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09.05.09 / Sie wurden wie Sklaven gehalten / Nach der Freilassung aus Arbeits- und Vernichtungslagern 1948 ging das Leid für die Donauschwaben noch Jahre weiter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-09 vom 09. Mai 2009

Sie wurden wie Sklaven gehalten
Nach der Freilassung aus Arbeits- und Vernichtungslagern 1948 ging das Leid für die Donauschwaben noch Jahre weiter

Jetzt kommen meine Überlegungen, was ist schrecklicher“, soll der 1929 auf dem Boden des heutigen Serbiens geborene, deutschsprachige Jude Ivan Ivanji 1993 gefragt haben. „Die Lager, in denen die Deutschen im Banat waren, sind nicht vergleichbar mit Auschwitz, Buchenwald und den Gaskammern. Man hat in den Lagern, in denen die Donauschwaben waren, selten gemordet nach der ersten Zeit, oder gar nicht, man hat die Leute verhungern lassen. Im KZ hat man systematisch gemordet. Die Systematik der Gas-kammern ist etwas einzigartiges. Wenn ich das gegenüberstelle, wie soll man wählen, was schreck-licher ist?“

Langsam verhungern oder Gas-kammer? Die Wahl hatte keiner der Betroffenen, am Ende stand bei beiden Alternativen der Tod. Wie dieser auf die 1945 auf jugoslawischem Territorium lebenden Donauschwaben zukam, hat Herbert Prokle bereits in früheren Arbeiten intensiv erforscht. In seiner neuesten Veröffentlichung „Der Weg der Deutschen Minderheit Jugoslawiens nach Auflösung der Lager 1948“ wendet sich der Autor im Auftrag der Donauschwäbischen Kulturstiftung München der Zeit nach den Arbeitslager beziehungsweise „Lagern mit Sonderstatus“ zu. Besonderes letztere hatten kaum Überlebende, da sie im Grunde Vernichtungslager waren, in denen die Insassen bewußt nicht mit Nahrung versorgt wurden. Wer nicht mehr oder noch nicht kräftig genug für die Aufgaben in den Arbeitslagern war, wurde in jene „Lager mit Sonderstatus“ geschickt. Hierbei handelte es sich überwiegend um alte Leute und Kinder. Zuerst starben die Großmütter, da sie alles was es an Essen gab, an ihre Enkel weitergaben, dann die Großväter, die es ihren Frauen nachmachten. Wer von den Kindern nicht an Hunger oder Krankheit verstarb, kam in Kinderheime. Dies führte dazu, daß es bei Auflösung der Lager 1948 nur wenige Überlebende gab. Für die wenigen alten Menschen wurden jedoch in Karlsdorf und St. Georgen spezielle „Altenheime“ eingerichtet, die ihnen zumindest einen einigermaßen menschlichen Lebensabend ermöglichten.

Anders sah es bei den Arbeitslagern aus. „Daß es sich keineswegs um eine Freilassung handelte, geht aus dem Formulartext unmißverständlich hervor“, schreibt Prokle. „Der künftige Arbeitgeber wird vorgeschrieben, die Zwangsverpflichtung gilt für mehrere (in der Regel drei) Jahre, der Arbeits-Wohnsitz darf nicht verlassen werden. Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit wird noch dadurch unterstrichen, daß der Betroffene keinen Personalausweis erhielt.“

Aber auch als die Zwangsverpflichtung aufgehoben wurde, also Anfang der 50er Jahre, konnten sich die auf dem Boden des Tito-Regimes verbliebenen, noch lebenden Donauschwaben nicht frei bewegen. Nur wer die jugoslawische Staatsangehörigkeit annahm, konnte dies. Und so wurde die vor Beginn des Zweiten Weltkrieges über 540000 Personen zählende Volksgruppe zumindest auf dem Papier nach Flucht und Vernichtung weiter reduziert. Etwa 1500 waren bereits in den Jahren 1941 bis 1944 von serbischen Partisanen gelyncht worden, weitere 9500 in den Jahren 1944 bis 1945. 245000 Zivilisten flohen 1945 gen Norden und etwa 95000 waren als Soldaten in verschiedenen Armeen in ihren jewiligen Einsatzgebieten über ganz Europa verteilt. 170000 Donau-schwaben wurden vom Tito-Regime in die erwähnten Lager gesperrt, etwa 8000 wurden in die UdSSR deportiert. In den Hungerlagern verstarben etwa 51000, von den Deportierten über 2000. Es sind also etwa 64000 donauschwäbische Zivilisten ums Leben gekommen, von denen über 40000 auch namentlich erfaßt sind.

Da ihr gesamter Besitz enteignet worden war, zogen jedoch nur wenige zurück in ihre alten Heimatorte, die meisten verblieben in ihren zugewiesenen Arbeitsorten. Eine Ausreise nach Deutschland war kompliziert und wurde weder von der Bundesrepublik Deutschland noch von Jugoslawien leicht gemacht. Zudem konnten viele der verbliebenen 100000 Donauschwaben Jugoslawien gar nicht verlassen, weil ihre Familie noch nicht vollständig war. Lange Jahre hofften viele meist vergebens auf die Rückkehr von Angehörigen, die in sowjetische Arbeitslager geschickt worden waren. Junge Männer wurden zudem Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre zum Wehrdienst in der jugoslawischen Armee gezwungen. Bevor dieser zweijährige Dienst nicht beendet war und die Söhne wieder bei ihren Familien waren, verließen diese kaum das Land. Andere wiederum suchten verzweifelt ihre in Pflegefamilien oder Heime verschleppten Kinder. Mit einem Zeitzeugenbericht verdeutlicht der Autor, welche Folgen dies für die Eltern hatte. Selbst wenn sie nach zum Teil jahrelangem Suchen endlich ihren Nachwuchs fanden, so war dieser ihnen inzwischen entfremdet und mitunter durch Indoktrination sogar zu einem Tito-Anhänger gemacht worden, der seine deutsche Herkunft ablehnte.

Weitere Zeitzeugenberichte über die Jahre in den Lagern und die Zeit danach sowie über die Ankunft in der Bundesrepublik Deutschland sowie Informationen zur Geschichte der Donauschwaben und deren Fehldeutung in der Vergangenheit runden die Arbeit von Herbert Prokle ab.   

Rebecca Bellano

Herbert Prokle: „Der Weg der Deutschen Minderheit Jugoslawiens nach Auflösung der Lager 1948“, Verlag der Donauschwäbischen Kulturstiftung, München 2008, geb., 144 Seiten, 9 Euro


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