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09.05.09 / Das Ende der politischen Korrektheit?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-09 vom 09. Mai 2009

Moment mal!
Das Ende der politischen Korrektheit?
von Klaus Rainer Röhl

Im Anfang war das Wort. Schlag-Wort statt Schlag-Stock: „Politische Korrektheit“. Wie der meiste Unsinn kam die aus Amerika. Political Correctness (PC). Aus dem Arsenal einer der finstersten und geistfeindlichsten Epochen der amerikanischen Geschichte, der McCarthy-Ära, wanderte der Begriff im Lauf der Jahre in die Universitäten und Zeitungen der Ostküste. Nunmehr als Minderheitenschutz verkleidet, Schutz vor verbalen Kränkungen – etwa der Schwarzen, Juden, Latinos, Schwachsinnigen, Behinderten und: der Frauen, denn auch sie empfanden sich im Berufs- und Privatleben als diskriminiert. Zur Abwehr dieser Diffamierung ersann man eine Reihe von harmlosen Beschwichtigungsbegriffen, teils achtbar bemüht, bald zu geflügelten Witzen werdend. Doch bald etablierten die Wächter der Political Correctness einen Tugendterror, der sich mit dem der Jakobiner der Französischen Revolution durchaus messen konnte.

Der Tugendterror begann mit der Kontrolle der Sprache. Gewalttätige Änderung durch Umbenennung. Das ist nicht von der Französischen Revolution erfunden worden. Schon die Kirche im Mittelalter nannte ihre Hexenprozesse, Inquisition und Flammentod eine Wohltat für die armen Seelen der Sünder. Der „Ausschuß für öffentliche Wohlfahrt“ der Französischen Revolution fällte Todesurteile am laufenden Band, die sofort mit der neuen Köpfungsmaschine, der Guillotine, vollstreckt wurden. Vorausgegangen war die Erfindung der „Göttin der Vernunft“ anstelle des christlichen Gottes – eine Neuerung, die dem Wirren der Revolution nicht standhielt. Was standhielt, war die Idee, mörderische Praktiken oder Einrichtungen umzubenennen. Alle Versuche, den Terror der Französischen Revolution zu vervollkommnen, erfanden neue „Wohltaten“ für die Menschheit, die mit überraschenden Namen bedacht wurden. Wer vermutet schon etwas Schlimmes hinter der Bezeichnung „Außerordentliche Kommission“ der Sowjetunion (Tscheka)? Das Goebbelssche „Ministerium für Volksaufklärung“ (und „Propaganda“) diente in Wahrheit der Volksverdummung.

Die Erben der Jakobiner brachten es bei der Veränderung der Wirklichkeit durch Worte zu einer bisher nicht erreichten Meisterschaft. Neu war die offen zynische Bezeichnung einer menschenfeindlichen und oft sogar tödlichen Einrichtung durch ihr genaues Gegenteil: „Umerziehungslager“ nannten die Nationalsozialisten die ersten KZ. „Erzieher“ hießen bis 1989 die Vollzugsbeamten im DDR-Knast. „Psychiatrische Anstalten“ nannte man in der Sowjetunion Häuser, in denen politische Gegner mit Drogen und Elektroschocks physisch und psychisch zerstört wurden. „Umsiedlung“ hieß die Verschleppung und Vernichtung von zehn Millionen russischer Bauern, „Umsiedlung“ die Ermordung von Millionen Juden durch Arbeitslager, Unterernährung, Seuchen und schließlich Erschießungskommandos und Gas. Alle Massenmorde und Greuel der Kommunisten und Nationalsozialisten wurden durch Korrekturen in der Sprache vorbereitet. Tiervergleiche dienten zur Herabsetzung der Tötungshemmung gegenüber dem Gegner. Lenin und Sinowjew bezeichneten die „Weißen“ grundsätzlich als „Geschmeiß“. Tiervergleiche kennzeichneten auch die Nachkriegszeit und die Zeit des Kalten Krieges. „Pinscher“ nannte Bundeskanzler Erhard die Schriftsteller der Gruppe 47 um Heinrich Böll. Die gedankenlos beiläufig verwendeten Wörter der 68er für Polizisten – „Schweine“ und „Bullen“ – bereiteten den Satz „Auf Bullen kann geschossen werden!“ vor.

Endziel aller revolutionären Terroristen ist im Grunde der gleichgeschaltete, gelenkte, „korrekte“ Mensch, von dem schon Platon geträumt hatte. Oder, wie Mao im „Kleinen Roten Buch“ gefordert hatte, Menschen mit „korrekten Ideen“. Pol Pot brachte einfach ein Drittel seiner Bevölkerung um, um endlich Ordnung in den Köpfen zu schaffen. Doch die atemberaubenden Albträume von Stalin, Mao und Pol Pot sind Vergangenheit. Die Gedankenpolizei überlebte im Westen. Dort entstand jenes engmaschige Blockwartsystem, das lange Jahre in unseren Zeitungen, Verlagen, Funk- und Fernsehanstalten herumspukte.

PC wurde zum Symbol für seine Etablierung an den Universitäten, in Behörden und bei den Massenmedien. Das hatte Erfolg. 1998 siegten die 68er mit Rot-Grün. Doch das Mißtrauen gegen die Untertanen blieb, der Zorn aus der Kampfzeit von 68 gegen alle Andersdenkenden, die kaum verhüllte Wut über das schwererziehbare Volk an den Stammtischen. So mußte die schon in der Mottenkiste gelandete „Faschismuskeule“ wieder hervorgeholt werden. Nach dem vergeblichen Kampf gegen die Volkszählung, die Tropenhölzer, den „machtvollen Demonstrationen gegen die Nachrüstung“, mit denen man nur die letzten Lebensstunden des maroden Breschnew-Regimes verlängert hatte, nach Tschernobyl und dem Sozialabbau fand man etwas, was man selbst vergessen geglaubt hatte: den Terror von rechts, die Neonazis, die neuen Rechten und ihre „Stichwortgeber“, die Intellektuellen, die schon von Goebbels „geistige Brandstifter“ genannt worden waren. Es läuft stets nach dem gleichen Muster ab: Zuerst die Intoleranz, dann der Haß gegen die Andersdenkenden, schließlich der Terror.

Doch was da mit großer Energie und Verbissenheit gegen die „Ewiggestrigen“ und „Stichwortgeber“ verteidigt werden sollte, war nichts Geringeres als die eigene Medienmacht, die Dauerverfügung über Universitäten und Schulen, Parteien und Gewerkschaften, Verlage und Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehstationen.

Wissend, daß eine Zweidrittelmehrheit aller Deutschen – auch in der SPD, – die offen angestrebte Volksfront aus SPD, Grünen und Linken ablehnt, wissend, daß sich zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung ein sich ständig verbreiternder Graben auftat, fühlte sich die kleiner werdende, aber in der Verteidigung ihrer Macht und ihrer Jahresgehälter radikale Minderheit der Betroffenheitsprofis und festangestellten Trauerarbeiter in ihrer Alleinherrschaft bedroht.

Und dann kam die Krise. Eine Chance für die Linken? Zuerst versuchte man es auch da noch mit sprachlicher Verkleinerung und Verkleisterung: „Engpässe“, „Zahlungsschwierigkeiten“, „Liquiditätsprobleme“. Doch inzwischen hat sich herausgestellt, daß diese Leute ganz einfach pleite waren. Aus der „Finanzklemme von Lehman Brothers“ wurde eine globale Wirtschaftskrise. Hatte Karl Marx, der alte Hütchenspieler, vielleicht doch recht gehabt mit seiner Voraussage, daß der Kapitalismus eine große Krise produzieren und schließlich selber die Produktionsmittel (die Fabriken und die Banken) verstaatlichen müßte? Was nun? Setzt Merkel Marx in die Tat um? Die Krise – Chance der Totalitären? Da haben wir alle noch ein Wörtchen mitzureden.

Fest steht jetzt schon die „Politische Korrektheit“ ist out. Die Nebelschwaden lichten sich. „Freisetzungen“ von Arbeitern heißen wieder Entlassungen. „Liquiditätsengpässe“ wieder Schulden oder gar Pleite. Auch der Landesverband NRW der Linken hat schon begonnen, Klartext zu reden. Soziale Unruhen ruft die Linke, Beseitigung des Kapitalismus, Gefahr von sozialen Unruhen echot die Linke in der SPD, warnt der DGB am 1. Mai. Auch der Generalkonsul der Türkei in Düsseldorf legt die falsche Scham ab und beschimpft die Deutschen in deren Land er zu Gast ist, pauschal als Nazis, die alle Türken am liebsten eine Tätowierung mit der Aufschrift „T“ aufdrücken wollten.

Doch die Krise ist auch unsere Chance. Legen auch wir die falsche Scham ab und nennen Unruhestiftung und Volksverhetzung nicht länger Meinungsäußerungen und Ausrutscher, sondern Anschläge auf den sozialen Frieden und die Demokratie.


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