich Wilhelm mit Karoline und den Kindern nach Paris, wo er seine Studien über den französischen Nationalcharakter aufnahm. 1798 folgte Alexander dem Bruder dorthin und vereint lebten sie mehrere Monate in der Seine-Metropole.

Endlich, im Juni 1799, erfüllten sich Alexanders große Pläne. Der spanische König gab ihm die Erlaubnis zu einer Reise in die Neue Welt. Mit der Fregatte „Pizarro“ segelte er über Marokko und die Kanarischen Inseln nach Cumana, von dort ging es nach Cartagena, Santa Fé, Popayan, Quito und Lima. Er besuchte auch Cundaxamarca, die Hauptstadt des Inkareiches. Die Forschungen, die Alexander betrieb, die Entdeckungen, die er machte, lassen sich kaum übersehen. Er beschäftigte sich mit den amerikanischen Ursprachen und Mundarten. Vor allem aber gab er eine wissenschaftliche Darstellung der Gesamtheit der Natur in der gegenseitigen Beziehung ihrer Erscheinungen.

Wiedersehen feierten die beiden Brüder im April 1805 in Rom, wo Wilhelm inzwischen als preußischer Ministerresident tätig war. Auch hier war jeder wieder mehrere Monate lang mit seinen Studien beschäftigt, bis Wilhelm erkannte: „Manchmal zweifle ich daran, ob es richtig ist, daß wir uns in dieser Zeit, in dem ungeschichtlichen Zwist der Völker da draußen, in unser eigenes stilles Leben zurückziehen, weil wir beide nach geistiger Ruhe streben. Den größten Teil unseres Lebens haben wir der Selbstbildung gelebt. Nun wünsche ich oft, diese Grenze zu erweitern, um dem Vaterlande mit mir selbst dienen zu können. Ich bin nun einmal sehr deutsch und werde es ewig bleiben.“ Wilhelms Wunsch ging bald in Erfüllung. Bereits 1808 erreichte ihn der Ruf des Freiherrn vom Stein, der ihm das preußische Unterrichtsministerium unterstellte. Am 20. Februar 1809 wurde er zum Geheimen Staatsrat und Direktor des Kultus und öffentlichen Unterrichts ernannt. Die Preußische Akademie der Wissenschaften wurde durch seine Tatkraft von Grund auf erneuert. Sein größter Erfolg und Verdienst aber war die Gründung der Berliner Universität.

Alexander lebte weiter in Paris und widmete sich ganz der Arbeit an seinem ungeheuren wissenschaftlichen Werk. Seine Arbeiten über die Ansichten der Natur widmete er seinem treuen Bruder Wilhelm. Erst im Herbst 1826 reiste Alexander nach Berlin, um seine endgültige Rückkehr vorzubereiten, gedrängt von dem Wunsch nach dem Genuß des „so lange entbehrten Glücks, mit meinem Bruder an einem Orte zu leben und vereint wissenschaftlich zu arbeiten“.

Wilhelm von Humboldt hatte inzwischen den Staatsdienst verlassen und widmete sich vor allem seinen bahnbrechenden Studien zur vergleichenden Sprachwissenschaft. Er entzog sich aber keineswegs ganz der Mitwirkung im öffentlichen Leben und wurde 1830 noch einmal in den Staatsrat berufen. Doch nach dem Tod seiner Frau Karoline vergrub er sich ganz in der Einsamkeit von Tegel. Am 8. April 1835 verstarb er in den Armen seines Bruders.

Alexander von Humboldt fand sich wieder, indem er sich neben seinem „Kosmos“ der Herausgabe des literarischen Nachlasses seines Bruders widmete. Später wurde er „das beunruhigende Gewissen für den König“ Friedrich Wilhelm IV., denn er bekannte sich offen zur bürgerlich-demokratischen Bewegung. Er war auch der heimliche Kultusminister jener Epoche und wurde immer mehr zu einer volkstümlichen, legendären Gestalt.

Der erste Band des „Kosmos – Entwurf einer physischen Weltbeschreibung“ erschien 1845. Vier weitere Bände dieses gewaltigen Entwurfes folgten. Es war das Werk seines Lebens, ein „gewaltiger Anstoß“ für die Wissenschaft, ein revolutionäres Buch. Humboldt glaubte an den menschlichen Fortschritt als Teil des „allgemeinen Weltplanes, das heißt der Naturordnung“.

Am 6. Mai 1859, vier Monate vor Erreichung seines 90. Geburtstages starb „der letzte Heros der großen literarischen Epoche“ in Berlin und wurde an der Seite seines Bruders in Tegel beigesetzt. Beiden Humboldts verdankt die Menschheit einen großen Teil ihres geistigen Fortschritts. Klaus Granzow

Foto: Treffen in Jena 1797: Zusammenkunft von Schiller, Wilhelm und Alexander von Humboldt sowie Goethe (v.l.)


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