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09.05.09 / »Lippenstift und Puderdose« / Zweite Grundsteinlegung der Gedächtniskirche vor 50 Jahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-09 vom 09. Mai 2009

»Lippenstift und Puderdose«
Zweite Grundsteinlegung der Gedächtniskirche vor 50 Jahren

Lippenstift und Puderdose“, Egon Eiermanns Neubau der Gedächtniskirche, verdankt Berlin den Siegern des Zweiten Weltkriegs, den „hohlen Zahn“, die Ruine des alten Kirchturms, seinen Bewohnern. Der „hohle Zahn“ war einst Bestandteil eines prachtvollen neo­romanischen Gotteshauses. Auf Anregung Wilhelms II. wurde der Sakralbau zu Ehren seines geschätzten Großvaters zur Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Am 94. Geburtstag des Siegers von Sedan, am 22. März 1891, wurde der Grundstein gelegt, zum Sedanstag wurde die Einweihung gefeiert. Außer in diesen symbolbeladenen Daten und dem Namen der Kirche spiegelt sich dessen Programm auch in seiner heute noch zugänglichen Vorhalle wider mit ihrer Darstellung des ersten Deutschen Kaisers und seiner Familie.

Den erklärtermaßen antipreußischen Siegern des Zweiten Weltkrieges war die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche deshalb ein Dorn im Auge. So wurde die in der Nacht zum 23. November 1943 bei einem Luftangriff größtenteils zerstörte Kirche nach dem Kriege nicht wieder aufgebaut. Nicht nur den Verzicht auf einen Wiederaufbau, sondern gar noch die Zerstörung des wenigen, was den alliierten Bomberangriff 1943 überlebt hatte, sah der Vorschlag für einen Neubau vor, mit dem Egon Eiermann einen diesbezüglichen Architekturwettbewerb gewann.

Ähnlich wie der Bildersturm im Osten der Stadt stieß allerdings auch dieser Plan auf den Widerspruch geschichtsbewußter Berliner. Anders als etwa beim Schloß im Ostteil der Stadt war der Widerspruch hier insofern nicht nutzlos, als zumindest ein Kompromiß erreicht wurde, der allerdings den Architekten genauso wenig zu begeistern vermochte wie die Bürger. Die 68 Meter hohe Ruine des einstmals 113 Meter hohen Hauptturmes durfte in ihrem stark beschädigten Zustand als Mahnmal gegen den Krieg bleiben, und Eiermann durfte sie mit vier neuen Baukörpern einrahmen.

Vor 50 Jahren, am 9. Mai 1959, wurde ein zweites Mal, diesmal für Egon Eiermanns Neubaukomplex, der Grundstein gelegt. Am 16. Dezember 1960 war Richtfest, am 19. Juli 1961 wurden die Glocken geweiht. Und am 17. Dezember 1961 schließlich wurde die Kirche durch den damaligen Bischof von Berlin-Brandenburg, Otto Dibelius, eingeweiht. Eiermanns die Turmruine einrahmendes Neubauensemble besteht vom zentralen Turmstumpf aus gesehen aus einem achteckigen Kirchenschiff und einem rechteckigen Foyer im Westen sowie einem sechseckigen Glockenturm und einer wiederum rechteckigen Kapelle im Osten.

Die Orgel, deren Prospekt ebenso wie Altar, Kanzel, Taufbecken, Lampen und Gestühl der Kirche vom Architekten Eiermann entworfen wurde, stammt von Karl Schuke. Dessen Neffe Matthias Schuke ist seit der Reprivatisierung des zu DDR-Zeiten sozialisierten Familienunternehmens Inhaber und Geschäftsführer der Alexander Schuke Potsdam Orgelbau GmbH, welche die neue Orgel im Königsberger Dom gebaut hat. Manuel Ruoff


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