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02.05.09 / Auf diesen Preußen hörten US-Präsidenten / Carl Schurz war neben Henry Kissinger der bedeutendste deutschstämmige Politiker in den Vereinigten Staaten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-09 vom 02. Mai 2009

Auf diesen Preußen hörten US-Präsidenten
Carl Schurz war neben Henry Kissinger der bedeutendste deutschstämmige Politiker in den Vereinigten Staaten

Der „48er“ Carl Schurz war ein Demokrat, der nach seiner Flucht aus Preußen in der US-Politik eine für einen Deutschen einmalige Karriere machte.

Nie hätte der 20jährige Carl Schurz beim Schreiben seines Abschiedsbriefes an seine Eltern gedacht, daß das Leben noch so viele Prüfungen für ihn bereithalten würde. Als er am 21. Juli 1849 die vermeintlich letzten Zeilen an seine Familie schrieb, ging er von seiner baldigen Erschießung durch ein preußisches Standgericht aus. Als Adjutant des Festungskommandeurs der revolutionären badisch-pfälzischen Armee in der Festung Rastatt rechnete der 1829 in der preußischen Rheinprovinz Geborene nicht mit Gnade. Doch Schurz sollte nicht zu jenen 19 Revolutionären zählen, die nach der Eroberung der Festung zum Tode verurteilt wurden: Ihm gelang die Flucht durch einen Abwasserkanal aus der Stadt und dann in die Schweiz.

Obwohl der Student dem Tode so nahe gewesen war, war sein Idealismus größer als seine Vernunft. Und so blieb er nicht lange im Schweizer Exil. Mit dem Paß eines Verwandten reiste er über Umwege in die preußische Hauptstadt, um dort seinen inhaftierten Professor Gottfried Kinkel zu befreien. Dieser war die Symbolfigur der Republikaner. Ihn befreite Carl Schurz aus dem Gefängnis im Zentrum des monarchistischen Preußens, und gemeinsam flohen sie ins europäische Ausland. Da selbst die Franzosen den für demokratische Rechte eintretenden Schurz als zu renitent empfanden, ging es weiter nach London, wo er seine spätere Frau kennenlernte. Die aus Hamburg stammende Fabrikantentochter Margarethe Meyer pflegte dort gerade ihre erkrankte Schwester Bertha, die ihren Hamburger Mann verlassen hatte, um mit dem exkommunizierten Priester Johannes Ronge unter den Exilanten in London zu leben. Nach einiger Überzeugungsarbeit bei Margarethes Familie heirateten die beiden, und dank ihrer Mitgift hatten sie auch das Startkapital, um in den USA einen Neuanfang zu wagen.

„Im September 1852 betrat er – 23 Jahre alt – amerikanischen Boden, gemeinsam mit seiner 19jährigen Frau Margarethe, die fünf Jahre später den ersten Kindergarten Amerikas gründete. Im Selbstunterricht lernte er die englische Sprache. Danach beteiligte er sich aktiv am amerikanischen politischen Leben. Bald galt er in der neuen Heimat als Sprecher der Deutschamerikaner. Diese waren für US-Politiker besonders wichtig, da sie wegen ihrer großen Zahl bei knappen Wahlergebnissen den Ausschlag geben konnten“, so Schurz-Biograph Rudolf Geiger.

Zwar gehört Schurz mit zu den Gründern der Republikanischen Partei, doch das bedeutet nicht, daß er sich der Partei stets verbunden gefühlt hätte. Er vergab seine Gunst nur an jene, die seinen Idealen folgten. Auf Präsident Abraham Lincoln hielt er zwar große Stücke, befolgte aber selten dessen Wünsche. So hatte ihn dieser als US-Botschafter nach Spanien entsandt, doch als der Krieg zwischen den Vereinigten und den Konföderierten Staaten von Amerika ausbrach, verließ Schurz gegen den Willen des Präsidenten 1862 Spanien, um mit einer Freiwilligenarmee aus Deutschen gegen die Konföderierten zu kämpfen. Innerhalb weniger Monate stieg der Ungediente zum Generalmajor auf, was ihm den Neid der militärischen Führungsriege einbrachte, die auch prompt die Leistungen seiner Division schlechtredete. Allerdings ging Schurz auch nicht mit voller Konzentration ans militärische Tagwerk. Fast täglich schrieb er nebenbei Lincoln seitenlange Briefe, in denen er diesem Ratschläge erteilte, wie dieser das Land zu führen habe. Selbst dem geduldigen Lincoln platzte eines Tages der Kragen und es herrschte kurze Zeit Funkstille zwischen dem Mann im Weißen Haus und seinem deutschen Berater. Diese hielt jedoch nur kurz – es war Lincoln, der sich bei Schurz für seine Reaktion entschuldigte.

Schurz Lieblingswaffe war und blieb bis zu seinem Tode 1906 – zu dem neben US-Präsident Theodore Roosevelt auch Prinz Heinrich von Preußen kondolierte – das Wort. „Die Demokratie statuiert die Freiheit eines jeden Bekenntnisses, so lange es nicht die bürgerliche Freiheit anderer beschränkt, – man bekämpft sie nicht mit der Waffe der offiziellen Gewalt, sondern einfach mit der öffentlichen Meinung.“ An der Bildung der öffentlichen Meinung beteiligte sich Schurz massiv. Zwar hatte er zeitweise versucht, als Landverkäufer seinen Lebensunterhalt zu verdienen, doch schnell merkte er, daß er als Vortragsredner viel besser sein Auskommen erwirtschaften konnte. Auch als Zeitungsherausgeber und Schriftsteller war der Schreiblustige einige Jahre aktiv. So manches Mal war jedoch offen, wie er den Lebensunterhalt für sich und seine Familie – er hatte zwei Töchter und zwei Söhne – verdienen würde. Seine Art, nur seinen Überzeugungen zu folgen, verstärkte die Nervenkrankheit seiner Frau, die nicht zu Unrecht immer fürchtete, ihr Mann würde in Ungnade fallen.

Als nach der Ermordung Lincolns der Demokrat Andrew Johnson ins Weiße Haus kam, überwarf sich Schurz mit ihm wegen seiner unstrukturierten, halbherzigen Südstaaten-Politik. Johnsons Nachfolger im Weißen Haus, der Bürgerkriegsgeneral und Republikaner Ulysses Grant, wurde zu Schurz’ Antiheld, da unter seiner Regierung in den Jahren 1869 bis 1877 die Korruption extreme Ausmaße annahm. Inzwischen selbst für die Republikaner im Senat (1869–1875) machte Schurz Front gegen Grant. In dem Republikaner Rutherford B. Hayes sah er – inzwischen Wortführer der Liberal Republicans – einen Hoffnungsträger und unterstützte diesen deshalb bei dessen Wahl zum Präsidenten. Hayes machte Schurz auch sofort nach seinem Wahlsieg 1877 zum „Secretary of the Interior“ (Innenminister), womit er der erste Deutsche war, der in den USA ein so hohes Amt bekleidete. Nach einer längeren politischen Durststrecke fand Schurz somit nicht nur wieder das Ohr eines US-Präsidenten, sondern konnte auch endlich selbst Politik gestalten. Der inzwischen verwitwete Schurz – Margarethe starb 1876 bei der Geburt ihres vierten Kindes – hatte immer noch engen Kontakt mit den in den USA im Exil lebenden 48ern. Ihre Ideale leiteten auch ihn. Auch wenn man in den USA seine Vorschläge zum Naturschutz belächelte. Doch seine als „preußisches Reglement“ verspotteten Pläne sollten seinen Amtsnachfolgern bei der Einrichtung von Waldschutzgebieten und dem Aufbau einer Bundesforstverwaltung helfen. Bei der in sein Ressort fallenden Indianerfrage vertrat Schurz die Linie, daß zwei Parteien nicht bei der Lösungsfindung zu berücksichtigen seien: einerseits die Indianergegner und andererseits die Philanthropen, da ihre weltfremden Ideen niemandem dienen würden. Am realistischen wäre langfristig die Assimilation der Indianer, so Schurz, da nur diese es den Ureinwohnern ermöglichte, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten.

Mit Hayes Amtszeit als Präsident 1881 endete auch Schurz’ Zeit in Washington. Als Journalist und unabhängiger Politiker wurde Schurz für alle folgenden US-Präsidenten zu einem aus ihrer Sicht lästigen Mahner. Keiner der Präsidentschaftskandidaten, die er in den folgenden Jahren unterstützte, gewann die Wahl. Doch Schurz war deswegen nie der Meinung, daß er auf das falsche Pferd gesetzt hätte. So war nun einmal Demokratie, und wenn die Masse der Wähler anderer Meinung war, dann war es seine Aufgabe, sie zur richtigen hinzuführen. Allerdings erreichte er die Massen nicht mehr.

In Briefen an den damaligen US-Präsidenten William McKinley und in seinen Leitartikeln geißelte er 1898 im Krieg gegen Spanien die ständige Berufung der USA auf „nationale Ehre“ und den „amerikanischen Patriotismus“. Die Behauptung, daß es ein „Akt der Vorsehung“ sei, daß die USA ihre Macht zur Verbreitung ihrer Prinzipien einsetze, bezeichnete Schurz als an der „Grenze zur Blasphemie“ und „Flucht aus der Verantwortung“. Zwar korrigierten die USA nicht ihren imperialistischen Kurs, doch das änderte nichts daran, daß Schurz über seinen Tod hinaus in den USA hoch geachtet wurde und noch wird. Nach dem deutschen Amerikaner, der Lincolns Leitspruch der „Regierung des Volkes, mit dem Volk, für das Volk“ lebte, sind nicht nur in den USA zahlreiche Straßen, Plätze, Schulen und Berge benannt.          Rebecca Bellano

Foto: Anerkannt: Senator Carl Schurz (links) im Gespräch mit dem preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck 1869


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