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09.05.09 / Die Talibanisierung beginnt / Pakistan droht der Umsturz − Die USA schwächen den unbeliebten Präsidenten Zardari zusätzlich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-09 vom 09. Mai 2009

Die Talibanisierung beginnt
Pakistan droht der Umsturz − Die USA schwächen den unbeliebten Präsidenten Zardari zusätzlich

„Wenigstens sind die Gotteskrieger nicht korrupt“, denken immer mehr, von ihrer Regierung enttäuschte Pakistaner. Nur das Militär stellt sich den Taliban entgegen.

So manche Rüge mußte der pakistanische Präsident Asif Ali Zardari sich bereits vor seiner Reise nach Washington diese Woche aus den USA anhören. So sei seine Regierung „schwach“ und „zerbrechlich“. Außerdem würde er sich mehr dem Streit mit seinem politischen Konkurrenten Nawaz Sharif zuwenden, als sich den Bedürfnissen der Menschen in Pakistan zu widmen. Vor allem auf dem Land gäbe es nur wenige funktionierende Schulen, die medizinische Versorgung sei katastrophal, und ganze Landstriche seien zu gesetzlosen Räumen geworden. Korrupte Gerichte würden zudem nach der Pfeife der Reichen tanzen.

So richtig die Kritik aus den USA inhaltlich auch ist, so desaströs ist ihre Wirkung auf die Menschen in Pakistan. Dort herrscht bereits ein latenter Anti-Amerikanismus vor. Mit jedem Zivilisten, der im Rahmen des Kampfes gegen die Taliban durch die Schuld unvorsichtiger US-Einheiten getötet wird, verschlechtert sich die Stimmung im Land. Bereits der von Zardari und Sharif 2008 − damals noch vereint − gestürzte Präsident und Armeechef Pervez Musharraf litt darunter, als Marionette der USA betrachtet zu werden. Die Kritik an Zardari läßt ihn nun im gleichen Licht erscheinen. Auch daß die USA sich genötigt sehen, Pakistan im Kampf gegen die Taliban in den nächsten fünf Jahren drei Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen, betont nur, in wessen Auftrag Zardari gegen die Taliban kämpft. Dies schwächt den in seinem eigenen Land massiv an Zustimmung verlierenden Regierungschef zusätzlich.

Inzwischen kursieren in Pakistan Gerüchte, die USA würden den in der eigenen Bevölkerung unbeliebten Witwer der ermordeten Benazir Bhutto nicht mehr lange als Präsidenten stützen und einen möglichen Putsch durch Nawaz Scharif tolerieren. Zwar war Sharif Washington bisher zu religiös − 1999 hatte die demokratische US-Regierung Clinton Musharraf sogar beim Sturz von Sharif unterstützt −, doch ein Lob an den Führer der Muslimliga aus dem Weißen Haus gibt den Gerüchten Nahrung.

Doch ohne die Zustimmung des Militärchef General Ashfagh Kayani können sich die USA nicht einfach von Zardari abwenden. Auch wenn Pakistan seit etwas über einem Jahr – nach acht Jahren einer Militärregierung – erstmals wieder von zivilen Politikern regiert wird, so ist das Militär ein bestimmender Machtfaktor. Doch Kayani sieht offenbar den Zeitpunkt für einen Machtwechsel in Islamabad − ob nun zugunsten Sharifs oder des Militärs − noch nicht gekommen. Sogar auf den Hinweis aus den USA, daß nicht mehr der alte Intimfeind Indien die größte Gefahr für das Land darstelle, sondern die Extremisten im eigenen Land, schien er zu reagieren: Er zog 6000 Soldaten von der indischen Grenze ab. Doch Kayanis Verhalten kann auch einfach der eskalierenden Lage im Swat-Tal und der Nachbarregion Buner geschuldet sein. Zwar hatte Zardari vor wenigen Wochen trotz massiver internationaler Kritik mit den Islamisten im Swat-Tal ein Friedenabkommen geschlossen, doch diese halten sich nicht daran. Abgemacht war, daß sie für das Recht, die Scharia einzuführen, auf weitere Waffengänge gegen die Regierung verzichten würden. Die Scharia führten sie ein, doch die Waffen lassen sie keineswegs ruhen und versuchen statt dessen, ihren Einflußbereich weiter auszudehnen. Zivilisten, Beamte und Sicherheitskräfte werden als Geiseln genommen und als menschliche Schutzschilde benutzt. Als die pakistanische Regierung in der Region Malakaland, zu der das Swat-Tal zählt, ein islamisches Berufungsgericht einsetzte und die Richter hierfür selbst benennen wollte, entführten die Taliban zwei Regierungsvertreter und köpften sie. Damit war der Bogen überspannt und Kayani gab seinen Soldaten den Befehl, zurückzuschießen.

Inzwischen klagte ein Taliban-Sprecher, die pakistanische Armee sei „schlimmer als die Amerikaner“, da in wenigen Tagen bereits über 250 Taliban-Kämpfer getötet worden seien. Die USA freut dies doppelt, da sie stets beklagten, die pakistanische Armee gehe nur halbherzig gegen die Taliban vor. Vor allem die aus Afghanistan in die Berge nach Pakistan flüchtenden Taliban wurden stets in Ruhe gelassen. Das liegt daran, daß das pakistanische Militär in den 90er Jahren den Taliban geholfen hat, in Afghanistan ihre Macht auszubauen. Hier gibt es bewährte Verbindungen, während das pakistanische Militär erst seit wenigen Jahren Kontakte zu den USA hat. Zudem sind sie alles andere als positiv. Das wollen die USA jetzt ändern, indem sie pakistanische Soldaten auf neutralem Territorium schulen und so versuchen, US-loyale Pakistaner zu gewinnen, um so zu verhindern, daß die Atommacht Pakistan in die Hände von Islamisten fällt.

Doch könnte diese Strategie schon zu spät kommen. Immer mehr Pakistaner wenden sich enttäuscht von der schwachen Regierung in Islamabad ab. Keiner aus dem 50 Minister zählenden Kabinett ist bereit, Verantwortung zu übernehmen. „Wenigstens sind die Gotteskrieger nicht korrupt“, heißt es bei immer mehr Pakistanern über den Vormarsch der Taliban. Im voraus-

eilenden Gehorsam stellt sich die Gesellschaft schon auf die Taliban ein, deren Gedankengut selbst in den großen Städten angekommen zu sein scheint: Mädchen dürfen nicht mehr in Jeans in die Schule, Sänger erhalten wegen angeblich obszöner Texte Auftrittverbot. In manchen Regionen dürfen Frauen nicht mehr alleine auf die Straße.

Rebecca Bellano


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